(ots) - Reporter ohne Grenzen fordert den
aserbaidschanischen Präsidenten Ilcham Alijew dazu auf, endlich
Meinungs- und Pressefreiheit in seinem Land zuzulassen. Alijew kommt
am Mittwoch (21.1.) mit Bundeskanzlerin Angela Merkel zusammen. In
Aserbaidschan gehen die Behörden unterdessen im Rahmen einer
beispiellosen Repressionswelle gegen kritische Stimmen vor.
Mindestens 12 Journalisten und Blogger sitzen in dem autoritär
regierten Land derzeit in Haft.
"Wir fordern Präsident Alijew dazu auf, die Unterdrückung
kritischer Journalisten sofort zu beenden und die inhaftierten
Medienvertreter und Blogger unverzüglich freizulassen", sagt
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin: "Es ist nicht
hinnehmbar, dass Aserbaidschan als Mitglied des Europarats die
europäischen Werte von Meinungs- und Pressefreiheit missachtet und
die verbliebenen kritischen Stimmen im Land mundtot machen lässt."
Am 26. Dezember wurde das Büro von Radio Azadliq, dem
aserbaidschanischen Dienst von Radio Free Europe/Radio Liberty in
Baku durchsucht. Radio Azadliq zählt zu den wenigen verbliebenen
unabhängigen Medien in dem Land. (http://bit.ly/1DTiLdU) Ermittler
der Staatsanwaltschaft und bewaffnete Polizisten beschlagnahmten
Computer, Akten, Kameras und Bildmaterial und versiegelten
anschließend die Tür zu dem Büro. Radio Free Europe/Radio Liberty ist
seit 2009 in Aserbaidschan verboten und verbreitet seine
Informationen seither über das Internet. (http://bit.ly/1DTiLdU)
MEHRERE JOURNALISTEN IN HAFT
Am 5. Dezember nahmen die Behörden die international bekannte
Journalistin Kadija Ismajilowa mit einer fragwürdigen Anschuldigung
für zwei Monate in Untersuchungshaft. Ihr wird vorgeworfen, einen
freien Journalisten in einen Selbstmordversuch getrieben zu haben.
(http://bit.ly/1yyxYwm) Ismajilowa hat immer wieder kritisch über die
Machthaber in ihrer Heimat geschrieben und wurde wiederholt bedroht
und zu Verhören einbestellt. Im Oktober vergangenen Jahres erhielt
sie während einer Reise zum Europaparlament in Straßburg, wo sie über
die Menschenrechtslage in Aserbaidschan berichtete, anonyme
Drohungen. Bei ihrer Rückkehr am 3. Oktober wurde die Journalistin am
Flughafen Baku festgehalten und stundenlang verhört. Am 12. Oktober
verhängte der Generalstaatsanwalt in Baku eine Ausreisesperre gegen
sie.
Ismajilowa hat unter anderem für Radio Free Europe/Radio Liberty
gearbeitet und zeitweise deren Büro in Baku geleitet. Nachdem sie
über geheime Geschäfte innerhalb der Präsidentenfamilie geschrieben
hatte, lancierten regierungsnahe Medien 2012 und 2013 Videoaufnahmen
im Internet, die angeblich die Journalistin beim Sex in ihrem
Schlafzimmer zeigten. ROG hat kurz nach ihrer jüngsten Verhaftung
eine Online-Petition gestartet und ihre Freilassung gefordert.
Am 28. November wurde der unabhängige Journalist Turkhan Karimow
vor seinem Haus in Baku abgefangen und auf eine Polizeistation
geschleppt, wo man ihn zwei Stunden lang verhörte. Karimow arbeitet
als Reporter für Radio Azadliq und ist zudem ein aktiver Blogger. Auf
seiner Facebookseite setzt er sich regelmäßig in satirischer Weise
mit den politischen Entwicklungen in seiner Heimat auseinander.
(http://bit.ly/1J0xuSv) Bereits am 30. Juli wurden die bekannte
Bürgerrechtlerin Leyla Yunus und ihr Ehemann Arif Yunus inhaftiert.
(http://bit.ly/1CGdDGc)
VERSCHÄRFUNG VON MEDIENGESETZEN
Mitte Dezember stimmten die Abgeordneten des aserbaidschanischen
Parlaments einer Verschärfung eines bestehenden Mediengesetzes zu.
Demnach kann ein Medium künftig geschlossen werden, wenn bekannt
wird, dass es aus dem Ausland finanziell unterstützt wird. Das trifft
vor allem auf unabhängige Medien zu, da sie aufgrund der staatlichen
Kontrolle des Anzeigenmarktes oft auf internationale Unterstützung
angewiesen. Auch eine zweimalige Anklage wegen Verleumdung innerhalb
eines Jahres führt zu der erzwungenen Schließung. Dies ist insofern
alarmierend, als die Gerichte in Aserbaidschan nicht unabhängig
arbeiten und zu befürchten ist, dass die Verleumdungsklagen bewusst
eingesetzt werden, um Medien zur Aufgabe zu zwingen.
(http://bit.ly/1J0twJI)
AUCH NGOs IM VISIER DER BEHÖRDEN
Nichtregierungsorganisationen in Aserbaidschan wurden in den
vergangenen Monaten ebenfalls verfolgt. Im August vergangenen Jahres
wurden die Konten von rund einem Dutzend NGOs geschlossen, darunter
jene vom "Institute of Reporters Freedom and Safety" (IRFS)
(http://www.irfs.org/?lang=eng), von der US-amerikanischen
Organisation IREX, die unter anderem unabhängige Medien fördert und
vom "Media Rights Institute". Die persönlichen Konten von Rashid
Hajili, dem Vorsitzenden des Media Rights Institutes und von
IRFS-Direktor Emin Huseynow wurden eingefroren.
(http://bit.ly/1n0V0Em)
OPPOSITIONSMEDIEN GERATEN SYSTEMATISCH UNTER DRUCK Die wichtigste
Oppositionszeitung von Aserbidschan, Azadliq, ist im Sommer 2014
wieder einmal in Bedrängnis gekommen und musste vorübergehend den
Druck einstellen. Grund dafür ist, dass das staatliche
Vertriebsunternehmen GASID Rechnungen von Azadliq in Höhe von
umgerechnet rund 67 000 Euro nicht beglich. Azadliq kam dadurch in
finanzielle Schwierigkeiten und konnte wiederum seine Rechnungen bei
einer staatlichen Druckerei nicht bezahlen, weshalb diese den Druck
der Zeitung einstellte. (http://bit.ly/1CFPS12) Da Zeitungen seit
2011 nicht mehr an Straßenständen und seit 2013 auch nicht mehr in
U-Bahnhöfen verkauft werden dürfen, sind die Erträge des Blattes
stark zurückgegangen. Schon 2012 und 2013 konnte die Zeitung aufgrund
ausstehender GASID-Zahlungen vorübergehend nicht erscheinen.
ZAHLREICHE NOTHILFEANFRAGEN AN ROG
ROG hat kurz nach Ismajilowas Inhaftierung mit einer
Protestmail-Aktion ihre sofortige Freilassung gefordert.
(https://www.reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/ismajilowa/). Allein
im Jahr 2014 haben sich zehn bedrohte aserbaidschanische Journalisten
oder ihre Familien mit der Bitte um Unterstützung an ROG gewandt. Im
Rahmen seiner Nothilfearbeit unterstützte ROG unter anderem Avaz
Zeynalli mit finanziellen Mitteln bei rechtlichen Verfahrenskosten.
Der Journalist wurde 2013 zu einer neunjährigen Haftstrafe
verurteilt. ROG hat auch dem Journalisten Emin Milli geholfen und
etwa bei der Gründung von Millis Berliner Exilsender Meydan TV Hilfe
geleistet. Milli war zuvor in seiner Heimat wiederholt Verfolgung und
Repression ausgesetzt gewesen.
Auf der aktuellen ROG-Rangliste der Pressefreiheit steht
Aserbaidschan auf Platz 160 von 180 Ländern. Reporter ohne Grenzen
betrachtet Präsident Ilcham Alijew zudem als einen der Feinde der
Pressefreiheit. Weitere Informationen über die Lage der Medien in dem
Land finden Sie unter
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/aserbaidschan/.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29