(ots) - Keine drei Monate her, da galt Barack Obama nach der
krachenden Niederlage seiner Demokraten bei den Halbzeitwahlen im
Kongress als so gut wie abgemeldet: lahme Ente. Nach seinem jüngsten
Rechenschaftsbericht zur Lage der Nation erscheint der amerikanische
Präsident dagegen wie nach einer Verjüngungskur: kämpferisch und
entschlossen. Ein Draufgänger auf der Zielgeraden. Wie das
funktioniert? Auto-Suggestion. Einbildung.
Kein Vertun, die Checkliste des Erreichten könnte zwei Jahre vor
Ablauf seiner zweiten und letzten Amtszeit mickriger aussehen: Die
Wirtschaft brummt wieder. Die Arbeitslosigkeit geht zurück. Energie
ist billig und in Hülle und Fülle vorhanden. Kriegseinsätze, etwa in
Afghanistan, laufen aus. Fast die Hälfte der Nation blickt in
Umfragen wieder mit Optimismus in die Zukunft. Allein, nur mit Volkes
launischer Stimmung im Rücken hat noch niemand Washingtons Hang zur
Selbstblockade außer Kraft setzen können.
Mögen die Herzen europäischer Sozialdemokraten auch höher schlagen
angesichts der Umverteilungsversprechen Obamas, die von Erhöhung des
Mindestlohns, bezahltem Mutterschaftsurlaub, Lohnfortzahlung im
Krankheitsfall, flächendeckender Kinderbetreuung, höheren Steuern für
Reiche bis hin zu kostenloser College-Ausbildung reichen: Ein stramm
republikanisch dominierter Kongress, der bei fast allen Themen auf
der Gegengeraden läuft, wird den Mann im Weißen Haus gnadenlos auf
den Boden der Tatsachen zurückholen. Die Verlängerung der politischen
Grabenkämpfe bis Januar 2017 ist damit programmiert.
Einer von Obamas Vorgängern im Weißen Haus, Bill Clinton, setzte
sich in ähnlicher Lage uneitel aufs konservative Steckenpferd. Was
die Beißhemmung minderte und demokratischen Akzenten zum Erfolg
verhalf. In Obamas Ruck-Rede fehlte trotz aller jovialen Rhetorik
dieses Friedensangebot an die Mehrheitspartei.
Wenn Politik die Kunst des Machbaren ist, dann hat Barack Obama
sich am Dienstagabend endgültig ins politische Phantasialand
verabschiedet.
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