(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) verurteilt die jüngste
Welle von Ãœbergriffen und Repressionen gegen Journalisten in der
Ukraine. Seit Mitte Januar, als die Kämpfe zwischen ukrainischer
Armee sowie russischen Truppen und Separatisten im Osten und Süden
des Landes neu aufgeflammt sind, hat die Zahl der gewalttätigen
Drohungen und Einschüchterungsversuche deutlich zugenommen.
"Separatisten und russische Truppen im Osten der Ukraine müssen
endlich eine unabhängige Berichterstattung zulassen, anstatt
kritische Journalisten zu vertreiben und die verbliebenen Medien
immer mehr auf Linie zu bringen", sagte ROG-Geschäftsführer Christian
Mihr. "Angriffe und Drohungen gegen Journalisten müssen in allen
Teilen der Ukraine verfolgt und bestraft werden, um die Täter nicht
zu immer neuen Ãœbergriffen zu ermutigen."
Die ukrainische ROG-Partnerorganisation Institut für Massenmedien
(IMI) hat seit dem 17. Januar mindestens zwölf Übergriffe gegen
Journalisten gezählt. So überlebte in Tschernihiw im Norden der
Ukraine Wolodimir Maralow vom Nachrichtenportal Road Control einen
Mordversuch, als eine an seinem Auto angebrachte Sprengfalle
explodierte. In Czernowitz in der westlichen Ukraine erhielten Wadim
Pelech und seine Familie Todesdrohungen, nachdem der Fernsehsender
TVA einen Beitrag des Journalisten über pro-russische
Propagandavorwürfe gegen einen Bürger der Stadt ausgestrahlt hatte
(http://t1p.de/v0f9). Ebenfalls in Czernowitz wurde der Journalistin
Halina Jemez über das soziale Netzwerk Vkontakte Rache für Berichte
angedroht, die sie auf dem Onlineportal www.0372.ua veröffentlicht
hatte (http://t1p.de/jbtb).
In Ismajil im Bezirk Odessa wurde das Auto des Journalisten
Stanislaw Tuhai in Brand gesetzt, der für das Internetportal
Inforechie arbeitet. In Odessa selbst schlugen zwei mutmaßliche
Mitglieder einer pro-ukrainischen Miliz den Reporter Anton Dozenko
vom Onlineportal Timer, als er über eine Gerichtsverhandlung
berichten wollte.
JOURNALISTEN IN DEN "VOLKSREPUBLIKEN" MÃœSSEN LINIENTREU BERICHTEN
ODER FLIEHEN
In den selbsterklärten Volksrepubliken im Osten der Ukraine gibt
es infolge der Ãœbergriffe und Repressionen der vergangenen Monate
praktisch keine unabhängigen Medien mehr. Fast alle landesweiten
Medien mussten ihre Büros dort schließen. Unabhängige Lokal- und
Regionalmedien sind gezwungen, Stellung für die Separatisten zu
beziehen oder die Gebiete zu verlassen.
In der "Volksrepublik Donezk" müssen sich die Medien derzeit neu
registrieren. Vier neue Lokalsender präsentieren dort ausschließlich
die Sicht der pro-russischen Kräfte; private Sender gibt es dagegen
nicht mehr. Daneben wurden ein staatliches Nachrichtenportal und eine
Nachrichtenagentur gegründet (http://t1p.de/n9ye). In Druschkiwka im
Bezirk Donezk verschwand das Signal des Fernsehsenders 1 + 1
kurzzeitig aus dem Kabelnetz, bevor der Kanal in seinen
Abendnachrichten einen kritischen Bericht über den Bürgermeister der
Stadt ausstrahlte (http://t1p.de/v0f9).
Umso mehr haben Internetportale an Bedeutung als alternative
Informationsquellen gewonnen - und werden selbst etwa zu Zielen von
Hackerangriffen. Aktuelle Beispiele sind eine sogenannte DDoS-Attacke
auf das Webportal Inforechie am 29. Januar (http://t1p.de/v0f9) und
ein ähnlicher Angriff auf die Webseite des Fernsehsenders Ukraine
Today rund zwei Wochen zuvor (http://t1p.de/mjnw).
VERSCHÄRFUNG DER LAGE AUF DER KRIM
Auch auf der von Russland annektierten Krim hat sich die Lage für
unabhängige Journalisten und Medien deutlich verschärft. Der
gravierendste Fall der jüngeren Zeit war die Razzia der russischen
Polizeispezialeinheit Omon bei ATR in Simferopol, einem Fernsehsender
der krimtatarischen Minderheit, der zu den wenigen verbliebenen
unabhängigen Sendern dort gehört. Bei der Aktion am 26. Januar
marschierten Uniformierte mit automatischen Waffen in der Redaktion
ein, unterbrachen Sendebetrieb und Internetverbindung für einen
Großteil des Tages und hielten die Mitarbeiter in dem Gebäude fest
(http://t1p.de/nb52). Der Server mit dem Videoarchiv des Senders
wurde beschlagnahmt.
Die Menschenrechtskommission der Krim berichtet von wiederholten
Angriffen auf Journalisten, widerrechtlichen Festnahmen,
Gewaltandrohungen und der Zerstörung von Ausrüstung. Die Täter kämen
meist aus den Reihen der pro-russischen sogenannten
Selbstverteidigungskräfte (http://t1p.de/usw4).
REGIERUNG IN KIEW SETZT AUF GEGENPROPAGANDA
Die ukrainische Regierung hat ihrerseits mit Einschränkungen der
Medienfreiheit auf den Krieg im Osten des Landes reagiert. So
beschloss sie im Dezember die Gründung eines
Informationsministeriums, das vor allem russische Propaganda
zurückdrängen sowie im Osten und auf der Krim Gegenpropaganda machen
soll. Als Minister berufen wurde Juri Stez, ein Vertrauter von
Staatspräsident Petro Poroschenko (http://t1p.de/n2kq). Dem
Fernsehsender Inter drohte das neue Ministerium jüngst mit
Lizenzentzug, nachdem er zu Neujahr eine Gala mit Persönlichkeiten
ausstrahlte, die der Regierung in Kiew wegen pro-russischer
Stellungnahmen als unerwünscht gelten.
Im Laufe des vergangenen Jahres hat sich die Ukraine zu eine der
weltweit gefährlichsten Länder für Journalisten entwickelt. 2014
wurden dort 33 Journalisten entführt und sechs wegen ihrer Arbeit
getötet, die weitaus meisten davon im Osten des Landes
(www.reporter-ohne-grenzen.de/jahresbilanz/). Auf der Rangliste der
Pressefreiheit 2014 steht die Ukraine auf Platz 127 von 180 Ländern.
Weitere Informationen zur Lage der Journalisten in der Ukraine
finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/ukraine/.
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