(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) und die mazedonische
Bürgerrechtsorganisation Civil - Center for Freedom verurteilen das
massenhafte illegale Abhören von Journalisten in Mazedonien und
verlangen umgehende Schritte zur Wiederherstellung von Justiz und
Rechtsstaatlichkeit in dem Balkanstaat. Nach Angaben von
Oppositionsführer Zoran Zaev hat die Regierung ohne Rechtsgrundlage
rund 100 Journalisten abgehört, um ihre Kontrolle über die Medien
auszuweiten.
"Dieser großangelegte Lauschangriff auf Journalisten stellt einen
massiven Angriff auf die Medienfreiheit dar und läuft allen
rechtsstaatlichen Beteuerungen zuwider", sagte ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr. "Wenn Mazedoniens Bestrebungen als
EU-Beitrittskandidat irgendetwas wert sind, müssen die
Verantwortlichen für diesen Angriff auf die Grundrechte von
Journalisten und allen Bürgern in Mazedonien unverzüglich benannt und
zur Rechenschaft gezogen werden."
In einer Pressekonferenz am vergangenen Mittwoch veröffentlichte
Oppositionsführer Zaev Auszüge aus sechs Gesprächsmitschnitten, um zu
belegen, wie weit der Einfluss der Regierung auf die Medien reiche.
Nach seiner Darstellung waren unter den Abgehörten sowohl die
Chefredakteure regierungstreuer Medien als auch kritische
Journalisten wie der 2013 ums Leben gekommene Chefredakteur des
Magazins Fokus, Nikola Mladenov (http://t1p.de/8lv4).
INSGESAMT ANGEBLICH 20.000 MAZEDONIER ABGEHÖRT
Solche Abhörpraktiken verstoßen gegen Mazedoniens Verfassung und
Gesetze wie auch gegen internationale Menschenrechtsstandards und
Verpflichtungen des Landes. Sie verletzen nicht nur die
Menschenrechte von Journalisten, sondern stellen auch grundlegende
Prinzipien wie die Unabhängigkeit der Medien, den Schutz
journalistischer Quellen und die Grundrechte der Mazedonier insgesamt
in Frage.
Zaevs jüngste Anschuldigungen sind die vierte in einer Reihe von
Enthüllungen im Rahmen eines massiven Abhörskandals seit Anfang
Februar. Insgesamt sollen in dem Land mit rund zwei Millionen
Einwohnern mehr als 20.000 Menschen abgehört worden sein. Der
Oppositionsführer, dem derzeit ein Strafverfahren wegen mutmaßlicher
Planung eines Staatsstreichs droht, beschuldigt Ministerpräsident
Nikola Gruevski und dessen Cousin, Geheimdienstchef Saso Mijalkov,
den Lauschangriff angeordnet zu haben.
Der Ministerpräsident hat Zaev als Werkzeug eines ausländischen
Geheimdienstes bezeichnet, der seinerseits hinter der Abhöraktion
stecke. Namen nannte er nicht, erklärte aber, die mazedonischen
Dienste wüssten die Antwort auf diese Frage (http://t1p.de/jrva). Die
Echtheit der Aufnahmen stellte Gruevski indes nicht in Abrede.
PRESSEFREIHEIT NIMMT SEIT JAHREN AB
Die Lage Pressefreiheit in Mazedonien hat sich in Mazedonien in
den vergangenen Jahren dramatisch verschlechtert. In der jährlichen
Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen ist das Land
seit 2009 vom 34. auf den derzeit 117. Platz abgerutscht. Im Oktober
kritisierte die Europäische Union in ihrem jüngsten
Fortschrittsbericht für den Beitrittskandidaten Mazedonien die Lage
der Medien dort (http://t1p.de/hi5l). Unter anderem kritisierte sie
einen Missbrauch der Verleumdungsgesetze und bemängelte, dass
staatliche Institutionen unabhängige Medien beim Schalten von
Werbeanzeigen benachteiligten.
Darüber hinaus haben ROG und Civil den Prozess gegen den
mazedonischen Journalisten Tomislav Kezarovski vehement kritisiert,
den ein Berufungsgericht in Skopje Mitte Januar zu zwei Jahren
Gefängnis verurteilte (http://t1p.de/2zma). Er wurde beschuldigt, in
einem Artikel von 2008 die Identität eines geschützten Zeugen in
einem Strafprozess aufgedeckt zu haben. Kezavoski hatte bis zu dem
Berufungsurteil schon mehrere Monate in Haft und mehr als ein Jahr
unter Hausarrest verbracht. Die verbleibende viereinhalb Monate Haft
wurden inzwischen aus Gesundheitsgründen ausgesetzt.
Weitere Informationen zur Lage der Pressefreiheit finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/mazedonien/.
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