(ots) - Griechenland wird seine Schulden nie zurückbezahlen
können. Die angebliche Atempause, die der Bundestag den Griechen
gestern mit großer Mehrheit verschaffte, ist nicht mehr als eine
Fortsetzung der hilflosen und letztlich auch verlogenen europäischen
Politik des Zögerns und Zauderns. Denn niemand wird ernsthaft davon
ausgehen, dass sich in vier Monaten bemerkenswerte Verbesserungen der
Rahmenbedingungen oder gar ein wirtschaftlicher Nutzen erreichen
lassen. "Mit der Faust in der Tasche", so war eine häufig verwendete
Formulierung, dürften die meisten Abgeordneten ihren persönlichen
Segen gegeben haben. Zur Ehrenrettung der Ja-Sager im Bundestag
gehört allerdings, dass es sich bei diesen Abstimmungen um die Wahl
zwischen Pest und Cholera handelt. Auch waren die Ernsthaftigkeit der
Debatte und die erheblichen Vorbehalte insbesondere in der Union ein
klares Indiz dafür, dass sich die Geduld nach fünf Jahren Krise dem
Ende nähert. Wer zustimmte, tat dies aus mindestens drei Gründen: Das
Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro würde der Gemeinschaftswährung
schaden, was wiederum auch eine politische oder gar geostrategische
Schwächung Europas zur Folge haben könnte. Außerdem könnte der
Reformwillen in Ländern wie Spanien oder Portugal erlahmen. Gleiches
gilt allerdings auch, wenn man Griechenland stärker entgegenkommt:
Der Reformdruck in Südeuropa würde sinken, das gesamte Euro-Projekt
wäre in Frage gestellt. Was tun? Jeder weiß, dass frisches Geld für
Griechenland allein dazu dient, um alte Schulden abzustottern, die in
ihrer Gesamtheit nie beglichen werden. Insofern ist die gestrige
Zustimmung, wie die vorherigen auch, eine Milliarden-Investition, um
die Unwägbarkeiten eines Griechenland-Austritts zu verhindern. Dann
aber könnten die ohnehin verlorenen Milliarden auch gleich dazu
verwendet werden, den Griechen wieder die Chance auf Konsolidierung
der Wirtschaft und damit Luft zum Atmen zu geben. Ob mit
Schuldenschnitt oder einer Art Marshall-Plan oder einer anderen
Variante, wäre zweitrangig. Insofern sind die nächsten vier Monate
weniger eine Atempause für Griechenland, als vielmehr die Frist für
eine Grundsatzentscheidung in Europa.
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