(ots) - Die Studie der Universität Düsseldorf
gefördert von der Stiftung Mercator und Vodafone Stiftung Deutschland
untersucht milieuspezifische Bildungserfahrungen von Migranten in
Deutschland / Hoher Bildungsoptimismus, aber oft fehlende spezifische
Unterstützungsangebote / Eltern mit Migrationshintergrund wünschen
sich mehr interkulturelle Öffnung von Schule
Eltern mit Migrationshintergrund haben hohe Bildungsziele für ihre
Kinder und investieren viel Zeit und Ressourcen, um die Schullaufbahn
ihres Nachwuchses bestmöglich zu unterstützen. Oft scheitern sie und
ihre Kinder jedoch an der mangelnden Verfügbarkeit von spezifischen
Informations- und Unterstützungsangeboten und der noch immer
ungenügenden interkulturellen Öffnung von Schule. Dies zeigt die
Publikation "Große Vielfalt, weniger Chancen", die die Abteilung für
Bildungsforschung der Universität Düsseldorf mit Fördermitteln der
Stiftung Mercator und Vodafone Stiftung Deutschland erstellt hat.
"Einheitslösungen funktionieren nicht für uneinheitliche Gruppen", so
Mark Speich, Geschäftsführer der Vodafone Stiftung. "Wenn wir
wirklich den Bildungserfolg von Kindern mit Migrationshintergrund
wollen, geht das nur mit und nicht gegen die Eltern. Dazu müssen wir
diese Eltern aber auch verstehen." Winfried Kneip, Geschäftsführer
der Stiftung Mercator, erklärt: "Die Studie liefert uns zentrale
Erkenntnisse über die verschiedenen Lebenswelten, Einstellungen und
Erfahrungen von Migranten unterschiedlichster Milieus in Deutschland.
Damit gibt sie uns wichtige Hinweise, wie Projekte und Ansätze im
Bildungssystem für heterogene Zielgruppen passgenauer gestaltet und
so benachteiligte Kinder und Jugendliche in Zukunft noch gezielter
gefördert werden können."
Milieuspezifische Analyse bietet gezielte Entwicklung von
Bildungsprojekten
Menschen mit Migrationshintergrund bilden keine einheitliche
gesellschaftliche Gruppe in der deutschen Bevölkerung. Ziel des
zweijährigen Forschungsprojekts "Bildung, Milieu & Migration" war
daher, die unterschiedlichen Lebensweisen und Alltagskulturen von
Migranten in Deutschland systematisch zu untersuchen, um einen
differenzierten Einblick in deren Bildungserfahrungen und
-einstellungen zu erhalten. "Für die Beschreibung sozio-kulturell
geprägter Lebenswelten hat sich in der Forschung das
Gesellschaftsmodell der Sinus-Milieus bewährt", so Prof. Heiner Barz,
Leiter der Studie. "Unsere Analyse anhand der acht Migranten-Milieus
zeigt deutliche Unterschiede in den Bildungsmotiven von Migranten."
Diese reichen vom Wunsch nach Zugehörigkeit zur Mitte Deutschlands im
Adaptiv-bürgerlichen Milieu, über die Wahrung traditioneller Werte im
Religiös-verwurzelten Milieu bis hin zum Streben nach
Selbstverwirklichung im Sinne eines humanistischen Bildungsideals im
Intellektuell-kosmopolitischen Milieu.
Alle Eltern wollen Bildungsaufstieg - elterliche
Unterstützungsmöglichkeiten stark milieuspezifisch
Über alle Milieus hinweg äußern Eltern mit Migrationshintergrund
den Wunsch, dass ihre Kinder "es einmal besser haben sollen", womit
in der Regel das Streben nach einer erfolgreichen Bildung verbunden
ist. Allerdings unterscheiden sich die Ressourcen, die Eltern hierfür
aufbringen können, entscheidend milieuspezifisch. Im gut gebildeten
Intellektuell-kosmopolitischen Milieu wird besonders sensibel, aber
auch selbstbewusst auf die Bildungsbenachteiligung von Migranten
reagiert und die Milieuangehörigen setzen sich engagiert gegen
Diskriminierung ein. Werden in den Milieus der bürgerlichen Mitte
sämtliche Möglichkeiten der elterlichen Hilfe von der
Hausaufgabenbetreuung über gemeinsames Lernen bis hin zur Begleitung
von Klassenfahrten ausgeschöpft, begrenzen niedriger
Bildungshintergrund, finanzielle Knappheit und fehlende Kenntnisse
über das deutsche Bildungssystem die Unterstützungsmöglichkeiten von
Eltern aus traditionsorientierten und prekären Milieus.
Eltern wünschen sich mehr interkulturelle Öffnung von Schule
Den hohen Bildungsaspirationen von Migranten stehen jedoch noch
immer zahlreiche Barrieren entgegen, mit denen Schülerinnen und
Schüler und ihre Eltern tagtäglich zu kämpfen haben. Eltern bemängeln
hier vornehmlich eine mangelnde interkulturelle Öffnung von Schulen
in Deutschland. Die überwiegende Mehrheit (88 Prozent) der befragten
Eltern wünschen sich die Wertschätzung kultureller Vielfalt an
Schulen, jedoch nur zwei Drittel (66 Prozent) geben an, dies im
Schulalltag ihres Kindes auch zu beobachten. Einen besonders hohen
Stellenwert hat aus Sicht der Eltern zudem die interkulturelle
Kompetenz der Lehrkräfte; 92 Prozent der Befragten erachten diese als
wichtig, aber lediglich 60 Prozent erleben entsprechend
aufgeschlossene und sensibilisierte Lehrer an der Schule ihrer
Kinder.
Hoher Bedarf an Angeboten zur Elternbildung - Schule ist erste
Anlaufstelle
Die Mehrheit der befragten Eltern (63 Prozent) über alle Milieus
hinweg begrüßt Angebote zur Elternbildung. Auch hier unterscheiden
sich allerdings die Wünsche und Vorstellungen der Eltern
milieuspezifisch. Gerade die ambitionierteren Migrantenmilieus
möchten mit ihrer eigenen Expertise zu den Themen Bildung und
Erziehung einbezogen werden. Bei ihnen besteht ein besonders großes
Interesse für das Thema Studienmöglichkeiten. Hier zeigen sich
besonders eklatante Lücken in den verfügbaren Angeboten: 86 Prozent
der Eltern wünschen sich Beratung zu speziellen Förder- und
Stipendienprogrammen für junge Migranten, aber nur 20 Prozent geben
an, dass diese an der Schule ihrer Kinder vorhanden ist. In den
traditionellen und sozial benachteiligten Milieus stoßen klassische
Erziehungsratgeberthemen neben allgemeinen Informationen zum
deutschen Schulsystem auf stärkere Resonanz. Kurse in der
Herkunftssprache wünschen sich vor allem viele traditionsverwurzelte
Eltern sowie Eltern aus den prekären Milieus.
Dabei artikulieren Eltern aller Milieus gleichermaßen großes
Interesse an schulnahen Bildungsangeboten für Eltern. Eltern mit
Migrationshintergrund wünschen sich dabei explizit keine separaten
Veranstaltungen, sondern Angebote, die sich an alle Eltern richten.
"Der Ausbau bestehender Beratungs- und Informationsangebote ist daher
ebenso geboten wie die Entwicklung neuer, zielgruppenoptimierter
Formate, die an den unterschiedlichen Alltagswelten differenziert
ansetzen", so Prof. Barz. Klassische Informationsmedien wie
Broschüren oder Flyer stoßen bei den befragten Eltern auf eher
geringes Interesse, in den moderner orientierten Milieus wird das
Internet als Informationsmedium präferiert.
Ãœber das Forschungsprojekt "Bildung, Milieu & Migration"
Das Forschungsprojekt "Bildung, Milieu & Migration" greift
erstmals das Gesellschaftsmodell der sozialen Migranten-Milieus des
Heidelberger Sinus-Instituts für den Bildungsbereich auf. Damit wird
es möglich, die unterschiedlich geprägten Lebenswelten von Menschen
mit Migrationshintergrund in Deutschland differenzierter in den Blick
zu nehmen und die jeweils typischen Bildungserfahrungen und
-einstellungen herauszuarbeiten. Das Modell unterscheidet dabei acht
spezifische Migranten Milieus: Adaptiv-bürgerliches Milieu,
Statusorientiertes Milieu, Multikulturelles Performermilieu,
Intellektuell-kosmopolitisches Milieu, Religiös-verwurzeltes Milieu,
Traditionelles Arbeitermilieu, Entwurzeltes Milieu,
Hedonistisch-subkulturelles Milieu. Die Projektdaten beruhen auf
einem zweistufigen Forschungsdesign, für das die Bildungsaspirationen
und -barrieren von Migranten zunächst mit Hilfe von 120 qualitativen
Interviews exploriert und anschließend auf einer repräsentativen
Basis mit 1.700 telefonischen Interviews quantifiziert wurden. Die
Studienergebnisse werden ergänzt durch Bild- und Videomaterial, das
die Bildungsprofile der einzelnen Milieus veranschaulicht und
ausgewählte Studienteilnehmer porträtiert. Das Projekt wurde von der
Stiftung Mercator und der Vodafone Stiftung gefördert.
Detaillierte Informationen zur Studie sowie ausgewähltes
Fotomaterial und Videointerviews mit den Studienteilnehmern finden
Sie unter: http://tinyurl.com/grosse-vielfalt
Ãœber die Stiftung Mercator
Die Stiftung Mercator ist eine private Stiftung, die Wissenschaft,
Bildung und Internationale Verständigung fördert. Sie initiiert,
entwickelt und finanziert gezielt Projekte und Partnergesellschaften
in den Themenbereichen, für die sie sich engagiert: Sie will Europa
stärken, Integration durch gleiche Bildungschancen für alle
verbessern, die Energiewende als Motor für globalen Klimaschutz
vorantreiben und kulturelle Bildung in Schulen verankern. Dem
Ruhrgebiet, der Heimat der Stifterfamilie und dem Sitz der Stiftung,
fühlt sie sich besonders verpflichtet.
Mehr Informationen unter: www.stiftung-mercator.de
Ãœber die Vodafone Stiftung Deutschland
Die Vodafone Stiftung ist eine der großen unternehmensverbundenen
Stiftungen in Deutschland. Unter dem Leitmotiv "Erkennen. Fördern.
Bewegen." unterstützt die Stiftung als gesellschaftspolitischer
Thinktank insbesondere Programme in den Bereichen Bildung,
Integration und soziale Mobilität mit dem Ziel, Impulse für den
gesellschaftlichen Fortschritt zu geben, die Entwicklungen einer
aktiven Bürgergesellschaft zu fördern und gesellschaftliche
Verantwortung zu übernehmen. Dabei geht es der Vodafone Stiftung
Deutschland vor allem darum, benachteiligten Kindern und Jugendlichen
den sozialen Aufstieg zu ermöglichen.
Mehr Informationen unter: www.vodafone-stiftung.de
Über die Abteilung für Bildungsforschung und Bildungsmanagement an
der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Die Abteilung für Bildungsforschung und Bildungsmanagement unter
Leitung von Prof. Dr. Heiner Barz gehört zum Institut für
Sozialwissenschaften. Im Fokus von Forschung und Lehre stehen
insbesondere Themen, die sich auf Innovationsfelder (Bildungsreform,
kulturelle Bildung, eLearning) beziehen oder an Schnittstellen zur
Soziologie (Bildungssoziologie, Jugendsoziologie,
Migrationssoziologie) und zur Wirtschaftswissenschaft
(Bildungsfinanzierung, Bildungsmarketing, Bildungscontrolling)
angesiedelt sind. Arbeits- und Forschungsschwerpunkte der letzten
Jahre sind u.a. Migration und Bildung, Reformpädagogik und
Bildungsreform, Bildungsmarketing und Bildungsfinanzierung,
Gesundheitsbildung, eLearning, kulturelle Bildung.
Mehr Informationen unter: http://ots.de/sRXbz
Pressekontakt:
Julia Heer
Kommunikationsmanagerin
Stiftung Mercator GmbH
Huyssenallee 46
45128 Essen
Fon +49 201 24522-849
Fax +49 201 24522-8849
julia.heer(at)stiftung-mercator.de
www.stiftung-mercator.de
Danyal Alaybeyoglu
Leiter Kommunikation
Vodafone Stiftung Deutschland gemeinnützige GmbH
Büro Berlin
Pariser Platz 6a
10117 Berlin
Fon +49 30 206 176-13
Fax +49 30 206 176-29
danyal.alaybeyoglu(at)vodafone.com
www.vodafone-stiftung.de