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"Wir sind in der Phase des Trial and Error" / Gemeinsame Veranstaltung der BLM und dem US-Generalkonsulat zu "Tendenzen im digitalen Journalismus"

ID: 1191114

(ots) - Die Zukunft des Journalismus lässt sich auch über
eine kurze Zeitspanne von zwei bis drei Jahren nicht vorhersagen,
allenfalls sind subjektive Prognosen möglich. Sowohl die Medien als
auch der Journalismus befinden sich in einer Zeit des Ãœbergangs, ohne
dass man genau vorhersehen könnte, wohin die Reise letztlich gehen
wird. "Wir sind in einer Phase des Trial and Error", so Christian
Jakubetz, Keynote-Speaker und Moderator der Veranstaltung "Tendenzen
im digitalen Journalismus: Partizipation, Spezialisierung,
Experimente", zu der gestern Abend die BLM und das US-Generalkonsulat
eingeladen hatten.

BLM-Präsident Schneider betonte in seiner Begrüßung, dass gerade
im digitalen Journalismus die Vermittlung von Hintergrund- und
Orientierungswissen immer wichtiger werde. Bei der Fülle der
technischen Möglichkeiten, die Journalisten mittlerweile zur
Verfügung stehen, komme dabei der Aus- und Fortbildung eine besondere
Rolle zu: "Wer die Zukunft gestalten will, muss denen eine Zukunft
geben, von denen die Zukunft gestaltet wird." Auch US-Generalkonsul
William E. Moeller, der selbst als Journalist tätig war, betonte die
wichtige Rolle, die dem Journalismus gerade im Internet-Zeitalter
zukomme. Das Internet habe die Nachrichten demokratisiert,
gleichzeitig aber falle es den Nutzern immer schwerer, zu
entscheiden, welche Quellen vertrauenswürdig seien.

Christian Jakubetz beschrieb in seiner Keynote, dass Journalisten
immer mehr zu Moderatoren des Geschehenen werden. In einer
Momentaufnahme der aktuellen Entwicklung sieht er mehrere Tendenzen:
Da ist einerseits der Trend zu einem Journalismus in Echtzeit. Das
Geschehen werde zunehmend in Echtzeit abgebildet, eine
journalistische Berichterstattung sei nie fertig. Journalisten werden
auf diese Weise für das Publikum immer mehr zu Begleitern über den




Tag. Außerdem sei das Bewegtbild dabei den Journalismus zu verändern.
"Das Bewegtbild ist in Zukunft eine der Kernkompetenzen für alle, die
mit Journalismus zu tun haben", so Jakubetz. Bezüglich "Meerkat" sei
er allerdings nicht sicher, ob es eher ein Spielzeug sei oder ein
Stück Zukunft des Journalismus.

In der Podiumsdiskussion bestätigten sowohl Julia Bönisch, Stv.
Chefredakteurin von Süddeutsche.de als auch Martin Wanninger, Stv.
Chefredakteur Passauer Neue Presse, dass es in den Redaktionen zu
einer immer stärkeren Zusammenarbeit zwischen Print und Online komme.
"Aber wir verschmelzen nicht. Es gibt jeweils Spezialisten für einen
Kanal", so Bönisch. Deutlich wurden aber auch die unterschiedlichen
Konzepte zwischen einer großen regionalen Tageszeitung wie der
Passauer Neuen Presse und einer überregionalen Tageszeitung wie der
Süddeutschen Zeitung. Während die SZ auch in Zukunft alle Themen
umfassend in News und Hintergrund für ihre Leser aufbereiten wird,
legt die PNP zumindest im Online-Bereich bereits jetzt ihren Fokus
klar auf ihre Kompetenz als Heimatzeitung. "Wir werden auf absehbare
Zeit den Mantelteil nicht weglassen, aber es geht in diese Richtung",
so Wanninger.

Benjamin Ruth, Deutschlandchef von VICE, sieht ein großes Problem
vieler Medien darin, alles machen zu wollen. VICE konzentriere sich
mit seinen Inhalten auf den Kontext und nicht auf die News und
spreche nur eine bestimmte Zielgruppe an.

Weder Ruth noch Bönisch können sich vorstellen, in Zukunft eigene
Kanäle etwa auf Facebook zu starten, wie das die New York Times
offenbar plant. "Auch wenn der Großteil des Traffics auf unserer
Homepage durch Soziale Medien kommt, werden wir nicht nur für Soziale
Medien produzieren. Facebook hat seine eigene Agenda, von der wir uns
nicht abhängig machen wollen", sagte Ruth.

Christoph Neuberger, Prof. für Kommunikationswissenschaft an der
Ludwig-Maximilians-Universität München mit dem Spezialgebiet
Medienwandel, warnte vor der Gefahr einer Ãœberforderung des
Journalismus. Der Journalismus solle sich auf seine Kernkompetenzen
besinnen. "Wir haben in den vergangenen 20 Jahren gerade im
Online-Journalismus viele Irrwege erlebt", so Neuberger. Die aktuelle
Kritik am Journalismus, die im Schlagwort von der "Lügenpresse"
Ausdruck findet, sei vor allem interessengesteuert. Er glaube, dass
der Journalismus aktuell seine Kritik- und Kontrollfunktion in
unserer Gesellschaft gut wahrnehme. Die Bedeutung der
Moderatorenrolle werde in Zukunft zunehmen.

Lucian Kim, der als freier Journalist für unterschiedliche Medien
wie Reuters, Slate, Newsweek und Buzzfeed tätig ist, bestätigte aus
seinem Arbeitsalltag die These der permanenten Berichterstattung:
"Zeitungen verwandeln sich immer mehr zu Nachrichtenagenturen. Es
gibt keine Deadline, man muss ständig liefern."

In einem Abschlussstatement aller Podiumsteilnehmer wurden als
wichtige Zukunftstrends für den digitalen Journalismus
Vielkanaligkeit, Kontextualisierung von Themen, transmediale
Diversifizierung starker Medienmarken, Spezialisierung und
Globalisierung genannt. Das letzte Wort hatte Martin Wanninger: "Es
wird weniger revolutionär werden, als wir denken."



Pressekontakt:
Dr. Wolfgang Flieger
Pressesprecher
Tel.: (089) 638 08-313
wolfgang.flieger(at)blm.de


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Datum: 25.03.2015 - 12:09 Uhr
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