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Wenn Manager moralisch entgleisen - gibt es dann so etwas wie eine
"Produzentenhaftung" für Hochschulen in Deutschland mit
betriebswirtschaftlichen Studiengängen? Diese provokante Frage stellt
Prof. Dr. Dennis Lotter, der jetzt zum Professor an der Hochschule
Fresenius berufen wurde. "Die Liste an Schlagzeilen ist lang - und es
vergeht kaum ein Tag, an dem wir nicht von Verfehlungen von
Unternehmenslenkern hören", sagt der 33-Jährige, der seit dem
Wintersemester 2014/15 an der Hochschule Fresenius Studiendekan des
Studiengangs Sustainable Marketing and Leadership ist und dessen
Promotionsthema "Ethik in Familienunternehmen" lautete. "Die
Grundsätze der freien Marktwirtschaft stehen auf dem Prüfstand und
wir erleben wieder einmal eine Akzeptanzkrise." Von Führungskräften
werde heute allerdings auch mehr verlangt als bloße theoretische
Fachkenntnisse - und dies nicht nur in der Branche selbst, sondern in
weiten Teilen der Gesellschaft. Darauf müsse sich eine Hochschule bei
der Ausbildung des Managernachwuchses einstellen: Zusätzliche Aspekte
wie Verantwortungsbewusstsein, interdisziplinäres Denken, empathische
Fähigkeiten, Courage und ein kritischer Geist sowie die Fähigkeit,
das eigene Handeln und dessen Folgen zu reflektieren, rücken immer
mehr in den Vordergrund. Lehre und Dozenten sehen sich mit neuen
Herausforderungen konfrontiert.
Denn: "In den wenigsten Fällen scheitern Talente und Manager am
mangelhaften Fachwissen, sondern an Fehlverhalten, falscher Moral
oder mangelnder sozialer Kompetenz", führt Lotter im Rahmen seiner
Antrittsvorlesung an der Hochschule Fresenius Mitte März dieses
Jahres weiter aus. Es sei aber zu berücksichtigen, dass die
Anforderungen an Unternehmen und deren Lenker enorm gestiegen sind.
Diese sollen heute soziale Verantwortung übernehmen, für eine
ausgeglichene Work-Life-Balance ihrer Angestellten sorgen, sorgsam
mit den Ressourcen aller umgehen - und dabei trotzdem Gewinne
erwirtschaften. Fehltritte und solche Verhaltensweisen, die qua
definitione durch die breite Masse und die Medien zu solchen
stilisiert werden, kommen nicht nur schnell ans Licht, sondern münden
nicht selten in lautstarken Forderungen nach "angemessenen
Konsequenzen". Insgesamt steigen Erwartungs- und Erfolgsdruck - und
der mündige Bürger verlangt nachvollziehbare Antworten auf die Frage
nach der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen. Diese hat
- ausgehend vom angelsächsischen Kulturraum - mittlerweile weltweit
unter dem Begriff "Corporate Social Responsibility", kurz CSR, ihre
feste Verankerung in Unternehmenskonzepten erhalten. Was bedeutet
das?
Corporate Social Responsibility und Betriebswirtschaft
Geht es nach Lotter, sind verschiedene Ansätze "old school" und
daher ungeeignet, drängende Fragen der Gesellschaft zu beantworten.
Dazu gehört die neoliberale Argumentationsposition, in der
Unternehmen nach maximalem Gewinn streben sollen, dann gehe es schon
allen gut. Einziger Regulator ist der Staat, der bestimmte
Spielregeln für wirtschaftliches Handeln aufstellt. Ausgehend von
diesem Prinzip sei der Herrschaft des Eigeninteresses Tür und Tor
geöffnet, rein rational begründete Entscheidungen bestimmen das
Wirtschaftsleben. "Das geht an unserer modernen Wirklichkeit vorbei",
moniert Lotter, "der Homo Realiter" kennt viele Fakten nicht,
entscheidet oft auch emotional und verhält sich nicht wie
vorgesehen." Die philanthropische Argumentationsposition, die
gegenüber der neoliberalen prinzipiell am betriebswirtschaftlichen
Grundkonzept der Gewinnmaximierung festhält und diese lediglich um
den Aspekt der Wohltätigkeit ergänzt - frei nach dem Motto "ich habe
viel eingenommen, also gebe ich etwas zurück" - könnte von der
Gesellschaft schnell als eine Art "Ablasshandel" verstanden werden,
so Lotter . Ressourcen werden trotzdem nicht geschont und im Rahmen
betriebswirtschaftlichen Handelns spielt soziale Verantwortung immer
noch keine adäquate Rolle, sondern erst danach, wenn das Ergebnis
feststeht.
Neue Ansprüche verlangen Neuausrichtung der Qualifikation von
Betriebswirten
Wie steht es dann um die sozialökonomische Argumentationsposition?
Immerhin findet sich hier die Art und Weise, wie Gewinne
erwirtschaftet werden, im Zentrum der Betrachtungen. Unternehmen und
ihre Lenker sollen ihr Handeln stets an dessen Sozialverträglichkeit
ausrichten, Nachhaltigkeit und schonender Umgang mit Ressourcen
gehören zum Grundkonzept. "Dieser Ansatz ist sicher zeitgemäß,
insgesamt sind aber die Maßstäbe für das richtige Handeln noch
unklar, die Komplexität durch die Vielschichtigkeit der zu
beachtenden Aspekte ist sehr hoch - ebenso wie die Ansprüche an Moral
und Ethik", meint Lotter. "Das bedeutet, dass die Anforderungen an
den Betriebswirt von heute enorm gestiegen sind. Ist er denn mit
seiner Ausbildung den hohen moralischen Argumentations- und
Entscheidungsanforderungen gewachsen?" An diesem Punkt seien die
Hochschulen gefragt. "Vor den hier skizzierten Hintergründen sollte
eine Führungspersönlichkeit in der Lage sein, Stellung zur Kritik an
der Marktwirtschaft nehmen zu können, die Übernahme von
gesellschaftlicher Verantwortung innerhalb der unternehmerischen
Wertschöpfungskette unter Beweis zu stellen - und dafür im Betrieb
die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Und nicht zuletzt
müssen wir die Fähigkeit zur Selbstreflexion und zur Berücksichtigung
ökonomischer, ökologischer und sozialer Folgen vermitteln.
Ambitionierte Ziele, die wir mit dem Master-Studiengang Sustainable
Marketing and Leadership an der Hochschule Fresenius erreichen
wollen", sagt Lotter. Die ersten "neuen" Führungskräfte haben dann
mit dem Abschluss nach vier Semestern ab Mitte 2016 Gelegenheit, ihre
Fähigkeiten unter Beweis zu stellen.
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