Schon vor 75 Jahren konnte nachgewiesen werden, dass die großen arteriellen und venösen Blutgefässe in den Hirnhäuten schmerzempfindlich sind – anders als das Hirngewebe selbst. Vor 25 Jahren wurden dann Neuropeptide, d.h. aus Nervenfasern freigesetzte Eiweißstoffe, identifiziert, die die Weite dieser Blutgefäße regulieren. Eine dieser Sustanzen war CGRP (das calcitonin gene-related peptide). CGRP gehört zu den am stärksten gefäßerweiternden Stoffen im Körper. Gleichzeitig geht die mit CGRP verbundene Gefäßerweiterung im Experiment mit Schmerzen einher.
(firmenpresse) - Schon vor 75 Jahren konnte nachgewiesen werden, dass die großen arteriellen und venösen Blutgefässe in den Hirnhäuten schmerzempfindlich sind – anders als das Hirngewebe selbst. Vor 25 Jahren wurden dann Neuropeptide, d.h. aus Nervenfasern freigesetzte Eiweißstoffe, identifiziert, die die Weite dieser Blutgefäße regulieren. Eine dieser Sustanzen war CGRP (das calcitonin gene-related peptide). CGRP gehört zu den am stärksten gefäßerweiternden Stoffen im Körper. Gleichzeitig geht die mit CGRP verbundene Gefäßerweiterung im Experiment mit Schmerzen einher.
Die entscheidende Bedeutung von CGRP in der Entstehung der Migräne zeigte sich, als man im venösen Blut von Patienten in Migräneattacken erhöhte CGRP-Spiegel fand, die sich nach Beendigung der Migräne durch Sumatriptangabe wieder normalisierten. Diese Beobachtungen wurden bestätigt, als man durch Infusion von CGRP bei Patienten Migräneattacken auslösen konnte. CGRP wird u.a. in Nervenfasern des N. trigeminus gebildet und freigesetzt, wenn diese in der Migräneattacke aktiviert werden (siehe Abbildung 1). Das freigesetzte CGRP bindet an CGRP-Rezeptoren in der Wand von Blutgefässen der Hirnhaut. Es kommt zur Blutgefäßerweiterung und gleichzeitig zur Sensibilisierung von Schmerzrezeptoren in der Blutgefäßwand. Das Pulsieren der erweiterten Blutgefäße wird zum Schmerzreiz, den die Patienten als pulsierend-hämmernden Migräneschmerz wahrnehmen, der sich bei jeder körperlichen Anstrengung, ja meist schon vom Bücken allein, verstärkt.
Triptane binden an bestimmte Serotoninrezeptoren, die sich auf den Endigungen der Trigeminusfasern befinden und hemmen in der Migräneattacke die Freisetzung von CGRP. Es dauert noch einige Zeit, bis das bereits vorher ausgeschüttete CGRP abgebaut ist, die Blutgefässe sich wieder verengen und die Schmerzrezeptoren ihre normale (Un-)empfindlichkeit wiedererlangt haben. Dann ist für den Patienten zunächst die Migräne unterbrochen. Damit wird klar, dass auch Triptane umso schneller und stärker helfen, je früher man sie in der Attacke einnimmt und je weniger CGRP bereits ausgeschüttet wurde. Es wird jedoch auch verständlich, dass Triptane keineswegs Migräneattacken beenden. CGRP wird weiter gebildet, nur vorübergehend nicht freigesetzt. Das CGRP sammelt sich in den Trigeminusfasern an und wartet quasi nur darauf, dass die Triptane abgebaut sind. Die dann wieder mögliche und zum Teil massenhafte Freisetzung des CGRP führt bei den Patienten zum Wiederauftreten des Migräneschmerzes, dem sogenannten Wiederkehrkopfschmerz. Die erneute Einnahme eines Triptans ist dann meist wieder wirksam. Das ganze Spiel wiederholt sich solange, bis die Migräneattacke schließlich nach meist 4 bis 72 Stunden tatsächlich abklingt. Als Alternative zu den Triptanen waren vor einigen Jahren Medikamente getestet worden, die nicht die Freisetzung von CGRP blockierten, sondern den CGRP-Rezeptor. Das freigesetzte CGRP fand damit in Migräneattacken keinen Angriffspunkt. Diese CGRP-Rezeptorantagonisten waren ähnlich wirksam wie die Triptane, führten jedoch bedauerlicherweise bei regelmäßiger Einnahme in höheren Dosierungen zu einer Leberschädigung, so dass sie nie Marktreife erreichten.
Die Einführung der Triptane war zweifelsohne ein entscheidender Fortschritt in der Migräneattackentherapie. Bislang ist es nicht gelungen, auch in der Vorbeugung der Migräne ähnlich erfolgreich zu sein. Keines der heute eingesetzten vorbeugenden Medikamente wurde gezielt zur Migränevorbeugung entwickelt. Alle Medikamente waren zunächst für andere Krankheitsbilder eingesetzt worden, z.B. die Betablocker zur Blutdruckbehandlung und haben ein mehr oder weniger ungünstiges Nutzen-Nebenwirkungs-Verhältnis. Dies soll sich zukünftig ändern und wieder spielt das CGRP eine entscheidende Rolle.
Aktuell werden klinische Studien unter Beteiligung der Schmerzklinik Kiel durchgeführt, in denen monoklonale Antikörper zur Migränevorbeugung eingesetzt werden, die entweder das in Migräneattacken freigesetzte CGRP zerstören oder mit dem CGRP-Rezeptor dessen Angriffspunkt. Die Patienten werden gleichsam gegen Migräne passiv geimpft. Die Antikörper werden einmal im Monat unter die Haut injiziert. Die ersten Studienergebnisse sind vielsprechend -die Substanzen sind bei bislang guter Verträglichkeit deutlich wirksamer als Placebo. Was aber insbsondere für die Zukunft hoffen läßt, ist, dass in den veröffentlichten Phase-II-Studien eine kleine Gruppe von Patienten komplett migräneattackenfrei wurde. Es bleibt abzuwarten, ob die Ergebnisse sich bestätigen und vor allem von Dauer sind.
Die Schmerzklinik Kiel wurde als wissenschaftliches Modellprojekt 1997 gegründet und beschritt mit dem Beginn der Patientenversorgung neue Wege in der Schmerztherapie.
Der Behandlungsschwerpunkt zielt auf chronische neurologische Schmerzerkrankungen, insbesondere Migräne- und Kopfschmerzerkrankungen, Schmerzerkrankungen der Muskulatur und des Bewegungsapparates, Schmerzen bei Erkrankungen des peripheren und zentralen Nervensystems und Schmerzen bei Unfallschäden und bei Nervenverletzungen.
Ziel unserer Klinik ist es, das gesamte Wissen, das international für die Versorgung von chronischen Schmerzen verfügbar ist, unmittelbar den Patienten zukommen zu lassen und dabei hochspezialisiert die Belange von Menschen mit chronischen Schmerzen zu berücksichtigen. Daneben gilt unsere Aufmerksamkeit der Erforschung von neurologischen Schmerzerkrankungen, Migräne und anderen Kopfschmerzen, um die zukünftige Behandlung weiter zu verbessern
Die Konzeption der Schmerzklinik Kiel hat moderne Entwicklungen in der Medizin vorausgenommen, insbesondere die integrierte Versorgung. Integrierte Versorgung bedeutet, dass die Behandlung nicht durch Fachgrenzen eingeschränkt wird. Auch die Abschottung von ambulanten und stationären Versorgungsbereichen wird aufgehoben. Experten der verschiedenen medizinischen Fachgebiete wirken zusammen, um die Patienten mit zeitgemäßen wissenschaftlichen Methoden Hand in Hand zu behandeln. Die ambulante und stationäre Behandlung ist eng aufeinander abgestimmt.
Mit der Umsetzung des Konzeptes bietet die Schmerzklinik Kiel eine speziell auf Patienten mit chronischen Schmerzen ausgerichtete koordinierte ambulante und stationäre neurologisch-verhaltensmedizinische Behandlung an.
Prof. Dr. med. Dipl.-Psych. Hartmut Göbel
Neurologisch-verhaltensmedizinische Schmerzklinik Kiel
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