(ots) - Gymnasiallehrer: Beim Niedergang der Handschrift
gegensteuern
Generalabrechnung mit Grundschulen - Kritik an
"Selbstherrlichkeit" von Primarstufen-Reformern - Meidinger sieht
"fahrlässige Experimente"
Osnabrück.- Der Vorsitzende des Philologenverbandes hat dazu
aufgerufen, beim Niedergang der Handschrift gegenzusteuern. "Das ist
eine Kulturtechnik, die wir nicht aufgeben dürfen", sagte der
Bundesvorsitzende Heinz-Peter Meidinger der "Neuen Osnabrücker
Zeitung" (Mittwoch). Je mehr die Digitalisierung zunehme, desto
schlechter werde die Handschrift. Es fehle die Ãœbung. "Ich hoffe
sehr, dass Abiturienten auch 2050 noch flüssig schreiben können",
betonte Meidinger. Denn es gebe Situationen, in denen Schülerinnen
und Schüler auf ihre Handschriften angewiesen seien, nicht nur dann,
wenn der Computer ausfalle. "Einige Top-Konzerne verlangen bei
Bewerbungen einen handschriftlichen Lebenslauf", sagte der
Verbandschefs, der 90.000 Gymnasiallehrer vertritt.
In einer Umfrage hatten jüngst 79 Prozent der Lehrer an
weiterführenden Schulen erklärt, ihre Schüler hätten Probleme mit der
Handschrift. Meidinger äußerte sich auch sehr kritisch zu der
Entwicklung, dass immer mehr Schüler in Deutschland keine
Schreibschrift mehr lernen und ihnen stattdessen eine neue
Grundschrift beigebracht wird, die der Druckschrift ähnelt. "Ich
halte es für fahrlässig und falsch, was sich inzwischen einige
Bundesländer erlauben", sagte Meidinger. Bei der Grundschrift würden
Buchstaben nebeneinander gesetzt, dabei sei das Erlernen einer
gebundenen Handschrift ein elementarer individueller Lernprozess für
jedes Kind. "Dies fördert nachgewiesenermaßen den Gedankenfluss",
unterstrich Meidinger.
"Damit treibt man letztendlich eine allgemeine Bildungsarmut
voran", erklärte der Philologen-Vorsitzende weiter. Die Grundschulen
seien zum "Experimentierfeld und zur Spielwiese reformwütiger
Unidozenten" geworden. Die Folge sei, dass es keine einheitlich
gelehrte Schrift mehr gebe. Jeder schreibe, wie er wolle. Zudem
verlangsame sich das Schreibtempo. Nach den Worten von Meidinger ist
das Konzept schon einmal gescheitert. 1916 habe der Pädagoge Fritz
Kuhlmann in seiner Arbeitsschule versucht, die Grundschrift
einzuführen. "Aufgrund der schlechten Ergebnisse wurde das Projekt
wieder aufgegeben", erklärte Meidinger. Ärgerlich sei, dass nun zum
wiederholten Male "selbstherrliche Grundschuldidaktiker" Neuerungen
ohne ausreichende Praxiserfahrung einführen wollten. Beispiel für
weitere verfehlte Reformen seien neben der Mengenlehre die
Schreiblernmethode nach Gehör ohne Rücksicht auf die Rechtschreibung.
Wie viele Grundschulen bereits ausschließlich mit den
Druckbuchstaben arbeiten, ist nicht bekannt. Erlaubt ist die
Grundschrift unter anderem in Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern,
Schleswig-Holstein, Hamburg und Thüringen. Nordrhein-Westfalen war
2003 das erste Land, in dem Grundschulen die Grundschrift einführen
konnten.
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