(ots) - Tief unter den Weinbergen des beschaulichen Ahrtals,
30 Kilometer südlich von Bonn, liegt ein Ort, den es offiziell gar
nicht geben durfte: der geheime Atombunker der Bundesregierung. Jenes
gewaltige Labyrinth aus 17 Kilometern Betonröhren war das streng
gehütete Staatsgeheimnis Nummer Eins, um das sich gleichwohl seit dem
ersten Spatenstich wilde Gerüchte rankten.
20.000 Arbeiter errichteten ab Baubeginn 1959 in zwölf Jahren die
"deutsche Arche Noah", die mit vier Milliarden D-Mark bis heute die
teuerste und größte Einzelinvestition der Bundesrepublik ist. Dieser
ungeheure Aufwand konnte gar nicht verborgen bleiben. Zahlreiche
Menschen im Ahrtal waren selbst im Bunker beschäftigt, als Maurer,
Elektriker oder Sekretärin. Und so munkelte man in den Dörfern
Marienthal, Ahrweiler und Dernau von einem Verbindungstunnel direkt
ins Bonner Kanzleramt, von luxuriösen Einkaufsmeilen, von Liegewiesen
mit Höhensonne unter Tage und von mysteriösen Bunkerkindern.
Dagegen war die Wirklichkeit in dem gigantischen Lindwurm aus
Stahlbeton reichlich trostlos. In 936 karg eingerichteten Schlafkojen
war Platz für 3.000 ausgewählte Personen aus Regierung, Ministerien
und Behörden - zumeist Herren vorgerückten Alters, kaum Frauen, keine
Kinder, nicht einmal die des Bundeskanzlers, dem das einzige
Einzelzimmer zustand. Genau 30 Tage lang sollten im Ernstfall eines
Atomangriffs diese mutmaßlich letzten Deutschen bei Fertig-Nudeln und
Margarine in der Tube das atomar verseuchte Land draußen weiter
regieren. Was danach käme, blieb ein nie ausgesprochenes Tabu.
Fast 200 Beschäftigte aus der Region bewachten und warteten den
Bunker, Deckname "Dienststelle Marienthal". Sie alle waren zur
Geheimhaltung und damit permanenten Doppelleben verpflichtet. Sie
ahnten zwar nicht, dass der Bunker längst von der
DDR-Staatssicherheit ausspioniert war, dass er als Hauptziel der
sowjetischen Atomwaffen feststand und schon bei seiner Fertigstellung
1971 nicht mehr atombombensicher war. Doch sie wussten, dass ihre
Familien im Kriegsfall draußen bleiben mussten.
Mit dem Mauerfall 1989 waren auch die Tage des Bunkers gezählt.
Ein Abrisskommando entkernte bald mit deutscher Gründlichkeit jede
Röhre. Erst die Menschen im Ahrtal retteten die letzten 203 Meter
Stollen, die seit 2008 im Originalzustand besichtigt werden können.
Ein Geheimnis ist dem Bunker aber geblieben: Laut Beschluss des
Bundes muss bis auf weiteres "ein erneuter Ausbau des Ost-Teils
grundsätzlich möglich sein". Wozu, weiß niemand.
Informationen zur Sendung: www.geheimnisvolleorte.wdr.de
Redaktion: Thomas Kamp / Lena Brochhagen
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