(ots) - Zum ersten Jahrestag des drakonischen Urteils gegen
Raif Badawi am (morgigen) 7. Mai bekräftigt Reporter ohne Grenzen
seine Forderung an Saudi-Arabien, alle in dem Königreich inhaftierten
Journalisten und Blogger bedingungslos freizulassen.
"So grausam die Strafe für Raif Badawi ist: Sie ist kein
Einzelfall, sondern ein Auswuchs der systematischen Unterdrückung
jeder abweichenden Meinung", sagte ROG-Geschäftsführer Christian
Mihr. "Saudi-Arabien muss endlich alle Medienschaffenden und
Aktivisten freilassen, denen nichts als öffentliche Kritik an den
Behörden oder kontroverse Meinungsäußerungen zur Last gelegt werden.
Vorher sollte kein ausländischer Politiker zum Tagesgeschäft mit dem
Königreich übergehen."
Insgesamt sitzen in Saudi-Arabien derzeit mindestens zwei
Journalisten sowie sieben Blogger und Online-Aktivisten wegen ihrer
Tätigkeit im Gefängnis. Zensur ist in dem Königreich alltäglich.
Verboten sind etwa Kritik an Religionsführern und ungenehmigte
Berichte über Gerichtsverfahren. Auch Berichte über die Proteste der
schiitischen Minderheit oder Kritik an der Diskriminierung von Frauen
werden bestraft. Hunderttausende Internetseiten sind gesperrt.
STOCKSCHLÄGE WERDEN VON WOCHE ZU WOCHE VERSCHOBEN
Badawi wurde am 7. Mai 2014 zu zehn Jahren Gefängnis und 1000
Stockschlägen verurteilt, außerdem zu einer Geldstrafe von
umgerechnet 200.000 Euro und einem zehnjährigen Ausreiseverbot im
Anschluss an seine Haftstrafe. Dem Mitbegründer der
Diskussionswebseite Liberal Saudi Network wurden unter anderem
kritische Online-Kommentare über die saudische Religionspolizei zur
Last gelegt, mit denen er gegen das Gesetz gegen Internetverbrechen
verstoßen habe.
Die Stockschläge, die ursprünglich in wöchentlichem Abstand mit je
50 Schlägen ausgeführt werden sollten, sind nach dem ersten Mal am 9.
Januar wegen der schweren Verletzungen von Woche zu Woche verschoben
worden, zuletzt am 1. Mai. Laut Badawis Ehefrau droht dem Blogger
nach wie vor ein Prozess wegen Abfalls vom islamischen Glauben,
worauf im Königreich die Todesstrafe durch Enthauptung steht. Vom
selben Vorwurf war er 2013 schon einmal freigesprochen worden
(http://t1p.de/cbwc).
REPRESSIONSWELLE GEGEN ONLINE-AKTIVISTEN
Seit dem vergangenen Jahr hat das Königreich insbesondere die
Verfolgung von Online-Aktivisten verschärft, die über soziale Medien
die Regierung kritisieren. So wurde im Juli 2014 eine fünfjährige
Haftstrafe für Michlif al-Schammari bestätigt, einen prominenten
Kritiker der systematischen Diskriminierung der schiitischen
Minderheit Saudi-Arabiens. Zu seiner Strafe für das "Stiften von
Unfrieden" und Kritik an saudischen Funktionären in seinen
Online-Schriften gehört auch ein zehnjähriges Reiseverbot
(http://t1p.de/8zfh).
Drei Tage nach Schammari wurde der Menschenrechtsaktivist Walid
Abu al-Chair für seine Kritik an den saudischen Behörden in sozialen
Medien und Medieninterviews verurteilt (http://t1p.de/lmmi). Abu
al-Chair hatte auch Raif Badawi als Anwalt vertreten.
Ende Juni verurteilte ein Gericht in Riad den
Menschenrechtsaktivisten Fausan al-Harbi unter anderem wegen
Verstößen gegen das Gesetz über Internetverbrechen zu sieben Jahre
Haft, einem siebenjähriges Reiseverbot sowie einem
Veröffentlichungsverbot in sozialen Medien (http://t1p.de/yxur). Eine
Woche zuvor war der freie Fotojournalist Dschassim Mekki Aal Safar in
Jedda zu sieben Jahren Haft und einem siebenjährigen Reiseverbot
verurteilt worden - unter anderem, weil er sich mit ausländischen
Journalisten getroffen und weil er per YouTube Videos und Fotos
veröffentlicht habe, die dem Ruf Saudi-Arabiens schaden könnten
(http://t1p.de/rdq8).
Schon im Februar 2014 hatte ein Gericht in Riad den
Fernsehunternehmer und -moderator Waddschi Al-Ghassawi zu zwölf
Jahren Haft, einem zwanzigjährigen Reiseverbot sowie einem
lebenslangen Verbot von Fernsehauftritten verurteilt
(http://t1p.de/trqz). Ihm wurde unter anderem zur Last gelegt, dass
er Saudi-Arabien in seiner Sendung "Al-Fadfada" Verbindungen zu
Terroristen und insbesondere zu Al-Kaida vorgeworfen hatte.
BRACHIALES VORGEHEN GEGEN BERICHTE ÃœBER PROTESTE IM OSTEN DES
LANDES
Ebenfalls im Februar 2014 wurde bei einer Polizeirazzia in der
Provinz Al-Katif im Osten Saudi-Arabiens der Fotograf und Kameramann
Hussein Ali Madan Al-Faradsch getötet. Er hatte dort die seit 2011
andauernden, international kaum beachteten Proteste der schiitischen
Minderheit fortlaufend dokumentiert (http://t1p.de/pzbn).
Spezialisten des kanadischen Citizen Lab haben in einer
modifizierten Version einer Smartphone-App für Nachrichten aus
Al-Katif Ãœberwachungssoftware des italienischen Anbieters Hacking
Team (http://surveillance.rsf.org/en/hacking-team/) nachgewiesen. Auf
solchermaßen gekaperten Geräten könnten Behörden Anrufe, E-Mails,
Kurznachrichten sowie Social-Media-Apps ausforschen und sogar Kamera
und Mikrofon ohne Wissen des Handybesitzers anschalten
(http://t1p.de/2r0l).
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Saudi-Arabien auf Platz
164 von 180 Ländern. Weitere Informationen zur Lage der Journalisten
dort finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/saudi-arabien/.
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