(ots) - Im Juni 2013 verabschiedete die Weltorganisation
für geistiges Eigentum (WIPO) in Marrakesch einen Vertrag, der für
blinde, seh- und lesebehinderte Menschen den Zugang zu
urheberrechtlich geschützten Werken verbessert. Ziel ist, dass die
Blindenbüchereien ihre Bücherbestände künftig auch über Grenzen
hinweg austauschen können. Nun blockiert die deutsche Bundesregierung
die Ratifizierung des Vertrages.
Im Kern geht es um die Frage, ob die EU den Vertrag ratifiziert
oder ob jeder Mitgliedsstaat einzeln ratifizieren muss. In der
vergangenen Woche hat die europäische Kommission einen
Kompromissvorschlag präsentiert, der die rechtliche Zuständigkeit der
Europäischen Union ebenso anerkennt wie die Souveränität der
EU-Mitgliedsstaaten, den Marrakesch-Vertrag individuell zu
ratifizieren. Wie die Europäische Blindenunion (EBU) berichtet, droht
dieser Kompromiss nun an den Regierungen Deutschlands und Italiens zu
scheitern.
Dazu EBU-Präsident Wolfgang Angermann: "Der Widerstand der
deutschen Regierung hat nichts mit juristischen Formalien zu tun,
hier fehlt schlicht und ergreifend der politische Wille, uns zu
unserem Recht auf Lesen zu verhelfen. Als blinder Mensch aus
Deutschland wie auch als Europäer bin ich zutiefst enttäuscht, dass
Deutschland eine Ratifizierung durch die EU ablehnt. Meine dringende
Bitte an die deutsche Regierung ist, diese Position zu überdenken und
sich in der nächsten Woche im europäischen Rat für eine zügige
Ratifizierung durch die EU einzusetzen."
Hintergrund - Marrakesch-Vertrag: Der sogenannte
Marrakesch-Vertrag erlaubt Blindenorganisationen und
Blindenbüchereien auf der ganzen Welt, ihre Bestände an
barrierefreier Literatur auszutauschen. So können beispielsweise
Spanien und Argentinien ihre Buchbestände, die mehr als 150.000
barrierefreie Werke umfassen, allen lateinamerikanischen Ländern
zugänglich machen, sobald die Regierungen der Länder diesen Vertrag
ratifizieren und in das jeweilige nationale Urheberrecht überführen.
Hintergrund - Europäische Blindenunion (EBU): Die Europäische
Blindenunion, gegründet 1984, ist eine gemeinnützige
Nichtregierungsorganisation, deren Ziel es ist, die Interessen von
blinden und sehbehinderten Menschen in Europa durchzusetzen und zu
schützen. Als eine von sechs regionalen Organisationen der
Weltblindenunion spielte die EBU eine entscheidende Rolle bei der
Erarbeitung und Verabschiedung des Marrakesch-Vertrages. Der EBU
gehören Organisationen aus 45 europäischen Ländern an, darunter auch
der Deutsche Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV).
Pressekontakt:
Wolfgang Angermann
President
European Blind Union
Fon: +49 173 2857543
Mail: w.angermann(at)dbsv.org