(ots) - Zum zehnten Jahrestag des Massakers von Andischan
fordert Reporter ohne Grenzen (ROG) die usbekische Regierung auf, die
systematische Überwachung, Einschüchterung und Verfolgung
unabhängiger Journalisten einzustellen. Die Medienzensur in
Usbekistan wurde seit dem Massaker vom 13. Mai 2005 massiv verstärkt.
Mittlerweile sitzen fast alle unabhängigen Journalisten des Landes im
Gefängnis oder waren gezwungen, ihre Heimat zu verlassen.
"Usbekistans Regierung hat die freie Berichterstattung so
umfassend kriminalisiert, dass es praktisch keine unabhängigen Medien
mehr im Land gibt", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Als
ersten Schritt zu einem Ende der Zensur sollte Präsident Karimow alle
inhaftierten Journalisten freilassen."
Am 13. Mai 2005 hatten Regierungstruppen in Andischan im Osten
Usbekistans das Feuer auf etwa 10.000 Teilnehmer einer Demonstration
gegen Armut, Arbeitslosigkeit und Repressionen eröffnet und Hunderte
von Menschen getötet (http://t1p.de/zp97). Seitdem hat das Regime von
Präsident Islam Karimow die ohnehin starken Repressionen gegen Medien
weiter verschärft. Unterbunden werden etwa Berichte, die das
Andischan-Massaker nicht wie von der Regierung gewünscht als Werk von
Extremisten darstellen. Zu den Tabuthemen für die Medien gehören auch
Menschenrechtsverletzungen, Korruption und Umweltprobleme. Derzeit
sind neun Journalisten wegen ihrer Arbeit in Haft.
Auch ausländische Medien wie BBC, Deutsche Welle und Radio Free
Europe wurden in den Monaten nach dem Massaker gezwungen, das Land zu
verlassen. Bis heute erhalten nur wenige Korrespondenten
internationaler Medien die Erlaubnis, Usbekistan zu Recherchezwecken
zu bereisen (http://t1p.de/qfmq).
AUSWEITUNG DER KONTROLLE AUF DAS INTERNET
Zunehmend bemüht sich die Regierung auch darum, ihre Kontrolle
über die traditionellen Medien hinaus und auf das Internet
auszuweiten. Der Zugang zu unabhängigen und regierungskritischen
Webseiten ist seit Jahren gesperrt. Eine 2011 gegründete
"Expertenkommission für Information und Massenkommunikation" soll das
Internet regulieren und Inhalte zensieren, die "die öffentliche und
politische Situation destabilisieren" könnten oder "nationalen und
kulturellen Traditionen" entgegenstehen.
Dazu überwacht die Behörde das Internet mit modernster Technologie
aus China, Russland und westlichen Staaten und schließt Schlupflöcher
zur Umgehung der Zensur. Soziale Netzwerke wie Facebook, sein
russisches Pendant Odnoklassniki, Twitter und YouTube werden in
Usbekistan regelmäßig Ziele von Hackerangriffen (http://t1p.de/ztpz).
AUCH EXILMEDIEN WERDEN VERFOLGT
Wegen der vollständigen Zensur der Staatsmedien sind Exilmedien
die wichtigste Quelle für unabhängige Informationen in Usbekistan.
Die wenigen verbliebenen unabhängigen Journalisten arbeiten für
solche Nachrichtenwebseiten, die im Ausland betrieben werden,
darunter Ferghana, Radio Ozodliq and Jarayon. Doch auch deren
Mitarbeiter sind vor der Verfolgung durch das usbekische Regime nicht
sicher.
So wurde am 17. April der Journalist Dmitry Tikhonov, der
regelmäßig für Ferghana schreibt, in der Stadt Angren im Osten
Usbekistans auf offener Straße von mehreren Männern angegriffen.
Vorangegangen war eine von der Lokalregierung initiierte
Online-Hetzkampagne gegen den Journalisten, nachdem er im März
kritisch über den Abriss eines Weltkriegsdenkmals in Angren berichtet
hatte (http://t1p.de/ohiz).
Im vergangenen Dezember musste die führende Nachrichtenseite
Uznews.net knapp zehn Jahre nach ihrer Gründung den Betrieb
einstellen, weil es seine verdeckt aus Usbekistan berichtenden
Mitarbeiter nicht mehr ausreichend schützen konnte. Einen Monat zuvor
waren das E-Mail-Konto der Gründerin und Chefredakteurin Galima
Bukharbaeva gehackt und sensible Daten wie die Namen ihrer
Mitarbeiter ins Internet gestellt worden (http://t1p.de/9hkd). Der
Geheimdienst droht den Journalisten nun mit Anklagen wegen
Steuerhinterziehung, sollte Uznews.net seine Arbeit wieder aufnehmen.
FREILASSUNG FÃœR INHAFTIERTE JOURNALISTEN GEFORDERT
Immer wieder werden Journalisten unter falschen Anschuldigungen
vor Gericht gestellt und zu teils langjährigen Haftstrafen
verurteilt, um sie zum Schweigen zu bringen. Salijon Abdurakhmanow
etwa, der regelmäßig für Medien wie Radio Free Europe/Radio Liberty,
Voice of America oder Uznews.net über Themen wie Korruption und
Menschenrechtsfragen geschrieben hatte, wird auch seinen 65.
Geburtstag am 26. Mai im Gefängnis verbringen. Er wurde 2008 in der
autonomen Region Karakalpakstan festgenommen, nachdem die Polizei bei
einer Verkehrskontrolle Drogen in seinem Wagen fand.
Die Platzierung solcher falschen "Beweise" und Anklagen wegen
strafrechtlicher Vergehen sind gängige Praxis usbekischer Behörden,
um Kritiker zu diskreditieren und aus dem Verkehr zu ziehen. So wurde
Abdurakhmanow wegen Drogenverkaufs zu zehn Jahren Haft verurteilt
(http://t1p.de/qfmq). Infolge seiner schlechten Haftbedingungen und
unzureichender medizinischer Versorgung hat sich sein
Gesundheitszustand seitdem dramatisch verschlechtert
(http://t1p.de/tt1r). Reporter ohne Grenzen fordert mit einer
Petition an Staatspräsident Karimow die sofortige Freilassung des
Journalisten (http://t1p.de/8bmj).
Auch Mohammed Bekjanow, einer der am längsten für ihre Arbeit
inhaftierten Journalisten weltweit, sitzt noch immer im Gefängnis.
Der ehemalige Redakteur der Oppositionszeitung Erk wurde nach einem
durch Folter erzwungenen Geständnis 1999 wegen Beihilfe zu
Terrorismus zu 13 Jahren Haft verurteilt. Wenige Tage vor Ende seiner
Haftstrafe wurde diese im Januar 2012 wegen Ungehorsams gegen das
Gefängnispersonal um weitere vier Jahre und acht Monate verlängert
(http://t1p.de/uu3g). Bekjanow erhielt 2013 den ROG-Preis für
Pressefreiheit (http://t1p.de/0j2z).
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Usbekistan auf Platz
166 von 180 Ländern. Weitere Informationen zur Lage der
Pressefreiheit in Usbekistan finden Sie unter
https://www.reporter-ohne-grenzen.de/usbekistan/.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
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F: +49 (0)30 202 15 10-29