(ots) - Vor dem Hintergrund der angeschlagenen Beziehungen
zwischen den USA und Deutschland kritisiert der ehemalige
amerikanischen Außenminister Henry Kissinger den US-Geheimdienst NSA:
Zwar habe "über die Datensammelwut der NSA" in Berlin jeder Bescheid
gewusst, so Kissinger im Interview mit dem Nachrichtenmagazin Focus.
Doch: "Es gab ganz klar unautorisierte Ausnahmen. Dass auch Frau
Merkel abgehört wurde, war völlig falsch und unverzeihlich", so der
91-Jährige. "Eine Freundschaft hat Bestand, wenn sie sich über
Kontroversen hinwegsetzen kann. Die wahre Frage ist doch: Sind wir
noch immer zutiefst überzeugt, dass Deutschland und die USA einen
gemeinsamen Weg gehen?"
Kissinger forderte die beiden Länder auf, eine Vision für einen
neuen gemeinsamen Weg aufzubauen. Das Freihandelsabkommen TTIP könnte
in seinen Augen dabei behilflich sein: "Ich bin sehr für TTIP und
hoffe, dass das Abkommen dieses Jahr unterschrieben wird. Die
überragende Herausforderung für den Westen ist eine Aufgabe, die man
gemeinsam ausführen kann und die die Richtung für eine wohlhabende
und friedliche Welt definiert. Der Marshall-Plan hatte dieselben
Attribute", sagte Kissinger dem Focus.
Die deutsch-amerikanische Freundschaft sei zudem geprägt von einer
Ostküsten-Generation, mittlerweile seien die USA jedoch zunehmend von
einer digitalen Generation geprägt. Für einige Unternehmen aus dem
Silicon Valley findet Kissinger harte Worte - darunter sind Uber und
Google, denen vorgeworfen wird, gegen das Personenbeförderungsgesetz
oder das Wettbewerbsrecht zu verstoßen: "Amerikanische Unternehmen
haben ganz klar nicht das Recht, in anderen Ländern Gesetze zu
brechen." Mit Blick auf Google, aber ohne den Internet-Konzern
explizit zu erwähnen, sagte Kissinger: "Ich halte es auch für falsch,
wenn irgendein Unternehmen das Monopol auf Informationen hat."
Kissinger sieht das Silicon Valley generell skeptisch: "Ich bin kein
Bewunderer der Institutionen des Silicon Valley und einiger ihrer
Werte." Allerdings sei Google nicht mit der Idee gegründet worden,
ein Monopolist zu werden. Aber das Unternehmen "nehme es in Kauf".
Kissinger fordert private Investoren auf, konkurrierende Zentren
aufzubauen.
Zur Währungskrise in Europa sagte Kissinger: "Die Geschichte des
Euro ist eine Ironie." Zwei Kriege seien ausgefochten worden, "um den
aktuellen Zustand zu vermeiden, einen Zustand, wo so viele
Deutschland beschwören, dominant zu sein." Helmut Kohl und Francois
Mitterrand dagegen hätten den Euro zumindest zum Teil eingesetzt, um
die Sorge der Europäer vor deutscher Dominanz zu lindern." Kissinger,
der in Fürth zur Welt kam und 1938 vor den Nazis in die USA floh, rät
Deutschland, die Rolle anzunehmen - dabei allerdings Europa nicht
allein den Weg zu weisen: "Deutschland wäre klüger, die führende
Rolle gemeinsam mit Frankreich oder gemeinsam mit Frankreich und
England zu übernehmen."
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