PresseKat - NOZ: Gespräch mit Christoph König, Germanist an der Universität Osnabrück

NOZ: Gespräch mit Christoph König, Germanist an der Universität Osnabrück

ID: 1215804

(ots) - "Fall Hans Robert Jauß äußerst gravierend"

Skandal um NS-Vergangenheit des renommierten
Literaturwissenschaftlers: Germanist König fordert Neubewertung
wissenschaftlicher Leistungen

Osnabrück. Der Skandal um die NS-Vergangenheit des renommierten
Konstanzer Literaturwissenschaftlers Hans Robert Jauß (1921-1997)
erschüttert die Wissenschaftswelt. "Der Fall Hans Robert Jauß ist
äußerst gravierend", sagte der Germanist Christoph König von der
Universität Osnabrück in einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker
Zeitung" (Samstag). Zuvor hatte ein an der Universität Konstanz
vorgestelltes Gutachten den als Mitbegründer der Hochschule und
Mitgründer der Forschungsgruppe "Poetik und Hermeneutik" berühmt
gewordenen Jauß als Mann mit steiler NS-Karriere enttarnt. Das
Gutachten des Potsdamer Historikers Jens Westermeier stellt klar,
dass Jauß es im Dritten Reich bis zum Hauptsturmführer der Waffen-SS
gebracht hatte. Jauß selbst hatte das bestritten. "Seine
wissenschaftlichen Leistungen sind damit zwar nicht hinfällig, sie
müssen aber befragt und neu diskutiert werden", sagte König. Hinzu
komme, dass Jauß zu den Tagungen der Forschergruppe "Poetik und
Hermeneutik" auch jüdische Wissenschaftler wie Peter Szondi und Hans
Blumenberg eingeladen habe, die im Dritten Reich verfolgt wurden.
"Das macht die ganze Sache sehr schmerzhaft und infam", sagte König.
Jauß hatte mit seinem "Internationalen Germanistenlexikon 1800-1950"
selbst auf NS-Karrieren prominenter Literaturwissenschaftler wie
Walter Jens und den erst am 3. Mai 2015 verstorbenen Eberhard Lämmert
hingewiesen. "Die Wissenschaftler, die ihre NS-Karrieren verschwiegen
haben, wussten voneinander und haben Netzwerke gebildet", führt König
dazu weiter aus. Ihre wissenschaftliche Position habe oft in
auffallendem Gegensatz zu der Haltung gestanden, die sich bei ihren




Karrieren im Dritten Reich gezeigt hatten. "Das spätere liberale
Engagement der Professoren, die ihre Parteimitgliedschaften oder auch
ihre Karrieren im Dritten Reich verschwiegen haben, war oft eine
stille Form der Wiedergutmachung", sagte König der "Neuen Osnabrücker
Zeitung". König verwies auch auf den Eindruck, den Jauß auf ihn
machte, als er selbst noch ein Student der Germanistik war. "Ich habe
Hans Robert Jauß selbst noch als Student bei einer Vorlesung in
Innsbruck als kalt und von schneidiger Eleganz erlebt. Er verkörperte
ein schneidiges Dandytum", so König. In Konstanz soll die Debatte um
Jauß nach Erklärungen der Universität weitergehen. Demnach wird das
Gutachten des Historikers Westermeier in den nächsten Wochen weiter
diskutiert werden. Jauß hatte als Mitbegründer der
"Rezeptionsästhetik" ein prägendes Paradigma der
Literaturwissenschaft der Nachkriegszeit mitbegründet. Mit seiner
Antrittsvorlesung mit dem Titel "Literaturgeschichte als Provokation
der Literaturwissenschaft" läutete er 1967 einen grundsätzlichen
Perspektivenwechsel der Geisteswissenschaften ein und schrieb damit
Wissenschaftsgeschichte.



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Datum: 22.05.2015 - 13:30 Uhr
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