(ots) - Bootsflüchtlinge in Lebensgefahr:
Diakonie-Präsident fordert Ausweitung der EU-Seenotrettung
Lilie: EU-Programm Triton bis in die libyschen Küstengewässer -
"Humanitäre und politische Katastrophe"
Osnabrück.- Angesichts der dramatischen Lage möglicherweise
Tausender Bootsflüchtlinge im Mittelmeer fordert Ulrich Lilie,
Präsident der Diakonie Deutschland, eine Ausweitung des
EU-Seenotrettungsprogramms Triton. In einem Interview mit der "Neuen
Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte er: "Es ist nach wie vor unklar,
wie weit Triton den Radius ausweitet. Das aber muss unbedingt
passieren, und zwar bis in die libyschen Küstengewässer." Bereits im
Jahr 2014 habe es einen "traurigen Rekord von 3500 Toten" gegeben, so
Lilie weiter, 2015 seien es "nach vorsichtigen Schätzungen schon 1500
Menschen, die gestorben sind". Es gebe "erschreckende Nachrichten von
Kühlhäusern in Italien, wo die Ertrunkenen gar nicht mehr bestattet,
sondern gekühlt werden", sagte der Diakonie-Präsident. Dies sei eine
humanitäre, aber auch eine politische Katastrophe. Die Rettung von
Flüchtlingen sei kein Problem des Geldes, sondern ein Problem des
Radius, betonte der Diakonie-Chef.
Um die geflüchteten Menschen adäquat unterzubringen, müsse die EU
ein Verteilsystem finden, welches sich an den Realitäten der Länder
orientiere, forderte Lilie. "Die leistungsstarken Länder müssen mehr
Flüchtlinge aufnehmen als die, die selbst gerade ums wirtschaftliche
Überleben kämpfen." Außerdem benötigten die EU-Länder "halbwegs
vergleichbare Standards", sagte der Diakonie-Präsident und verwies
auf schwerste Menschenrechtsverletzungen "bis hin zur Folter" an
Flüchtlingen in Bulgarien. "Es kann und darf in der Europäischen
Union solche gravierenden Unterschiede nicht geben", sagte er.
Auch Deutschland müsse sich in der Flüchtlingspolitik neu
aufstellen und ein von einem breiten Konsens getragenes Konzept
entwickeln, schlug Lilie vor. Er hätte es daher "vernünftig"
gefunden, wenn beim jüngsten Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt auch die
Diakonie vertreten gewesen wäre, sagte er. "Es ist Zeit, dass wir
wirklich eine gemeinsame Strategie entwickeln. Die Diakonie
Deutschland möchte ein konstruktiver Teil einer Willkommenskultur
sein", sagte Lilie. Dafür biete man alle Kompetenzen des
Wohlfahrtsverbandes an.
Diakonie-Präsident kritisiert unzureichende Versorgungsstruktur
von Hochbetagten und Schwerstkranken
Lilie: Mindestens 400 Millionen Euro zusätzlich für ambulante und
stationäre Einrichtungen notwendig - Warnung vor Neuregelung der
Sterbehilfe
Osnabrück.- Diakonie-Präsident Ulrich Lilie kritisiert eine
unzureichende Versorgungsstruktur hochbetagter und schwerstkranker
Menschen in Deutschland. In einem Interview mit der "Neuen
Osnabrücker Zeitung" (Samstag) sagte er: "Viele dieser alten Menschen
müssen in ihren letzten Lebensjahren völlig überflüssige
Krankenhausaufenthalte über sich ergehen lassen, nur weil eine
angemessene Versorgung in den Einrichtungen vor Ort nicht
gewährleistet ist." Auch die Durchlässigkeit zwischen den stationären
und ambulanten Einrichtungen sei unzureichend, kritisierte Lilie.
Daher sei es dringend geboten, in der medizinischen und pflegerischen
Versorgung von sehr alten Menschen deutlich mehr Geld in die Hand zu
nehmen und es in ambulante sowie stationäre Einrichtungen fließen
lassen, forderte er. "Wir sagen: Es müssten mindestens noch einmal
400 Millionen Euro mehr sein."
Die Mängel in der Versorgungsstruktur schürten überdies Ängste,
warnte Lilie. "Wenn man heute Menschen fragt, warum sie für einen
assistierten Suizid sind, sagen viele: Weil ich auf keinen Fall so
alt und so pflegebedürftig werden will." Hier müsse man mit guten
Modellen gegensteuern, sagte der Diakonie-Präsident. Vor einer
Gesetzesnovelle, die den ärztlich assistierten Suizid unter
bestimmten Bedingungen erlauben würde, warnte Lilie: "Eine neue
gesetzliche Regelung des assistierten Suizids würde einen
Kulturwandel in Gang setzen, den wir nicht mehr einholen könnten."
Mehr als 80 Prozent der Menschen hätten schon heute Angst, anderen
zur Last zu fallen, und befürworteten darum eine Sterbehilfe,
erläuterte Lilie. "Wenn solche Motive entscheidend werden, dann
verändert sich etwas in diesem immer älter werdenden Land, und zwar
nicht zum Guten", gab er zu bedenken. Es gebe schon jetzt gute
palliativ-medizinische Möglichkeiten, nur werde zu wenig darüber
gesprochen und aufgeklärt, sagte der Diakonie-Chef. Doch auch die
Gesellschaft müsse sich des Themas annehmen, forderte Lilie: "Wir
brauchen eine neue Kultur der Achtung und der Liebe zum Alter, nicht
zuletzt, weil wir die Alten von morgen sind."
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