(ots) - Als gewiefter Populist dürfte der griechische
Premier Alexis Tsipras ein gutes Gespür für die Volksseele haben. Er
wusste: Die Seele der Griechen kocht. Deshalb rief er am Sonntag zu
einer Volksabstimmung. Dass dann aber mehr als 61 Prozent mit Nein
stimmten, dürfte selbst ihn überrascht haben.
Was macht Tsipras mit diesem Ergebnis? Tatsächlich ist
Griechenland jetzt in einer sehr viel schwierigeren Lage als noch vor
zehn Tagen, vor der Ankündigung des Referendums, oder gar im Februar,
als die Verhandlungen begannen. Damals wäre eine rasche Einigung mit
den Gläubigern zu relativ günstigen Konditionen möglich gewesen.
Hätte sich Tsipras Ende Februar oder Anfang März zu einem Abkommen
durchgerungen, wäre Griechenland viel erspart geblieben. Je länger
sich die Verhandlungen hinschleppten, desto tiefer rutschte das Land
zurück in die Rezession. Mit der Schließung der Banken und der
Einführung der Kapitalkontrollen Anfang vergangener Woche bekam die
Krise eine neue Dimension. Nun stottert auch der einzige verbliebene
Wachstumsmotor der griechischen Wirtschaft, der Tourismus.
Dass dennoch mehr als sechs von zehn Wählern mit Nein stimmten,
zeigt, wie tief der Frust nach fünf Jahren immer neuer Entbehrungen
sitzt. Kein Wunder: Der Sparkurs, den die Athener Regierungen auf
Geheiß der Gläubiger steuern mussten, hat ein Viertel der
Wirtschaftskraft ausradiert, über eine Million Jobs vernichtet und
Hunderttausende Menschen in Armut gestürzt.
Viele haben am Sonntag mit Nein gestimmt, weil sie glauben, dass
sie nichts zu verlieren haben. Andere setzen wohl auf das Versprechen
ihres Premiers, jetzt schnell ein Abkommen mit den Geldgebern
aushandeln zu wollen. Tsipras steht damit im Wort. Er muss jetzt
rasch, besonnen und realistisch handeln.
Auch Europa ist gefordert. Die Partner sollten einen letzten
Versuch machen, ein Hilfs- und Reformpaket für Griechenland zu
schnüren. Es muss schnell gehen. Der drohende Zusammenbruch der
griechischen Wirtschaft ist eine Frage weniger Wochen.
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