(ots) - Ursula von der Leyen (56) weiß, dass sie nicht mit
angenehmen Themen verbunden wird. "Wenn mein Name ins Spiel kommt,
dann geht es um Waffen, um Krisen, um Tod, um Gefahren und
Bedrohungen", sagt die Verteidigungsministerin im Interview mit FRAU
IM SPIEGEL. Sie spricht mit der Zeitschrift auch über das Verhältnis
zu Wladimir Putin, den sie 2006 kennenlernte. Ursula von der Leyen:
"Er hat sich verändert. Anfangs sprach er bei den Regierungstreffen
Deutsch mit uns, das wurde von Jahr zu Jahr weniger, schließlich
sprach er nur noch Russisch. Man spürt eine Entfremdung." Von der
Leyens Meinung nach sollte man ihn nicht unterschätzen. "Er ist
hochintelligent und sehr strukturiert. Alles ist von langer Hand
geplant, nichts dem Zufall überlassen", so die CDU-Politikerin, mit
deren Arbeit laut ARD-Deutschlandtrend 41 Prozent der Bürger
zufrieden sind. "Doch sehe ich die Chance, dass eines Tages Vernunft
einkehrt und verstanden wird, dass wir in Europa nur zusammen eine
friedliche Zukunft haben."
Ursula von der Leyen wirkt immer sehr perfekt. Sie kennt aber auch
Unsicherheit, wie sie FRAU IM SPIEGEL verrät. "Kein kleiner Fehltritt
bleibt unbeobachtet. Das fängt bei militärischen Zeremoniellen an und
reicht bis zu Fragen, ob ich bei einer wichtigen Rede den richtigen
Ton finde oder was mein Gastgeber in einem fremden Land als höflich
bzw. unhöflich empfindet", erklärt sie. Zwei Ankerpunkte gäben ihr
immer wieder Ruhe und Sicherheit: "zum einen mein gutes Team im
Ministerium, zum anderen meine Familie, die mich mit ihrer trubeligen
Fröhlichkeit in drei Minuten daran erinnert, dass es noch andere
wichtige Themen im Leben gibt."
Um sich geistig und körperlich fit zu halten hilft es der
Ministerin, sich mit Menschen oder Situationen zu umgeben, die sie
fröhlich machen. "Das sind natürlich ganz besonders meine Kinder,
aber oftmals ist es auch mein Team, mit dem ich zwischendurch
herzhaft lachen kann", erzählt sie. "Lachen und Leichtigkeit
entlasten und sind ein Ventil für den enormen Druck. In diesem
Ministerium spüre ich die Last deutlich mehr als in früheren Ämtern.
Gerade dann, wenn ich Soldatinnen und Soldaten in gefährliche
Situationen schicken muss, oder wenn mir wichtige Entscheidungen
schwer fallen, weil ich noch Zweifel habe." Ein gutes Ventil sei für
sie auch Joggen. "Wenn ich laufe, bekomme ich den Kopf wieder frei",
bemerkt sie.
Ob sie sich Fehler verzeihen kann? - "Klar mache ich Fehler. Ich
habe aber gelernt, nicht zu lange damit zu hadern, weil es mich
blockiert", sagt Ursula von der Leyen. "Lieber schaue ich nach vorne
und versuche, mich auf die nächste Aufgabe zu konzentrieren. Mit
einer gewissen Distanz blickt man dann gelassener auf die Fehler
zurück und lernt daraus."
Frauen bei der Bundeswehr sind Ursula von der Leyen zufolge "nicht
besser oder schlechter als Männer, aber sie haben einen anderen Blick
auf die Welt. Diese Mischung aus beiden Geschlechtern macht uns erst
richtig stark, weil wir so Risiken wie Chancen früher und umfassender
erkennen." Deshalb sei es gut, dass inzwischen bei jungen Offizieren
jede vierte Stelle mit einer Soldatin besetzt sei. Auf die Frage, ob
Frauen gleiche Aufstiegschancen haben, antwortet sie: "Daran arbeiten
wir. In den Tests und Prüfungen schneiden die Frauen genauso gut ab
wie die Männer. Doch in den Beurteilungen werden sie oftmals
schlechter bewertet. Die Vorgesetzten trauen ihnen weniger zu." Es
liege wohl mit daran, dass es noch zu wenige weibliche Vorbilder in
Führungspositionen gebe. Ursula von der Leyen "will, dass sich das
ändert".
Spürte sie selbst bei Dienstantritt Vorbehalte? - "Mein gesamtes
Umfeld hat mich gewarnt", sagt sie. "Deshalb war ich umso angenehmer
überrascht, wie selbstverständlich ich von der Truppe angenommen
wurde. Natürlich haben die Soldaten genau beobachtet, ob ich mich
schnell einarbeite." Von der Leyen erinnert sich: "Die Weltlage
wartet ja nicht, ich musste schnell sein." Nach zwölf Jahren in vier
verschiedenen Ministerien habe sie schon gewusst, wie Politik und ein
Ministeramt funktionieren. "Auch in den anderen Ressorts hieß es erst
mal, ganz viel Grundlagen lesen und sich rasch mit wirklich guten
Mitarbeitern umgeben, auf die man sich absolut verlassen kann."
Ursula von der Leyen glaubt, dass sie die Aufgabe verändert hat.
"Das Amt der Verteidigungsministerin erfüllt mich, und ich möchte
keinen Tag der eineinhalb Jahre missen. Aber die vielen Krisen
weltweit fordern täglich neue Entscheidungen", erklärt sie. "Immer
begleitet einen die Frage, ob man alles richtig macht. Dieses Amt
zehrt, doch ich weiß auch, irgendwann kommt die Leichtigkeit zurück."
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Ulrike Reisch
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