(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) begrüßt die Freilassung
mehrerer Journalisten und Blogger in Äthiopien, die seit mehr als
einem Jahr willkürlich inhaftiert waren. Zugleich fordert die
Organisation, dass vier weitere unter den gleichen
Terrorismus-Vorwürfen festgehaltene Blogger sofort freikommen müssen.
Medienberichten zufolge hat die Staatsanwaltschaft alle Anklagepunkte
gegen die nun Freigelassenen fallengelassen (http://t1p.de/farg).
"Die Vorwürfe gegen diese Gruppe waren von Anfang haltlos und
zielten allein darauf, kritische Stimmen zum Schweigen zu bringen.
Dass die Behörden das nun einräumen, ist erfreulich und war dringend
überfällig", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Nun sollten
auch alle anderen Journalisten und Blogger bedingungslos freigelassen
werden, die in Äthiopien unter konstruierten Anschuldigungen im
Gefängnis sitzen."
Die Gruppe von drei Journalisten sowie insgesamt sechs Mitgliedern
des Blogger-Kollektivs Zone 9 war Ende April 2014 in Addis Abeba
festgenommen worden. Reporter ohne Grenzen hatte sich seitdem für
ihre Freilassung eingesetzt. Frei kamen aus dieser Gruppe am Mittwoch
die Zeitungsjournalisten Tesfalem Waldyes (Fortune, Addis Standard,
ZDF) und Asmamaw Hailegiorgis (Addis Guday) sowie der Zone-9-Blogger
Zelalem Kibret ; am Donnerstag folgten Edom Kassaye (ehemals Addis
Zemen) und Mahlet Fantahun (Zone 9). Weiterhin in Haft sind die
Blogger Atnaf Berhane, Befekadu Hailu, Abel Wabella und Natnail
Feleke.
Ebenfalls am Donnerstag wurde laut Medienberichten die
Journalistin Reeyot Alemu freigelassen (http://t1p.de/3cxq). Die
Kolumnistin wurde Anfang 2012 wegen Terror-Vorwürfen ursprünglich zu
14 Jahren Gefängnis verurteilt; im Berufungsverfahren wurde die
Strafe auf fünf Jahre Haft herabgesetzt (http://t1p.de/ymdo). Neben
den verbleibenden Zone-9-Bloggern sind in Äthiopien nun noch sechs
Journalisten wegen ihrer Arbeit im Gefängnis.
TERRORISMUS-VORWÃœRFE AUF DER BASIS EINES UMSTRITTENEN GESETZES
Die Staatsanwaltschaft warf den im April 2014 Verhafteten vor, sie
hätten sich in Untergrundzellen organisiert sowie Ausbildung und
Gelder von zwei terroristischen Gruppen im Ausland erhalten, um die
Regierung zu stürzen (http://t1p.de/jy9v). Gemäß einem umstrittenen
Anti-Terror-Gesetz von 2009 (http://t1p.de/0j21), das schon in der
Vergangenheit zur Verfolgung kritischer Journalisten benutzt wurde,
hätten ihnen dafür bis zu 15 Jahre Haft gedroht. Selbst nach mehr als
zwei Dutzend Verschiebungen des Prozessbeginns konnte die
Staatsanwaltschaft keine konkreten Anhaltspunkte für ihre Vorwürfe
vorlegen. Zugleich wurden alle Gesuche der Beschuldigten um eine
Freilassung auf Kaution abgewiesen.
Die Bloggergruppe hatten in der Vergangenheit für den
Kollektiv-Blog Zone 9 (http://zone9ethio.blogspot.com) geschrieben,
der sich als kritische Alternative zu den offiziellen Medien in
Äthiopien sieht. Kurz nach seinem Start im Jahr 2012 wurde er
innerhalb Äthiopiens blockiert und war seitdem nur noch aus dem
Ausland zugänglich. Schließlich setzten die Blogger wegen massiver
Drangsalierungen durch die äthiopischen Behörden ihre Aktivitäten für
sieben Monate ganz aus, begannen aber eine Woche vor ihrer Verhaftung
wieder zu schreiben.
Auch die drei Zeitungsjournalisten berichten für bekanntermaßen
kritische Medien: Tesfalem Waldyes ist freier Mitarbeiter bei der
Wochenzeitung Fortune und der Monatszeitschrift Addis Standard und
hat auch für ausländische Medien wie das ZDF gearbeitet. Edom Kassaye
schrieb zunächst für die Regierungszeitung Addis Zemen und
verbreitete später Informationen per Twitter. Asmamaw Hailegiorgis
ist leitender Redakteur bei der regierungskritischen
Wochenzeitschrift Addis Guday (http://t1p.de/065g).
Während der Haft wurden grundlegende Rechte der Journalisten
missachtet. Die Anwälte der Verteidigung hatten wiederholt keinen
Zugang zu den Mandanten. Mehrere der Inhaftierte gaben zudem an, von
der Polizei gefoltert worden zu sein (http://t1p.de/065g).
REPRESSIONSWELLE GEGEN UNABHÄNGIGE MEDIEN IM VORFELD DER WAHL
Im Vorfeld der Parlamentswahl im vergangenen Mai hatte Äthiopiens
Regierung schon seit Anfang 2014 die schwerste Repressionswelle seit
2005 gegen unabhängige Medien gestartet. Im Laufe des Jahres 2014
flohen deshalb mehr als 30 Journalisten aus dem Land. Der wichtigste
staatliche Rundfunksender in der Region Oromia entließ 18
Journalisten wegen ihrer politischen Ansichten. Gegen mehrere
Wochenzeitungen kündigte das Justizministerium Ermittlungen an, weil
sie angeblich Terrorismus beförderten. Den teils regierungskritischen
Medien wird vorgeworfen, "falsche Gerüchte zu verbreiten, um die
Regierung zu stürzen", "das öffentliche Vertrauen in die Regierung zu
untergraben" und "ethnische und religiöse Spaltungen voranzutreiben".
Äthiopien steht auf Platz 142 von 180 Staaten auf der jährlichen
Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29