(ots) - Natürlich ging es nicht "nur" um Geld an diesem
schicksalsschweren Sonntag. Sondern in letzter Konsequenz um
Völkerverständigung, um Solidarität, um Frieden durch die Einigung
eines Kontinents, auf dem in den vergangenen hundert Jahre zwei
mörderische Kriege Millionen von Toten gebracht hatten. Aber
Solidarität ist keine Einbahnstraße, und Grundwerte sind wertvoll
nur, wenn sie von allen in gleichem Maße geachtet werden. Der Fall
Griechenland ist auch deshalb tragisch, weil Fehler zwar unbestritten
von vielen gemacht wurden - von Deutschland seltener als manche
derzeit gerne behaupten -, Griechenlands derzeitige Regierung aber so
tut, als seien nur die anderen schuld. Dies sollte ein abschreckendes
Beispiel sein: Zündlern und ideologie-getriebenen Dilettanten, wie in
Athen geschehen, Regierungsverantwortung zu übertragen, ist
verantwortungslos. Dass die EU viel zu schnell viel zu groß wurde,
war vielen bewusst; auch, dass der Euro als Zahlungsmittel zu
freigiebig zugeteilt wurde. Aber das Prinzip Hoffnung und die
Einigungseuphorie dominierten alles. Das beginnt sich nun zu rächen.
Mehr Pragmatismus muss jetzt einziehen - nicht zu verwechseln mit
Kälte. Dramatisch falsch wäre die Überlegung, Europa müsse noch
stärker zusammenwachsen, in Richtung eines Bundesstaates, dann werde
sich alles von selbst ergeben. Dafür ist Europa nicht geschaffen.
Rote Linie
Die Innenpolitik sitzt stets mit am Tisch, wenn es bei
internationalen Treffen auf höchster Ebene auf die Zielgerade geht.
Als Angela Merkel vor sieben Jahren, ebenfalls an einem Sonntag,
mitten in der schlimmsten Weltfinanzkrise verkündete, die
Sparleinlagen der Deutschen seien sicher, begründete sie ihren Mythos
als Krisenmanagerin. Im Fall Griechenland ist es fast noch
komplizierter. Merkel, die heimliche Königin Europas, verstößt
Griechenland, die Wiege der Demokratie? Für viele undenkbar.
Andererseits: Merkel, die in ihren eigenen Unionsreihen um Zustimmung
für neue Griechen-Kredite kämpfen, vielleicht feilschen, womöglich
sogar mit Rücktritt drohen muss, wie es einst Gerhard Schröder zur
Durchsetzung der Agenda 2010 und seiner Außenpolitik tat? Eine
Denkvariante, die vor diesem 12. Juli 2015 kaum jemand für möglich
gehalten hätte. Und welche Rolle übernimmt urplötzlich Schäuble mit
seinem Vorstoß eines Grexit auf Zeit? Inhaltlich ist das alles andere
als abwegig, im konkreten Moment auch nicht wirklich eine Provokation
nach all den Provokationen von Tsipras und Varoufakis bis hin zu der
Unverschämtheit, EU-Politiker als Terroristen zu diffamieren. Das hat
Schäuble sehr verletzt, der 1990 durch einen, wenn auch psychisch
kranken, wirklichen Terroristen, einen Attentäter, in den Rollstuhl
gezwungen wurde. Schäuble war und ist überzeugter Europäer. Aber er
weiß, genau wie Merkel, wann rote Linien zu ziehen sind.
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Alexandra Maus
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