(ots) - Vom 07. bis 09. Juli 2015 hat der
Generalsekretär der Kommunistischen Partei Vietnams (KPV) Nguyen Phu
Trong die USA besucht. Es war ein historischer Besuch, der große
Aufmerksamkeit in den internationalen Medien bekommen hat. Es ist das
erste Mal, dass ein KPV-Generalsekretär, der offiziell kein
Regierungsamt bekleidet, vom US-Präsidenten im Weißen Haus empfangen
wurde.
Offiziell war der Besuch der Feier des 20. Jahrestages der
Normalisierung diplomatischer Beziehungen zwischen Vietnam und den
USA gewidmet. Auf der Tagesordnung standen noch weitere Treffen mit
dem Vizepräsidenten Joe Biden, dem Senator und
Vietnam-Kriegsveteranen John McCain und weiteren Senatoren und
Kongressabgeordneten sowie der Besuch am Center for Strategic and
International Studies (CSIS) an.
Bei dem am Dienstag stattgefundenen Treffen im Oval Office betonte
US-Präsident Barack Obama, die USA legen großen Wert auf die
Beziehung zu Vietnam und schätzen die Rolle des ehemaligen
Kriegsfeindes in Südostasien sehr hoch. Sogar der Senator John
McCain, der in vietnamesischer Kriegsgefangenschaft saß, erklärte
anschließend, er heiße Trong "herzlich willkommen", Vietnam sei ein
"wichtiger Partner", mit dem "die USA strategische und
wirtschaftliche Interessen" teilen.
In einer gemeinsamen Erklärung stellen Vietnam und die USA
"positive und wichtige Ereignisse in vielen Kooperationsbereichen in
den zurückliegenden 20 Jahren seit der Aufnahme der diplomatischen
Beziehungen" fest und betonen die Wichtigkeit, die "umfassende
Partnerschaft", die seit 2013 zwischen beiden Ländern etabliert
wurde, zu verstärken. Insbesondere soll die Zusammenarbeit in den
Bereichen Wirtschaft und Handel, Kriegserbe, Wirtschaft und Technik,
Bildung, Gesundheitswesen, Umweltschutz und Kampf gegen den
Klimawandel, Verteidigung, Sicherheit, Menschenrechte und
Religionsfreiheit ausgebaut werden.
Beobachtern zufolge ging es beim US-Besuch von Nguyen Phu Trong
jedoch eigentlich um die Annäherung der beiden ehemaligen
Kriegsgegnern angesichts der wachsenden chinesischen Aggression im
Südchinesischen Meer (vietnamesisch: Ostmeer). Im Mai 2014 erreichte
der Territorialkonflikt im Südchinesischen Meer eine neue
Eskalationsstufe mit der Verlegung einer chinesischen mobilen
Bohrinsel in Vietnams ausschließlicher Wirtschaftszone. Zuletzt haben
Chinas Aktivitäten zur Landgewinnung an vielen Riffen und Sandbänken
der umstrittenen Spratly- und der Paracel-Inselgruppe, auf denen
China nicht nur zivile, sondern auch militärische Anlagen gebaut hat,
die USA alarmiert. Sowohl die USA als auch Vietnam sehen die Gefahr,
dass China damit Fakten schaffen und seine militärische Präsenz im
Südchinesischen Meer dauerhaft ausweiten will, um langfristig das
gesamte Gebiet zu kontrollieren.
Beim Treffen mit dem KPV-Generalsekretär zeigte Obama Verständnis
für Vietnams Sorgen und erklärte, dass Chinas jüngste Aktivitäten im
Südchinesischen Meer "die Lage nur komplizierter" gemacht haben. Die
Differenzen zwischen allen am Konflikt beteiligten Ländern müssen "in
Übereinstimmung mit internationalen Gesetzen" gelöst werden. Für die
USA und auch andere westliche Länder sind Frieden und Stabilität in
dieser Region sehr wichtig, da hierdurch wichtige Schifffahrtsstraßen
für den Verkehr von schätzungsweise mehr als 40 Prozent des
Welthandelsvolumens verlaufen.
Neben den traditionellen Verbündeten Japan und Philippinen spielt
Vietnam für die USA eine sehr wichtige Rolle bei der Neuausrichtung
ihrer Außenpolitik ("Rebalancing") nach Asien, um sich gegenüber der
aufsteigenden Volksrepublik China stärker in der Region zu
positionieren. Seit einigen Jahren haben beide Länder ihre
Kooperation im Verteidigungs- und Sicherheitsbereich verstärkt, u.a.
mehr Präsenz von US-Militärschiffen vor Vietnams Küste sowie
Ausbildung von vietnamesischen Friedsmissionstruppen. Ende 2014 hoben
die USA sogar teilweise ihre Waffenembargos gegen Vietnam auf, was
für Land sehr gelegen kam, denn Hanoi will seine Abhängigkeit von
russischen Rüstungsgütern reduzieren und seine militärischen
Fähigkeiten modernisieren. Den CSIS-Experten zufolge seien die USA
sogar bereit, mit Vietnam eine militärische Allianz einzugehen. Doch
Vietnam wolle erst einmal sich seine außenpolitische Freiheit und die
Balance zwischen den beiden Großmächten bewahren.
Neben der angespannten Lage Sicherheitslage im Südchinesischen
Meer war das Freihandelsabkommen TPP (Transpazifische Partnerschaft)
das Top-Thema beim Besuch von Nguyen Phu Trong. An dem ursprünglich
im Jahr 2005 zwischen den Ländern Brunei, Chile, Neuseeland und
Singapur vereinbarten Abkommen haben acht weitere Nationen Interesse
an einer Mitgliedschaft signalisiert und Verhandlungen angestrengt,
u.a. die USA, Japan, Malaysia und Vietnam. Seit 1995 ist das
bilaterale Handelsvolumen zwischen den USA und Vietnam von 500
Millionen Dollar pro Jahr auf über 35 Milliarden Dollar in 2014
gestiegen. Mit TPP soll das nun weiter gesteigert werden. Obwohl
dafür noch einige Punkte zwischen beiden Ländern zu klären sind wie
z.B. Schutz geistigen Eigentums, Umweltschutzbestimmungen,
Herkunftsnachweis der Produkte oder Rechte für Arbeiter, stehen die
Zeichen auf eine baldige Einigung.
Nach Ansichten von Wirtschaftsexperten wäre Vietnam einer der
größten Profiteure bei Abschluss der TPP, wobei eine Steigerung der
Exporte Vietnams um fast 30 Prozent auf über 270 Milliarden Euro
erwartet wird. Die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) würden um
zwei Prozent wachsen und Vietnam würde noch enger in die
Weltwirtschaft integriert sein. Außerdem ist es für Vietnam wichtig,
in ein Handelssystem eingebunden zu sein, das nicht von China geführt
wird, denn die wirtschaftliche Abhängigkeit vom großen
unberechenbaren Nachbarn aus dem Norden ist immer noch sehr groß.
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