(ots) - "Die Halbzeitbilanz der Großen Koalition in der
Verkehrspolitik ist geprägt von fehlenden Weichenstellungen aufgrund
von mangelndem Mut und fehlender Innovationsbereitschaft. Leider sehe
ich auch in den nun noch verbleibenden zwei Jahren keine Bereitschaft
zu einem grundlegenden Wandel in der Politik, der angesichts der
fortschreitenden Erosion unserer Infrastruktur dringend notwendig
wäre." Dies erklärte Gerhard Riemann, Vorsitzender des
BGA-Verkehrsausschusses, heute anlässlich der
BGA-Jahrespressekonferenz in Berlin.
Mit Sorge beobachte man seit mehr als 20 Jahren, über die
unterschiedlichsten Regierungskonstellationen hinweg, die
Entwicklungen in der Verkehrspolitik. Die Beispiele Nord-Ostseekanal,
Schiersteiner Brücke, Leverkusener Rheinbrücke und die A-40 Brücke in
Duisburg seien exemplarisch für eine fehlgeleitete Verkehrspolitik
der letzten Jahrzehnte. Zu lange Planfeststellungsverfahren und
fehlender, politischer Gestaltungswille seien neben leeren Töpfen
Mitschuld am Bröckeln der deutschen Infrastruktur.
"Wenig überraschend hat nach der Pällmann- und der
Daehre-Kommission nun auch die Fratzscher-Kommission festgestellt,
dass zu wenig Mittel zur Verkehrsinfrastrukturfinanzierung zur
Verfügung stehen - als hätten wir ein Erkenntnisproblem! Wieviel
Kommissionen brauchen wir eigentlich noch, um die Politik
aufzuwecken?", so der Verkehrsexperte.
Heftig kritisierte Riemann die geplante und nun auf Eis gelegte
Infrastrukturabgabe, die er als "Stammtischthema mit vier Buchstaben"
bezeichnete: "Es ist schon grotesk, dass sich die Große Koalition von
einem kleinen Partner durch ein Wahlkampfthema derart treiben lässt,
dass sie Deutschland in der Europäischen Union der Lächerlichkeit
preisgibt." Sei es schon ärgerlich genug, dass das Thema
verkehrspolitisch andere dringendere Aufgaben in den vergangenen 1,5
Jahre komplett überschattet habe, erwiesen sich nun die avisierten
500 Millionen jährlich für die chronisch unterfinanzierte
Verkehrsinfrastruktur als Nullnummer. Der BGA rechnet im Hinblick auf
die mögliche Länge von Vertragsverletzungsverfahren nicht damit, dass
die Pkw-Maut noch in dieser Legislaturperiode kommt.
In Bezug auf das für die Außenhändler elementar wichtige Thema
Fahrrinnenvertiefung der Elbe und Weser mahnte Riemann: "Die
Fahrrinnenvertiefung droht zum Jahrtausendprojekt zu werden!"
Immerhin sei die Entscheidung des EuGH keine prinzipielle Absage des
Projektes. "Großer Verlierer ist dennoch der Wirtschaft- und
Logistikstandort Deutschland. Nicht nur der Hamburger Hafen und die
Händler in Norddeutschland warten händeringend auf die
Fahrrinnenanpassung. Als Exportnation sind wir auf eine seewärtige
Erreichbarkeit mit größeren und moderneren Containerschiffen
angewiesen." Andernfalls drohe großer Schaden. Riemann zeigte sich
daher zuversichtlich, dass das Bundesverwaltungsgericht eine im
öffentlichen Interesse liegende Ausnahme bejahe.
In Bezug auf den Feldversuch mit dem Lang-Lkw könne die Große
Koalition verkehrspolitisch noch die richtige Weiche stellen. Nachdem
nun auch die Bundesländer Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen
ihre Blockadehaltung aufgegeben hätten, spreche sich der BGA für die
Überführung der Fahrzeuge in den Regelbetrieb aus.
"Solange wir uns erfolgreich auf den Weltmärkten bewegen, müssen
wir dafür Sorge tragen, dass Güter und Waren im Wert von rund 2.000
Milliarden Euro zuverlässig und kostengünstig rein und raus kommen.
Wollen wir uns weiter global im Wettbewerb behaupten, brauchen wir
funktionierende Straßen, Brücken, Schienen, Wasserwege/Kanäle, See-
und Binnenhäfen - und da knirscht es an allen Stellen - auch wenn das
Verlegen von Glasfaserkabeln in der Erde wahrscheinlich einfacher
durchzusetzen ist und weniger Protest von Umweltschützern und Bürgern
hervorruft. Und wenn dann auch noch politisches Spitzenpersonal die
Hauptenergie auf die Umsetzung eines einzelnen Wahlkampfprojektes
verwendet, dazu noch ohne sich rechts und links abzusichern, führt
dies aufs Abstellgleis. Wenn wir nicht radikal in der Verkehrspolitik
etwas ändern, werden wir ganz klar ins Hintertreffen geraten!", so
Riemann abschließend.
24, Berlin, 15. Juli 2015
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