(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) fordert die
aserbaidschanische Regierung dazu auf, die Anschuldigungen gegen die
seit Dezember 2014 inhaftierte Journalistin Khadija Ismajilowa
fallenzulassen und die Reporterin unverzüglich auf freien Fuß zu
setzen. Am kommenden Freitag soll der Prozess gegen die international
bekannte Investigativjournalistin eröffnet werden. Ihr werden unter
anderem Vergehen wie Steuerhinterziehung und illegale Geschäfte
vorgeworfen.
"Khadija Ismajilowa sitzt nur deshalb hinter Gittern, weil sie
wiederholt über korrupte Verbindungen innerhalb der politischen
Führung berichtet hat und die Regierung unter Präsident Alijew diese
Themen unterdrücken will", sagt ROG-Vorstandssprecher Michael Rediske
in Berlin. "Seit Jahren wird sie schikaniert und mit Prozessen
überzogen, bei denen sich immer wieder die haltlosen Anschuldigungen
ändern."
BEREITS IN DER VERGANGENHEIT ZAHLREICHE SCHIKANEN Ismajilowa wurde
am 5. Dezember 2014 in Baku verhaftet und sitzt seither in
Untersuchungshaft. Als Begründung hieß es ursprünglich, sie habe
einen Journalisten in einen Selbstmordversuch getrieben. Dieser zog
seine Aussage im Februar dieses Jahres jedoch wieder zurück und
sagte, er habe sich nur aufgrund staatlichen Drucks zu der
Falschaussage hinreißen lassen. Daraufhin wurde Ismajilowa zusätzlich
wegen Steuerhinterziehung und illegaler Geschäfte angeklagt.
(http://bit.ly/1F427DM) Bei einer Verurteilung drohen ihr 12 Jahre
Haft. Mit einer Protestmailaktion an Aserbaidschans Präsident Ilcham
Alijew fordert ROG schon seit Dezember 2014 Ismajilowas Freilassung.
(http://bit.ly/1BdtcJo)
Die Journalistin arbeitet unter anderem als Reporterin für das
Organized Crime and Corruption Reporting Project
(https://reportingproject.net) und den US-Auslandssender Radio Free
Europe/Radio Liberty, dessen Bakuer Büro sie bis zur erzwungenen
Schließung Ende Dezember 2014 leitete. Immer wieder hat sie über
Vetternwirtschaft und Korruptionsvorwürfe in den höchsten
Regierungskreisen berichtet - Themen, über die kaum ein anderer in
dem Kaukasusland zu schreiben wagt. (http://bit.ly/1yyxYwm)
SEIT JAHREN SCHIKANIERT UND ÃœBERWACHT
Ismajilowa ist seit Jahren Gerichtsverfahren und massivem Druck
der Behörden ausgesetzt. Im Oktober 2014 verklagte ein ehemaliger
Politiker die Reporterin auf Verleumdung, weil sie ihm in einem
Artikel vorwarf, im Auftrag des Geheimdienstes an der Unterwanderung
von Oppositionsgruppen mitgewirkt zu haben. Im Vorfeld einer Reise
nach Straßburg im September 2014, wo sie vor dem Europaparlament über
die Menschenrechtslage in Aserbaidschan berichtete, erhielt sie
massive anonyme Drohungen. Bei ihrer Rückkehr am 3. Oktober hielten
die Behörden sie am Flughafen Baku fest und verhörten sie
stundenlang. Am 12. Oktober verhängte der Generalstaatsanwalt dann
eine Ausreisesperre gegen sie.
Auch in den zurückliegenden Jahren war Ismajilowa Schikanen und
Druck ausgesetzt. Nachdem sie über geheime Geschäfte der
Präsidentenfamilie berichtet hatte, lancierten regierungsnahe Medien
2012 und erneut 2013 Videoaufnahmen im Internet, die angeblich die
Journalistin in ihrem Schlafzimmer beim Sex zeigten
(http://t1p.de/86y4).
MASSIVE REPRESSIONSWELLE GEGEN MENSCHENRECHTLER UND JOURNALISTEN
Die Bakuer Regierung ist in den zurückliegenden 12 Monaten mit einer
bislang beispiellosen Repressionswelle gegen Menschenrechtsaktivisten
und Journalisten vorgegangen. (http://t1p.de/vxdc). Acht Journalisten
und vier Onlineaktivisten sind in dem autoritär regierten Land
derzeit in Haft. (http://bit.ly/1GMR8Tq) Auch im Ausland wird
aserbaidschanischen Journalisten nachgestellt. Nachdem er sich
anlässlich der Europaspiele in Aserbaidschan - einem sportlichen
Großereignis, zu dem zahlreiche Athleten aus dem Ausland anreisten -
in internationalen Medien kritisch über die Menschenrechtslage in
seinem Land geäußert hatte, wurde der in Deutschland lebende
Journalist Emin Milli aus Baku bedroht. Über Dritte ließ man
mitteilen, dass er nicht mehr sicher sei - weder in Deutschland noch
anderswo (http://bit.ly/1Vtb0m4).
BUNDESTAG PRANGERT MENSCHENRECHTSLAGE IN ASERBAIDSCHAN AN Der
Deutsche Bundestag prangerte am Eröffnungstag der Europaspiele am 12.
Juni die Menschenrechtslage in Aserbaidschan in einem
Entschließungsantrag an. Insbesondere die Rechte auf Meinungs-,
Presse-, Religions-, Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit würden
systematisch verletzt. Die Parlamentarier riefen die Bundesregierung
dazu auf, sich weiter für die sofortige und bedingungslose
Freilassung der politischen Gefangenen in Aserbaidschan einzusetzen.
(http://bit.ly/1QOX3di)
NOTHILE VON ROG
Das Nothilfereferat von ROG hat während der vergangenen Monate
zahlreiche Journalisten aus Aserbaidschan unterstützt, etwa den
Fotoreporter Mehman Husejnow. Der Familie des in Aserbaidschan
inhaftierten Journalisten Rauf Mirkadirow hat ROG geholfen, die
Türkei zu verlassen und in die Schweiz überzusiedeln, wo sie Asyl
erhalten hat.
Auf der Rangliste der Pressefreiheit belegt Aserbaidschan Platz
160 von 180 Staaten. Weitere Informationen zur Lage der
Medienschaffenden dort finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/aserbaidschan/.
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Silke Ballweg / Christoph Dreyer
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 609 895 33-55
F: +49 (0)30 202 15 10-29