(ots) - Das Hanseatische Oberlandesgericht in Hamburg hat
heute noch kein Urteil im Berufungsprozess um die cholesterinsenkende
Margarine Becel pro.activ gefällt (Az 7 U 7/13). Die
Verbraucherorganisation foodwatch hatte dem Hersteller Unilever
vorgeworfen, die bekannten Hinweise auf mögliche Nebenwirkungen
seines Produkts zu verschleiern und daher Klage gegen den Konzern
eingereicht. Als Termin für die Urteilsverkündigung benannte das
Gericht den 1. September 2015 (10.00 Uhr).
Fakt ist: Unilever kann weder den gesundheitlichen Nutzen noch die
Sicherheit von Becel pro.activ belegen. Eine Reihe von Studien legt
vielmehr nahe, dass die in hoher Konzentration der Margarine
zugesetzten Pflanzensterine das verursachen könnten, was sie
eigentlich verhindern sollen: Ablagerungen in den Gefäßen und damit
ein erhöhtes Risiko auf Herzkrankheiten. Dennoch hatte Unilever unter
Verwendung von Zitaten eines Wissenschaftlers im Jahr 2011 behauptet,
dass es bei Becel pro.activ "aus wissenschaftlicher Sicht keinen
Hinweis" auf Nebenwirkungen gebe - eine Aussage, die nach Auffassung
von foodwatch nachweislich falsch ist. Die Klage der
Verbraucherorganisation zielt darauf ab, die Weiterverbreitung dieser
Aussage zu verhindern.
Der Vorsitzende Richter am Hanseatischen Oberlandesgericht in
Hamburg betonte am Dienstag, dass die Aussage "in einer Werbeanzeige
schon eine gefährliche Sache" wäre - in einer Pressemitteilung jedoch
eine zulässige Meinungsäußerung sein könnte. In der mündlichen
Verhandlung ging es nicht um die Sicherheit des Produkts. Im Zentrum
stand die Frage, ob es sich bei dem Zitat um eine reine
Meinungsäußerung handelt oder um eine Tatsachenbehauptung, noch dazu
eine EU-weit genehmigungspflichtige gesundheitsbezogene Werbeaussage.
Dies ist keineswegs eine bloße juristische Spitzfindigkeit: Während
eine Tatsachenbehauptung nur dann zulässig ist, wenn sie wahr ist,
darf eine Meinung auch unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt
verbreitet werden. In erster Instanz hatte das Landgericht Hamburg
die Aussage als Meinung eingestuft und die Klage von foodwatch am 14.
Dezember 2012 daher abgewiesen, ohne jedoch Unilevers Behauptung
einem Faktencheck zu unterziehen (Az 324 O 64/12).
Das Oberlandesgericht legte sich Dienstag nicht endgültig fest,
zeigte jedoch eine Tendenz, der Vorinstanz zu folgen. Dann dürfte
Unilever weiterhin falsche Aussagen über die Sicherheit von Becel
pro.activ verbreiten, weil diese als "Meinungsäußerung" nicht belegt
werden müssten. foodwatch-Klageführer Oliver Huizinga befürchtet für
den Fall eines solchen Urteils, dass das Unilever-Prinzip Schule
machen könnte: "Die Verbraucher können sich offenbar nicht darauf
verlassen, dass ein Wissenschaftler im Dienste eines Konzerns bei
Aussagen über die Sicherheit eines hoch umstrittenen Produktes auch
die Wahrheit sagen muss - das ist fatal. Ein Unternehmen darf nicht
nur der 'Meinung' sein, dass sein Produkt sicher ist - es muss dies
auch mit Fakten belegen können. Für die Verbraucher ist es
schließlich egal, ob gesundheitsrelevante Aussagen auf Werbeplakaten
oder in der Presse verbreitet werden." Weil ein Beleg für die
Sicherheit von Becel pro.activ bis heute fehlt, forderte foodwatch
Unilever auf, die Margarine vom Markt zu nehmen. Bei dem Produkt
handele es sich um ein Quasi-Medikament - Unilever solle dafür eine
Zulassung als Medikament beantragen, falls die erforderlichen Studien
eines Tages Sicherheit und Nutzen belegen können.
Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hatte 2008 betont,
dass der Verzehr von Lebensmitteln mit zugesetzten Pflanzensterinen
von gesunden Menschen ohne Cholesterinproblem "ausdrücklich vermieden
werden sollte" und dies mit möglichen Gesundheitsrisiken begründet.
Die französische Lebensmittelsicherheitsbehörde ANSES wies zudem erst
2014 auf den fehlenden Beleg für einen gesundheitlichen Nutzen hin:
Es gebe keinen Beweis, dass Lebensmittel mit zugesetzten
Pflanzensterinen Herzkrankheiten vorbeugten.
LINK: Informationen zu Becel pro.activ:
http://tinyurl.com/becelproactiv
REDAKTIONELLE HINWEISE:
- Übersicht über die wissenschaftlichen Hinweise zu Nebenwirkungen
von Becel pro.activ: http://tinyurl.com/studien-pflanzensterine
- Fragen & Antworten zu Becel pro.activ und zum Prozess:
http://tinyurl.com/faq-becelproactiv
- Chronologie der Auseinandersetzung zwischen foodwatch und
Unilever: http://tinyurl.com/becel-chronologie
- Bildmaterial unter http://tinyurl.com/becel-Produktfoto
Pressekontakt:
foodwatch e.V.,
Andreas Winkler
E-Mail: presse(at)foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 - 23
Fax: +49 (0)30 / 24 04 76 - 26
Vor Ort in Hamburg: Martin Rücker, Telefon: +49 (0) 1 74 / 3 75 16 89