(ots) - Zurzeit erarbeitet das Bundesministerium für
Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) federführend das im
Koalitionsvertrag vereinbarte Luftverkehrskonzept der
Bundesregierung. Auch Nichtregierungsorganisationen (NGOs) sind an
dem Prozess beteiligt, darunter der Bund für Umwelt und Naturschutz
Deutschland (BUND) und die Bundesvereinigung gegen Fluglärm (BVF).
Aus Sicht dieser und weiterer NGOs aus den Bereichen Umweltschutz,
Lärmschutz und Entwicklungszusammenarbeit vernachlässigt das BMVI die
Klimaschutzziele und die Nachhaltigkeitsstrategie der
Bundesregierung. BUND, BVF, Brot für die Welt, Deutscher
Natur¬schutzring (DNR), Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft
(FÖS), Klima-Allianz, Robin Wood und der ökologische Verkehrsclub VCD
legen daher ein Luftverkehrskonzept auf Grundlage eigener
Datenauswertungen hervor.
Aus dem NGO-Konzept geht hervor, dass es in Deutschland entgegen
Verlautbarungen der Luftverkehrswirtschaft keine
Infrastrukturengpässe, sondern eine zu große Flughafenkapazität gibt.
Statt weiter auszubauen, sollten die sechs großen Flughäfen mit ihren
regionalen Nachbarn und mit der Bahn kooperieren, um die Potenziale
für die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auszuschöpfen, empfehlen
die NGO. Außerdem fehle ein Gesamtkonzept, das wirksame Maßnahmen für
Klimaschutz und effektiven Lärmschutz enthalte. Die NGOs fordern, im
Luftverkehrskonzept der Bundesregierung global wirksame
Klimaschutzmaßnahmen zu verankern, darunter eine Klimaabgabe von zehn
Euro auf jede Tonne CO₂-Äquivalent im Luftverkehr ab dem Jahr
2020. Diese müsse bis 2030 schrittweise auf 80 Euro erhöht werden.
Als echten deutschen Standortvorteil nennen die NGOs die sechs
wirtschaftlich tragfähigen und schon jetzt oder in wenigen Jahren gut
an die Schiene angebundenen Flughäfen Frankfurt/Main, München,
Berlin, Düsseldorf, Hamburg und Stuttgart. Diese wickeln nach
Berechnungen der NGOs fast 85 Prozent des Flugverkehrs ab. "Sechs
Flughäfen sichern den Anschluss an interkontinentale Verbindungen,
die nur zehn Prozent aller Flüge ausmachen", sagte Werner Reh,
Luftverkehrsexperte des BUND. "Nirgendwo in Deutschland gibt es
Bedarf für neue Start- und Landebahnen. Überall in der Bundesrepublik
wurden Kapazitäten massiv ausgebaut, doch an 20 Flughäfen ist der
Flugverkehr rückläufig. Fehlplanungen müssen korrigiert und unnötige
Flughäfen dürfen nicht mehr staatlich alimentiert werden",
kritisierte Reh. Das NGO-Luftverkehrskonzept zeige auch deutlich,
dass von einer Benachteiligung des Luftverkehrs in Deutschland und
Kapazitätsengpässen nicht die Rede sein könne. Flughafenkooperationen
mit nicht ausgelasteten Flughäfen wie Nürnberg, Köln/Bonn und
Leipzig/Halle seien die richtige Strategie.
200.000 im NGO-Konzept konkret benannte Flüge könnten nach den
Berechnungen der NGOs in den nächsten Jahren ohne Zeitverlust für
Passagiere und ohne neue Investitionen in die Infrastruktur auf die
Schiene verlagert werden. "Das Airrail-System erweist sich als gute
Lösung und kann auf die dafür geeigneten Strecken ausgeweitet werden.
Flughäfen, Airlines und Bahn-Fernverkehr müssen viel enger
kooperieren. Der Gepäcktransport für Zubringer- und Verteilverkehr zu
Drehkreuzflughäfen und das Bahnangebot insgesamt müsste durch
Sprinterzüge und mehr Zuverlässigkeit und Komfort optimiert werden",
sagte Michael Müller-Görnert vom VCD.
Helmut Breidenbach, Präsident der Bundesvereinigung gegen Fluglärm
(BVF), forderte schnell wirksame und effektive Maßnahmen zur
Reduzierung des Fluglärms. "Durch den Einsatz größerer Flugzeugmuster
und dichtere Bewegungsfolgen nimmt Fluglärm sogar wieder zu. Wir
brauchen Lärmminderungskonzepte an den Flughäfen mit konkreten
Reduktionszielen, die zunächst durch Obergrenzen den Lärm limitieren
und dann in Jahresschritten senken. Bis zum Erreichen dieser Ziele
müssen verstärkt Betriebsbeschränkungen greifen, vor allem in der
Nacht und den Nachtrandstunden von 22 bis 23 Uhr und 5 bis 6 Uhr. Wir
brauchen auch eine Reform der Lärmentgelte. Sie machen nur ein
Prozent der Betriebskosten der Airlines aus und sind deshalb bisher
wirkungslos", sagte Breidenbach.
Besondere Bedeutung misst das NGO-Luftverkehrskonzept der
Einführung einer Klimaabgabe zu. Die Einnahmen daraus müssten zu
einem festgelegtem Anteil für die UN-Klimafonds "Green Climate Fund"
oder "Adaptation Fund" verwendet werden. "Damit können Programme zur
Minderung von Treibhausgasemissionen und Klima-Anpassungsmaßnahmen in
den wirtschaftsschwächsten und vom Klimawandel besonders betroffenen
Ländern finanziert werden", sagte Annegret Zimmermann, Referentin für
Klimagerechtigkeit von "Brot für die Welt". Non-CO2-Emissionen, also
Klimaeffekte durch weitere Emissionen, die in höheren Luftschichten
eine besonders schädliche Klimawirkung haben, müssten schrittweise
einbezogen werden.
Das Konzept "Carbon Neutral Growth" der Luftverkehrswirtschaft,
das zurzeit in der Internationalen Zivilen Luftfahrtorganisation
(ICAO) verhandelt wird, bewerten die NGOs als klimapolitisch
untauglich, da es keine Reduzierung der klimawirksamen Emissionen des
Luftverkehrs bewirke und Non-CO2-Emission nicht einbeziehe. Auch die
vorgesehene Nutzung von Biomasse in großem Umfang lehnen die Verbände
aus ökologischen, sozialen und menschenrechtlichen Gründen ab. "Wir
dürfen nicht die Jahresproduktion von Biomasse, die einen Menschen
ein Jahr lang ernährt, in wenigen Flugminuten verbrennen", warnte
Monika Lege, Verkehrsreferentin von Robin Wood.
Das NGO-Luftverkehrskonzept finden Sie als PDF zum Download unter:
www.bund.net/pdf/ngo-luftverkehrskonzept
Pressekontakt:
- Werner Reh, BUND-Verkehrsexperte, Tel. 030-27586-435, E-Mail:
Werner.Reh(at)bund.net bzw. Annika Natus, BUND-Pressereferentin, Tel.
030-27586-425/-489, E-Mail:
presse(at)bund.net, www.bund.net
- Anja Smetanin, VCD-Pressesprecherin, Tel. 030-280351-12, E-Mail:
presse(at)vcd.org
- Helmut Breidenbach, Präsident Bundesvereinigung gegen Fluglärm,
Tel. 0211-6685071
- Annegret Zimmermann, Referentin für Klimagerechtigkeit, Brot für
die Welt, Tel. 030-65211 1830, E-Mail:
annegret.zimmermann(at)brot-fuer-die-welt.de bzw. Renate Vacker,
Pressesprecherin, Tel. 030-65211-1833, E-Mail:
renate.vacker(at)brot-fuer-die-welt.de
- Monika Lege, Verkehrsreferentin, Robin Wood, Tel. 040-38089212,
E-Mail: verkehr(at)robinwood.de
- Alexander Mahler, Verkehrsexperte, FÖS, Tel. 030-76 23 991-55,
E-Mail: Alexander.Mahler(at)foes.de
- Helga Inden-Heinrich, Deutscher Naturschutzring (DNR), Dachverband
der Natur-, Tier- und Umweltschutzorganisationen, Tel.
030-6781775-98, E-Mail: helga.inden-heinrich(at)dnr.de
- Malte Hentschke, Öffentlichkeitsarbeit, Klima-Allianz, Tel.
030-7808995-11, E-Mail: malte.hentschke(at)klima-allianz.de