(ots) - Thomas Thieme: Habe Hoeneß mit viel Sympathie
gespielt
Schauspieler empfand Rolle deutlich angenehmer als die
Begleitumstände seines Kohl-Films und empfiehlt Goethe und
Shakespeare statt Präsidiumsposten bei Bayern München
Osnabrück. Schauspieler Thomas Thieme (66), der Ende August im
ZDF-Dokudrama "Uli Hoeneß - Der Patriarch" (27. August) in der
Titelrolle zu sehen ist, hält ein mögliches Comeback des ehemaligen
Bayern-Präsidenten für unklug: "Ich würde ihm dringend davon abraten.
Er passt da gar nicht so richtig hin. Ich habe irgendwas an ihm
entdeckt, das mir sagt: Er ist kein Mann des Weißbiers und der
Weißwurst. Zocken passt eigentlich tausendmal besser", sagte Thieme
der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag).
Obwohl er ihn spielt, hat Thieme Hoeneß bislang nicht getroffen -
aber er weiß genau, was er ihm im Falle eines Falles sagen würde:
"Uli Hoeneß, wenn es die Finanzen noch erlauben - und davon gehe ich
aus -, bestellen Sie sich in einer guten Weinhandlung eine
wunderschöne Kiste Rotwein, vielleicht einen Barolo aus dem Piemont.
Stellen Sie sich den zu Hause hin, setzen Sie sich in Ihr
höchstwahrscheinlich wunderschönes Wohnzimmer, nehmen Sie sich die
Gesamtausgabe von Goethe oder Shakespeare, und fangen Sie mit dem
ersten oder zehnten Band an - ist ja wurscht. Lesen Sie das in Ruhe,
trinken Sie dazu Ihren Rotwein, und denken Sie nach. Klug genug dafür
sind Sie. Aber hören Sie bloß auf, sich wieder vor diese Brüllaffen
zu setzen und sich in diese semi-volkstümliche Atmosphäre von
Weißbier und Weißwurst zu begeben."
Er bringe dem ehemaligen Bayern-Präsidenten schon seit über 40
Jahren viel Sympathie entgegen, betonte Thieme. Bei der Fußball-WM
1974 in der Bundesrepublik habe er ihn bereits wahrgenommen und
gemocht: "Seine Spielweise, dieses Nach-vorne-Preschen und Rammen
gefiel mir. Rammen ist überhaupt ein Schlüsselwort für Hoeneß, er hat
in jeder Beziehung etwas von einem Rammbock." Sein menschlicher
Impetus sei "vollkommen richtig".
Daran hat auch Hoeneß' Steuerhinterziehung nichts grundlegend
geändert - Thieme: "Das Delikt ist nicht fein, das gehört sich nicht.
Aber nachdem er diese fast 30 Millionen Euro zurückgezahlt und sich
zu dreieinhalb Jahren verdonnern lassen hat als über 60-jähriger
Mann, ist es auch mal gut. Er hat niemanden umgebracht oder schwer
verletzt. Er hat den Staat erheblich erschreckt und ihm alles wieder
zurückgegeben."
Dass Hoeneß die Ausstrahlung des Dokudramas noch verhindern wolle,
hält Thieme für ausgeschlossen: "Ich kann mir nicht vorstellen, dass
Herr Hoeneß noch vor der Ausstrahlung mit irgendwelchen schrecklichen
Sachen aus dem Gebüsch kommt. Und auch danach nicht. Das ist ein
Sportler, der teilt aus und steckt ein. Der hat mit 27 Jahren wegen
einer Verletzung seine Karriere beendet, hat einen Flugzeugabsturz
überlebt, das ist nicht irgend so eine Pappnase aus der Politik. Und
er hat eine große Fresse - wie einige Schauspieler auch."
Dies sei bei Helmut Kohl und seiner Familie ganz anders gewesen,
als er für den ZDF-Film "Der Mann aus der Pfalz" (2009) die Rolle des
Altkanzlers übernommen hatte, berichtete Thieme: "Bei Kohl war es
sehr unangenehm, weil die Arbeit durch permanentes Störfeuer aus der
Familie beeinträchtigt wurde." Es habe damals ständig ein
Damoklesschwert über der Filmcrew geschwebt, beklagte der
Schauspieler: "Die Kommentare seitens der Familie waren in einer Art
und Weise übergriffig, dass es kaum zu ertragen war. Er selbst hat in
seiner erheblichen, komischerweise volkstümlich geprägten Arroganz so
getan, als gäbe es das ganze Filmprojekt gar nicht, während seine
neue Gattin ganz enorm versuchte, Einfluss zu nehmen. Da habe ich
mich als alter Ossi schon gefragt: Bist du jetzt wieder in Magdeburg?
Es hat mich wirklich erschüttert, wie diese Familie Kohl und auch ein
gewisser Freundeskreis in Gutsherrenart Einfluss auf Kunst genommen
haben. Das war furchtbar."
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