(ots) - Immer wieder berichten europäische Medien darüber,
Aserbaidschan betreibe "Kaviar-Diplomatie". So versorge Aserbaidschan
Mitglieder der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, in der
318 Abgeordnete aus 47 Mitgliedsstaaten sitzen, mit Kaviar und lade
sie zu Reisen nach Aserbaidschan ein. Verbunden wird dies zumeist mit
dem Hinweis auf eine Entscheidung des Europarates - die
Parlamentarische Versammlung hatte am 23. Januar 2013 einen Bericht
eines deutschen Parlamentariers zu Aserbaidschan zurückgewiesen. Der
sprach von politischen Gefangenen in Aserbaidschan, konnte aber
keinen einzigen Fall nachweisen. Das demokratisch verfasste Gremium
Europarat lehnte den Bericht daher mit 125 gegen 79 Stimmen ab. Gegen
eine Verurteilung Aserbaidschans stimmten dabei Abgeordnete aller
möglichen Länder, aus Deutschland, Spanien, England, Polen und so
weiter.
125 Abgeordnete, alle gekauft, mit einer Dose Kaviar? Es muss
schlecht stehen um die politische Integrität der Mitglieder der
Parlamentarischen Versammlung, wenn sich diese, wie behauptet, schon
mit relativ geringwertigen Geschenken wie Kaviardosen "kaufen"
lassen. Man muss sich schon fragen, was für ein Selbstverständnis die
EU eigentlich hat, wenn Medien wie selbstverständlich davon ausgehen,
dass man Abgeordnete aller Herren Länder mit Fischeiern kaufen kann.
Unbeantwortet bleiben in den Medienberichten die wichtigsten Fragen:
Wer hat Kaviar oder sonstige Zuwendungen erhalten und im Gegenzug
etwas für Aserbaidschan getan? Warum wurden diese Personen dann nicht
angeklagt? "Korruption spiele im Europarat eine größere Rolle als
bekannt, sagt ein Bundestagsabgeordneter heute", stand in "Der
Tagesspiegel" vom 30. Juni 2015 zu lesen. Wie bitte? Ein deutscher
Abgeordneter weiß von Korruption und erstattet keine Anzeige? Typisch
für eine Diktatur, der hat wahrscheinlich Angst - so würde es durch
den Blätterwald rauschen, wäre er Parlamentarier eines anderen
Landes. Wenn es keine Fakten gibt, sind es nur Gerüchte, dann ist es
eine große Kaviar-Lüge.
AZERTAG befragte deutsche Journalisten und Politiker zu den
Quellen der Kaviar-Gerüchte. Ergebnis: so genau weiß man das aber
nicht - mal wird auf die European Stability Initiative als Quelle
verwiesen. Deren Geschäftsführer durfte seine vermeintlichen
Erkenntnisse im Mai 2014 auch bereits ganzseitig in einer großen
deutschen Sonntagszeitung ausbreiten - übrigens ohne als
Geschäftsführer eines privaten Unternehmens gekennzeichnet zu werden,
was den Eindruck erweckte, er sei ein zur Zeitung gehörender
Journalist. Aber egal, so genau nimmt man das nicht, wenn es gegen
Aserbaidschan geht.
Andere machen es sich noch einfacher: eine große Tageszeitung
antwortete AZERTAG lapidar, über diese Praxis sei mehrfach in den
Medien berichtet worden, in Deutschland und anderen Ländern.
Wahrheitsgehalt egal. Weshalb werden die Vorwürfe der
"Kaviar-Diplomatie" in den Medien genannt und immer wieder zitiert,
obwohl kein einziger Fall von Bestechung nachgewiesen werden konnte?
Es gab bisher kein einziges Verfahren und keinerlei
staatsanwaltschaftliche Ermittlungen in keinem Land, auch nicht
innerhalb der EU-Institutionen - die Unschuldsvermutung gilt für
Aserbaidschan scheinbar generell nicht. Das Gros deutscher Medien
stellt Geschenke bevorzugt dann als Bestechungsversuche dar, wenn sie
aus Aserbaidschan kommen. Besticht ein deutscher Abgeordneter seine
Kollegen ihm Europarat, wenn er ihnen eine schwarzwälder Kuckucksuhr
schenkt?
Mandatsträger, die Kaviar erhalten und dafür Gegenleistungen
erbracht haben, wurden AZERTAG bisher jedenfalls nicht genannt, im
Sinne einer auf nachprüfbaren Fakten beruhenden journalistischen
Recherche. Wenn es so etwas gegeben hat, wäre die Wortschöpfung
"Kaviar-Diplomatie" zutreffend, wenn nicht, liegt der Verdacht einer
"Kaviar-Lüge" nahe.
Warum werden jegliche Presseerklärungen aserbaidschanischer
Stellen zum Bergkarabach-Konflikt und der illegalen Besetzung von 20%
des aserbaidschanischen Staatsgebietes, selbst wenn es sich um
erschossene oder entführte aserbaidschanische Grenzsoldaten handelt,
in deutschen Medien nicht erwähnt? Aserbaidschan beherbergt eine
Million Flüchtlinge in einem Land von 9,5 Millionen Einwohnern. Der
Jahrestag des Massakers armenischer Truppen an 623 Aserbaidschanern,
darunter Frauen und Kinder, im Jahre 1992 in Chodschali ist ein
nationaler Gedenktag in Aserbaidschan - in deutschen Medien findet
sich dazu kaum ein Wort. Weshalb in der Berichterstattung über den
Bergkarabach-Konflikt in Deutschland nahezu völlig ignoriert wird,
dass die Kriegspartei Armenien unter Bruch des Völkerrechts Teile des
Nachbarlands Aserbaidschan besetzt hält, bleibt rätselhaft.
Vugar Seidov Europa-Korrespondent der aserbaidschanischen
Nachrichtenagentur AZERTAG
Rückfragehinweis:
Vugar Seidov (Europa-Korrespondent der Nachrichtenagentur AZERTAG) - Budapest
Phone: +36-20-3273183,
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