(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) ist besorgt über die
zunehmende Zahl von Ãœbergriffen und Repressionen gegen Journalisten
in Guatemala. Immer öfter werden Journalisten bedroht oder unter
Druck gesetzt, um Themen wie Korruption oder die Aktivitäten von
Drogenkartellen und organisiertem Verbrechen totzuschweigen. Die
einschüchternde Wirkung solcher Vorfälle ist umso stärker, weil die
Justiz die Hintermänner bislang nur selten zur Rechenschaft gezogen
hat. Das entschlossene Vorgehen der Justiz wegen der schweren
Korruptionsvorwürfe gegen den heute zurückgetretenen
Staatspräsidenten Otto Pérez Molina (http://t1p.de/trvi) sollte
deshalb als Chance zu einem Umsteuern genutzt werden.
"Ein konsequentes Vorgehen gegen die Kultur der Straflosigkeit
wäre ein wichtiger Beitrag zum Kampf gegen Zensur und Selbstzensur in
den Medien", sagte ROG-Geschäftsführer Christian Mihr. "Guatemalas
Justiz sollte nun beweisen, dass sie künftig auch Verbrechen an
Journalisten ohne Ansehen der Person verfolgt."
DIESES JAHR MINDESTENS ZWEI JOURNALISTEN ERMORDET
Seit Jahresbeginn sind in Guatemala mindestens zwei Journalisten
ermordet worden: Anfang März erschossen in der Provinzhauptstadt
Mazatenango zwei Männer von einem Motorrad aus die beiden
Korrespondenten Danilo López (Prensa Libre) und Federico Salazar
(Radio Nuevo Mundo). Ein dritter Journalist, Marvin Túnchez, wurde
bei dem Angriff verletzt. López hatte wegen seiner Berichterstattung
über Themen wie Behördenmissmanagement Drohungen lokaler Beamter
erhalten und nach Angaben seines Chefredakteurs den Bürgermeister
eines Ortes im Departamento Suchitepéquez wegen Todesdrohungen
angezeigt (http://t1p.de/qy6k).
Insgesamt zählte die alternative Nachrichtenagentur CERIGUA
(Centro de Reportes Informativos Sobre Guatemala) in den ersten
achteinhalb Monaten dieses Jahres 74 Verletzungen der Pressefreiheit
- 37 Prozent mehr als im gesamten Jahr 2014, als es 54 vergleichbare
Vorfälle gab. Besonders häufig sind Drohungen sowie Druck und
Einschüchterungsversuche gegen Journalisten, die in vielen Fällen von
Behördenvertretern, Repräsentanten der politischen Parteien oder von
Sicherheitskräften ausgehen. Hinzu kommen direkte Zensur,
missbräuchliche Justizverfahren, tätliche Angriffe und
wirtschaftlicher Druck auf kritische Medien.
Ungewöhnlich deutlich wurden die Angreifer der Fernsehmoderatorin
Susana Morazán, nachdem sie ihr im Januar den Kiefer gebrochen
hatten: "Hör auf, schlecht über die Regierung zu reden", gaben sie
ihr als Warnung mit (http://t1p.de/1tu9). Edwin Pitán von der
Tageszeitung Prensa Libre wurde Ende Juli von einem Leibwächter des
Vizepräsidentschaftskandidaten Edgar BarquÃn tätlich angegriffen, als
Reporter den Politiker nach einer Veranstaltung mit kritischen Fragen
bedrängten. Juan Luis Font, Leiter des Wochenmagazins ContraPoder,
und Prensa-Libre-Kolumnist Pedro Trujillo erhielten Drohnungen,
nachdem sie im Vorwahlkampf den Präsidentschaftsbewerber Manuel
Baldizón kritisiert hatten.
DIREKTE ZENSUR UND EINSCHÃœCHTERUNG DURCH STRAFANZEIGEN
Anfang August ließ der Kongresskandidat Enrique Maldonado, der
zugleich Eigentümer des Kabelnetzbetreibers Servicable ist, die
Ãœbertragung der Fernsehsender Optimo 23 und ATV 24 unterbrechen, weil
diese Informationen über Kandidaten konkurrierender Parteien
verbreiteten (http://t1p.de/16zi).
Ein prominentes Beispiel für die zunehmenden Versuche,
Journalisten durch Strafanzeigen einzuschüchtern, sind die
zahlreichen Klagen gegen den Gründer und Präsidenten der
regierungskritischen Tageszeitung El Periódico, José Rubén Zamora
(http://t1p.de/17uq). Unter anderem zeigte ihn die damalige,
mittlerweile wegen Korruptionsvorwürfen in Untersuchungshaft sitzende
Vizepräsidentin Roxana Baldetti im November 2013 wegen sexueller
Belästigung an (http://t1p.de/6o1y).
Präsident Pérez persönlich verklagte Zamora etwa zur gleichen Zeit
unter anderem wegen Beleidigung, Nötigung und Erpressung. Bevor Pérez
die Anzeige schließlich zurückzog, belegte ein Gericht den
Journalisten zeitweise mit einem Ausreiseverbot und fror seine
Bankkonten ein.
NICHTKOMMERZIELLE RADIOSENDER MÃœSSEN OFT ILLEGAL ARBEITEN
Besorgniserregend ist auch die Situation der nichtkommerziellen
lokalen Radiosender (radios comunitarias) der indigenen Bevölkerung
in Guatemala. Weil sie infolge diskriminierender Gesetze kaum Chancen
haben, Frequenzen zugeteilt zu bekommen, müssen sie oft illegal
arbeiten und sind willkürlichen Razzien und Beschlagnahmen ausgesetzt
(http://t1p.de/gx2n).
Guatemala steht auf Platz 124 von 180 Ländern auf der Rangliste
der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen. Weitere Informationen
zur Situation der Journalisten dort finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/guatemala/.
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