(ots) - Berlin, 04.09.2015 - Anlässlich der öffentlichen
Anhörung des Gesetzentwurfs für eine sogenannte
Krankenhausstrukturreform am kommenden Montag im Gesundheitsausschuss
des Deutschen Bundestages erklärt der Präsident der
Bundesärztekammer, Prof. Dr. Frank Ulrich Montgomery:
"Wer eine Qualitätsoffensive ausruft, der muss auch den Mut zur
Qualität haben. Bund und Länder aber wollen ihrem erklärten Willen
zur Krankenhausreform keine wirklichen Taten folgen lassen. Mit
Symptombekämpfung allein lassen sich jedoch weder die äußerst
problematischen Arbeitsbedingungen in den Krankenhäusern, noch die
Versorgungslage der Patienten verbessern. Der Politik muss endlich
klar werden, dass gute medizinische Versorgung nicht zum Nulltarif zu
haben ist. Eine jährliche Steigerung von 1,5 - 2 Prozent der
stationär versorgungsbedürftigen Patienten auf mehr als 19 Millionen
Patienten pro Jahr, die gleichzeitige Verkürzung der Verweildauer und
immer mehr Notfallpatienten haben zu immenser Arbeitsverdichtung und
Mehrarbeit geführt. Ärzte und Pflegekräfte arbeiten am Limit, um die
Folgen der unzureichenden Finanzierung zumindest zu mildern. Wir
brauchen gesetzgeberische Maßnahmen zur umfassenden Refinanzierung
der Tarifabschlüsse sowie zur Stärkung der Vereinbarkeit von Familie
und Beruf. Im Gesetzentwurf ist davon jedoch nichts zu finden. Fest
steht, dass der Finanzierungsbedarf der Krankenhäuser in einer älter
werdenden Gesellschaft weiter steigen wird. Immer noch aber müssen
Kliniken in erheblichem Maße Finanzmittel, die für die
Patientenversorgung bestimmt sind, für dringend notwendige
Investitionen verwenden, weil die Bundesländer ihren
Investitionsverpflichtungen seit Jahren nicht nachkommen. Die
Investitionsmittel der Länder sind seit 1991 um rund 30 Prozent
gesunken. Das daraus entstandene Defizit beläuft sich bundesweit
mittlerweile auf mehr als 30 Milliarden Euro. Die im Gesetzentwurf
vorgesehene Festschreibung des Investitionsvolumens auf lediglich den
Durchschnitt der Jahre 2012 - 2014 ist hingegen völlig unzureichend.
Leidtragende sind die Patienten und die Mitarbeiter in den Kliniken.
Wir brauchen deshalb klare und einklagbare Verpflichtungen der Länder
für Krankenhausinvestitionen und auch der Bund muss ergänzend Mittel
zur Verfügung stellen. Diskussionsbedürftig ist auch das dem
Reformansatz zugrunde liegende Verständnis zur weiteren Ausgestaltung
und Anwendung der Qualitätssicherung. Künftig sollen
Qualitätszuschläge und -abschläge für Leistungen eingeführt werden,
die in außerordentlich guter oder unzureichender Qualität erbracht
werden. Die bisherigen Erfahrungen mit solchen
Pay-for-Performance-Ansätzen sind alles andere als überzeugend.
Zusätzlich zu dem erheblichen methodischen Entwicklungsbedarf dieser
Verfahren besteht ein enormes Potenzial an Fehlanreizen. Insbesondere
Krankenhäusern, die multimorbide Patienten mit hohem
Betreuungsaufwand bei gleichzeitig ungünstiger Prognose behandeln,
droht eine systematische Benachteiligung. Erst kürzlich hat die
Fachzeitschrift JAMA eine US-amerikanische Studie mit dem paradoxen
Ergebnis veröffentlicht, dass
ausgerechnet die Krankenhäuser, die aufwändige Betreuungsangebote
vorhalten und auch problematische Verläufe akribisch dokumentieren,
um aus ihnen zu lernen, mit finanziellen Abschlägen wegen
vermeintlicher Qualitätsmängel bestraft wurden. Das eigentlich
vorbildliche Engagement wurde für sie unter
Pay-for-Performance-Bedingungen zum Bumerang."
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