(ots) - 75 Prozent aller Gutachten in familienrechtlichen
Streitigkeiten in Deutschland sind mangelhaft. Das ist das Ergebnis
einer Studie der IB-Hochschule Berlin, die dem ZDF-Magazin "Frontal
21" exklusiv vorliegt (Sendung am Dienstag, 8. September 2015, 21.00
Uhr"). "Diese Gutachten haben gravierende Mängel bei den
Testverfahren und den Methoden der Gesprächsführung. Außerdem
entsprechen sie nicht dem aktuellen Forschungsstand", erklärt Werner
Leitner, Professor für Angewandte Psychologie, der für die Studie 272
Familienrechtsgutachten aus den Jahren 2013 und 2014 aus allen
Bundesländern untersucht hat. Als Entscheidungsgrundlage für die
Gerichte seien diese mangelhaften Gutachten überhaupt nicht geeignet.
Trotzdem würden auf ihrer Grundlage vielen Eltern das Sorgerecht
entzogen, ganze Familien zerrissen. "Mit diesen mangelhaften
Gutachten verdienen die Gutachter zwar viel Geld. Auf der Strecke
bleibt aber das Wohl der Familien und der Kinder", so Werner Leitner
weiter.
Die schlechte Qualität vieler Gutachten in Familienrechtsfragen
beklagen Experten seit Jahren. Die Bundesregierung hat sich im
Koalitionsvertrag vor zwei Jahren verpflichtet, nun endlich eine
Lösung zu finden. Mittlerweile liegt der Gesetzesentwurf des
Bundesjustizministeriums vor. Vorgesehen sind darin
"Qualifikationsanforderungen für Sachverständige". Außerdem soll die
Auswahl der Gutachter durch das Gericht besser begründet werden.
Für den Familienrechtsexperten Jürgen Rudolph, der fast 30 Jahre
als Familienrichter tätig war, "ein Schritt in die richtige Richtung,
aber noch lange nicht ausreichend". In der Praxis werde sich durch
die geplante Reform kaum etwas ändern. Es gäbe nach wie vor keine
Standards zur Erstellung der Gutachten. Außerdem könnten die Richter
die Gutachter weiterhin völlig willkürlich auswählen. Die meisten
Richter seien aber in Familienangelegenheiten überhaupt nicht
ausgebildet, kritisiert Jürgen Rudolph. "Deshalb verlassen sich
Richter in Rechtsfragen, die sie selbst beantworten müssten, ganz oft
auf die Gutachter. Am Ende übernimmt keiner die Verantwortung."
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