(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) ist bestürzt über die
jüngste Welle der Gewalt gegen Journalisten in Pakistan. Zwei
Mitarbeiter des bekannten regierungskritischen Fernsehsenders Geo TV
wurden in der vergangenen Woche getötet, zwei weitere
Medienmitarbeiter verwundet. Ein neuer Verhaltenskodex des
Informationsministeriums und eine groß angelegte PR-Kampagne des
Militärs setzen Journalisten zusätzlich unter Druck.
"Über heikle Themen zu berichten oder gar Staat und Militär zu
kritisieren, ist in Pakistan lebensgefährlich", sagte
ROG-Geschäftsführer Christian Mihr in Berlin. "Täter und Drahtzieher
von Mordanschlägen auf Journalisten müssen bestraft werden, sonst
schwindet jegliche Chance auf unabhängige Berichterstattung."
Zu den weitgehend tabuisierten Themen für Medien gehören etwa
Kritik an Armeeführung und Geheimdienst, aber auch an der
Regierungspolitik im Kaschmir-Konflikt mit Indien oder an der
Kriegführung von Verbündeten wie den arabischen Golfstaaten im Jemen
(http://t1p.de/7hp5).
MEHRERE ANSCHLÄGE INNERHALB WENIGER STUNDEN
Jüngstes Opfer der zunehmenden Gewalt gegen Journalisten ist der
42-jährige Journalist Aftab Alam, der am 9. September in Karatschi
ermordet wurde. Er war im Auto unterwegs, um seine Kinder von der
Schule abzuholen, als Unbekannte ihn mit einem Kopfschuss töteten
(http://t1p.de/e6ee). Alam arbeitete unter anderem für die
Fernsehsender Geo TV und Samaa TV.
Wenige Stunden zuvor hatten Unbekannte ein Fahrzeug von Geo TV
beschossen. Sie töteten den 45-jährigen Techniker Arshad Ali Jaffari
und verletzten den Fahrer des Wagens, Anees Chauhan. Am 8. September
wurde Abdul Azam Shinwari, Reporter des staatlichen Senders Pakistan
Television, in Peschawar nahe der Grenze zu Afghanistan durch mehrere
Schüsse ins Bein verletzt. Er war kurz zuvor aus Angst um seine
Sicherheit aus den nahegelegenen Stammesgebieten dorthin gezogen.
Seit Jahresbeginn hat ROG mindestens drei weitere Mordfälle an
Medienschaffenden gezählt: Am 28. Juni wurde in Belutschistan der
Journalist Zafarullah Jatak erschossen, der in Quetta für die auf
Urdu erscheinende Zeitung Intekhab arbeitete. Am 29. April ermordeten
Unbekannte vor der Universität in Karatschi den Journalistikprofessor
und ehemaligen Reporter Syed Wahidur Rahman. Vier Tage zuvor wurde in
Karatschi die Medien- und Menschenrechtsaktivistin Sabeen Mahmud auf
dem Heimweg von einer Podiumsdiskussion über die Gewalt in der
Provinz Belutschistan erschossen.
NEUER VERHALTENSKODEX FÃœR RADIO- UND FERNSEHJOURNALISTEN
Parallel dazu setzen Regierung und Militär Journalisten und Medien
unter zunehmenden Druck. Besorgt ist Reporter ohne Grenzen vor allem
über einen neuen Verhaltenskodex für Radio- und Fernsehjournalisten,
den die Aufsichtsbehörde für elektronische Medien - eine Abteilung
des Informationsministeriums - am 20. August in Kraft setzte
(http://t1p.de/dokq). Er schränkt Berichte ein, in denen es um
laufende "Sicherheitsoperationen" geht oder die den Islam, die Justiz
oder das Militär kritisieren.
Der Kodex verpflichtet elektronische Medien auch, Live-Sendungen
in bestimmten Fällen zeitverzögert zu senden, sodass die
Aufsichtsbehörde unerwünschte Kommentare und Berichte herausschneiden
lassen kann. Unpräzise und weit auslegbare Formulierungen im Kodex
bergen die Gefahr sowohl einer verschärften Selbstzensur unter
Journalisten als auch drastischer, willkürlich festgesetzter Strafen.
PR-KAMPAGNE FÃœR DAS IMAGE DES ARMEECHEFS
Zudem berichten Journalisten seit einiger Zeit über eine
großangelegte PR-Kampagne des pakistanischen Militärs, um das Image
von Armeechef Raheel Sharif aufzupolieren. Bilder des Generals, wie
er die Truppen an der Front besucht oder ausländische Staatschefs
empfängt, verdrängten die politische Führung des Landes regelmäßig
aus den Hauptnachrichten. Kritische Themen wie Korruption beim
Militär oder die Folgen der Militäroperationen an der afghanischen
Grenze werden in der Berichterstattung ausgespart, während
Verfehlungen der zivilen Regierung ausführlich diskutiert werden.
Prominente Journalisten berichten von Drohungen seitens des
Militärs, sie stünden wegen ihrer Berichte unter Verdacht, mit dem
indischen Geheimdienst zusammenzuarbeiten, und gerieten so ins Visier
von Terroristen (http://t1p.de/zui6).
Solche Drohungen fallen nicht erst seit dem Aufsehen erregenden
Mordanschlag auf den bekanntesten Journalisten des Landes, Hamid Mir,
im vergangenen Jahr auf fruchtbaren Boden. Mir, der für den
Fernsehsender Geo TV unter anderem über Korruption, den politischen
Einfluss des Geheimdienstes ISI, über Korruption in der Regierung und
Anschläge der pakistanischen Taliban berichtete, war am 19. April
2014 auf dem Flughafen von Karatschi angeschossen und schwer verletzt
worden. Nachdem Geo TV über den Verdacht seiner Familie berichtete,
der Chef des pakistanischen Geheimdienstes sei in den Anschlag
verwickelt, versuchte die Regierung, den Sender zu schließen
(http://t1p.de/mwz4).
Auf der Rangliste der Pressefreiheit steht Pakistan auf Platz 159
von 180 Ländern. Weitere Informationen zur Lage der Journalisten dort
finden Sie unter www.reporter-ohne-grenzen.de/pakistan/.
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