(ots) - Die Worte, die der damalige bundesdeutsche
Außenminister und Vizekanzler vor vielen Hundert ausreisewilligen
DDR-Flüchtlingen am Abend des 30. September 1989 in der deutschen
Botschaft in Prag äußerte, sind in die Geschichte eingegangen. Wenige
Wochen später, am 9. November 1989, kündigte die DDR-Führung an, die
Ausreise direkt zu ermöglichen - am selben Abend fiel die Mauer.
Hans-Dietrich Genscher (88) gibt SWR4 ein exklusives Interview zum
25. Tag der deutschen Einheit. SWR4-Moderator Thomas Meyer spricht
mit ihm über die Zeit vor dem Mauerfall bis zur Wiedervereinigung.
Genschers Strategie der Entspannungspolitik führte zur Annäherung
zwischen Ost und West. Damit gehört er, der das Amt des
bundesdeutschen Außenministers von 1974 bis 1982 bekleidete, zu den
maßgeblichen Architekten der deutschen Einheit. Aus der Distanz eines
Vierteljahrhunderts wirft SWR4 mit dem FDP-Politiker einen Blick auf
die bedeutenden, emotionalen und kritischen Momente der jüngeren
deutschen Vergangenheit - eine spannende Analyse mit dem früheren
Außenminister, der es zu Recht in die Geschichtsbücher eines
vereinten Deutschlands geschafft hat.
Die Sendung "SWR4 im Gespräch - Hans-Dietrich Genscher" mit
Moderator Thomas Meyer wird am 3. Oktober 2015 von 9 bis 12 Uhr in
SWR4 Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg ausgestrahlt.
Folgende Zitate stellen wir - bei Nennung der Quelle "SWR4"
kostenfrei zur Verfügung:
Deutsche Teilung war Beweggrund für politisches Engagement "Ich
bin gar nicht sicher, ob ich mich, ohne die deutsche Teilung, voll
beruflich in der Politik engagiert hätte. Aber das war schon ein
großes Motiv, etwas mit dafür tun zu können, dass wir wieder alle
friedlich in einem Land zusammenleben können."
Zu Strauß' Milliardenkredit für die DDR
[Den Milliardenkredit, den Franz Josef Strauß der DDR
vermittelte,] "würde ich nicht überschätzen. Helmut Kohl sagte mir,
der Strauß wolle diesen Kredit vermitteln, was ich davon halte. Und
da habe ich gesagt, wenn er das will, werde ich ihn unterstützen,
dann kann er unsere Politik mit dem Osten nicht mehr kritisieren."
Weg zur deutschen Einheit begann schon 1973 mit der ersten KSZE
"Sie werden in diesem großen Gebiet eine dauerhafte, befriedigende
Entwicklung nur erreichen können, nicht gegen Russland, auch nicht
ohne, sondern nur mit Russland. Für mich war an der KSZE - neben
vielen anderen Vorteilen - so bestrickend, dass sie von Vancouver bis
Wladiwostok reichte. Man muss sich das einmal vorstellen: Da tun sich
die Vereinigten Staaten von Amerika und Kanada, die Westeuropäer und
die völlig anders geartete Sowjetunion zusammen, um bestimmte Regeln
zu schaffen. Und das führt zu einer solchen Klimaveränderung, dass
die deutsche Vereinigung möglich wird - und dann sagen wir: "Das
war's". Das war es eben nicht! Sondern es muss weitergehen."
Zum Vorschlag an die DDR-Führung, 4.000 Flüchtlinge ausreisen zu
lassen "Ich hätte, offen gesagt, nie gedacht, dass die diesen
Vorschlag annehmen, weil es doch klar war, wenn die das machen - das
ist so, als ob ich einem eine Fackel in die Hand gebe und sage: 'Geh
mal durch die Scheune!' und wundere mich dann, wenn ich am Ausgang
die Scheune brennen sehe. Und so ist das ja dann auch gelaufen."
Heutige Flüchtlingsströme bieten Chance für den europäischen
Gedanken "Ich bin der Meinung, dass die Stunde gekommen ist für einen
neuen europäischen Anlauf. Und eine große Führungsverantwortung liegt
bei denen, die heute in Europa regieren. Der europäische Gedanke ist
zerredet worden und vielleicht auch in seiner Grundsätzlichkeit immer
mehr in Detaildiskussionen versunken. [...] Die Grundsatzfrage, die
jeder beantworten muss, muss in dieser krisenhaften Situation sein:
Heißt das weniger Europa oder heißt das mehr Europa? Und nur wer sagt
'mehr Europa', kann für sich in Anspruch nehmen pro-europäische
Politik zu wollen."
"Frieden ist nicht teilbar!"
Pressekontakt: Sibylle Schreckenberger, Tel. 06131 929-32755,
sibylle.schreckenberger(at)swr.de.