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"Flucht in eine ungewisse Zukunft" / SOS-Mitarbeiterin berichtetüber die Lage syrischer Flüchtlingsfamilien im Libanon (FOTO)

ID: 1270830

(ots) -
Aktuell flüchten tausende Menschen vor Krieg und Elend nach
Europa. Darunter sind auch immer mehr Kinder, die tausende von
Kilometern alleine unterwegs sind. Die Kinder sind oft nicht älter
als acht Jahre. Alleine in Deutschland rechnet man, dass bis
Jahresende noch 30.000 weitere "unbegleitete minderjährige
Flüchtlinge" eintreffen werden. An Brennpunkten der Flüchtlingsroute
werden sie von den SOS-Kinderdörfern betreut. Sie bekommen Essen und
Trinken, Kleidung und vor allem Schutz. SOS-Mitarbeiterin Katharina
Ebel ist zurzeit im Libanon, um sich vor Ort ein Bild von der
SOS-Hilfe zu machen. Im Interview spricht sie über Kinder, die ihre
Heimat verlassen haben mit einem ungewissen Ziel.

Frau Ebel, Sie sind jetzt gerade im Libanon. Dort leben offiziell
mittlerweile über eine Million Flüchtlinge, vermutlich sind es
deutlich mehr. Und das bei einer Einwohnerzahl von vier Millionen
Einwohnern. Wie erleben Sie die Situation dort?

Ich habe mit vielen Flüchtlingen gesprochen und man wird schnell
betroffen von deren Situation. Die meisten Camps bestehen aus
kleineren Containern. Ich war heute bei einer Flüchtlingsfamilie, die
in einem kleinen Container wohnt und praktisch Nichts hat. Kein
fließendes Wasser, kein Strom und keine Betten. Sie müssen auf dem
Fußboden schlafen. Wenn es jetzt kalt wird im Winter, ist es
besonders hart. Sie haben kleine Kinder, die im Winter ständig
erkältet sind. Die Leute haben keine Zukunft. Die Kinder haben keine
Chance in die Schule zu gehen. Solche Schicksale berühren mich sehr
und da kommt man auch so schnell nicht darüber hinweg.

Woran leiden die Flüchtlingskinder besonders?

Die Kinder sind zum großen Teil alleine in den Libanon aus Syrien
geflohen. Fast alle sind traumatisiert von den Kriegserlebnissen,
aber auch von der Flucht. Viele haben gesehen, wie Freunde oder




Verwandte getötet wurden oder wie ihr Zuhause von einer Bombe
zerstört wurde. Die Traumata zeigen sich auch darin, dass einige
Kinder aggressiv sind. Andere weinen sehr viel. Es ist auch schwer,
einen Zugang zu den Kindern zu bekommen. Sie trauen kaum noch
jemandem. Das bedeutet, die Kinder brauchen eine intensive Betreuung.
Was wir in den SOS-Zentren machen, ist mit den Kindern die Traumata
anzugehen. Das heißt, die Kinder werden von den Sozialarbeitern rund
um die Uhr betreut. Sie sprechen viel mit Psychologen. Aber wir geben
den Kindern auch wieder ein Stück Normalität zurück, indem sie wieder
Kinder sein dürfen. Sie können z.B. wieder in die Schule gehen und
mit Freunden spielen oder viel malen. Und wir versuchen den Kindern
vor allem das Vertrauen in die Gesellschaft wiederzugeben.

Was haben die Kinder auf der Flucht erlebt?

Die Kinder erzählen erst einmal sehr wenig von der Flucht. Wenn,
dann erst, wenn sie etwas Vertrauen zu einem gefasst haben. Ich habe
mit einem 8-jährigen Jungen gesprochen, der auf der Flucht an der
Grenze von seiner Mutter getrennt wurde. Er musste sich dann ganz
alleine um seine kleineren Geschwister kümmern. Erst Tage später
haben sie die Mutter wiedergefunden. Gerade aber, wenn Kinder gesehen
haben, dass Menschen vor ihren Augen getötet wurden, sind das
Erlebnisse, für die ein Kind sehr lange braucht, bis sie diese
Ereignisse verarbeitet haben.

Wenn man das alles selbst sieht und erlebt - dann bekommt man
vermutlich ein völlig anderes Verständnis dafür, dass die Menschen
sehr viel riskieren für ein besseres Leben in Europa?

Das kann ich jetzt viel besser nachvollziehen. Ich habe mit vielen
geredet, die sehr gerne wieder zurück nach Syrien wollen. Denn dort
ist ihre Heimat, dort haben sie ihre Wurzeln und viele haben dort
auch noch Häuser. Viele wollen also gar nicht nach Europa. Doch bei
einigen zeigt sich auch, dass sie kaum noch Hoffnung haben, dass der
Krieg in Syrien bald vorbei ist. Um ihren Kindern eine bessere
Zukunft zu bieten, nehmen sie dann den beschwerlichen Weg Richtung
Europa auf sich. Viele handeln auch aus purer Verzweiflung, weil die
Bedingungen für die Flüchtlinge hier im Libanon immer schlechter
werden. Hoffnung auf ein besseres Leben ist das, was die Menschen
nach Europa treibt.

Die SOS-Mitarbeiterin Katharina Ebel ist bis zum 13.10.2015
entlang der Flüchtlingsroute unterwegs und steht für Interviews und
Nachfragen zur Verfügung. Sie berichtet über ihre Begegnungen und
Erlebnisse auch in ihrem Videoblog
www.sos-kinderdoerfer.de/aktuelles/video/videoblog-fluechtlinge

Hörfunk: Ein sendefertiges Interview mit Katharina Ebel aus dem
Libanon können Radiosender auf der Website von Medienkontor gratis
herunterladen: www.medienkontor-audio.de/beitraege/sos-kinderdoerfer



Pressekontakt:
Louay Yassin
Pressesprecher
SOS-Kinderdörfer weltweit
Tel.: 089/179 14-259
E-Mail: louay.yassin(at)sos-kd.org
http://www.sos-kinderdoerfer.de

München, 04.10.2015


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Datum: 04.10.2015 - 08:00 Uhr
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