(ots) - Die geplanten Freihandelsabkommen TTIP und CETA
schwächen das Wahlrecht der Bürger und den Einfluss von Abgeordneten.
Zu diesem Ergebnis kommt eine am Montag in Berlin vorgestellte
Analyse der Verbraucherrechtsorganisation foodwatch. Demnach fehlt
dem gesamten Verfahren vom Beschluss der Verhandlungsmandate über die
Transparenz der Verhandlungen bis hin zur Verabschiedung der Abkommen
eine ausreichende demokratische Legitimation. Zudem werden mit den
Verträgen Bindungen eingegangen, die die Befugnisse von Parlamenten
in der Zukunft beschneiden und damit den Wert einer Stimme bei
Bundestags- oder Europawahlen reduzieren.
"CETA und TTIP nehmen anders als klassische Freihandelsabkommen
entscheidenden Einfluss auf die Weiterentwicklung wichtiger
gesellschaftspolitischer Bereiche - jedoch ohne die erforderliche
demokratische Legitimation. Die gewählten Parlamente spielen weder
bei den Verhandlungen noch bei der Verabschiedung der Verträge und
erst recht nicht bei künftiger Regulierung im Rahmen der Verträge
eine angemessene Rolle. Damit verletzen CETA und TTIP das
Demokratieprinzip und schwächen die demokratische Teilhabe der
europäischen Bürger an politischen Entscheidungen. CETA und TTIP sind
eine Gefahr für die Demokratie", fasste foodwatch-Geschäftsführer
Thilo Bode seine Kritik zusammen.
Mit einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis ruft foodwatch
für den kommenden Samstag zu einer bundesweiten Großdemonstration
gegen die Abkommen CETA zwischen EU und Kanada sowie TTIP zwischen EU
und USA auf (10.10.2015, Beginn 12 Uhr am Washingtonplatz am Berliner
Hauptbahnhof).
Die foodwatch-Analyse zeigt in 7 Thesen die Gefahren der beiden
Freihandelsabkommen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Sie wurde
in den vergangenen Monaten mit den Anregungen zahlreicher Staats- und
Völkerrechtler sowie weiterer Juristen erarbeitet.
Die Thesen in Kurzform:
1. Die Aufnahme von Verhandlungen über CETA und TTIP ist nicht
ausreichend demokratisch legitimiert. Am Beschluss des
Verhandlungsmandates und damit den Vorfestlegungen für die
Verhandlungen war kein Parlament beteiligt - obwohl die Abkommen,
anders als klassische Freihandelsverträge, weitreichenden Einfluss
auf gesellschaftspolitische Bereiche haben werden.
2. Die Verhandlungsführung verstößt gegen das Demokratieprinzip.
Es fehlt die Transparenz, weil noch nicht einmal Abgeordnete so viele
Verhandlungspapiere zu sehen bekommen, dass sie den Stand der
Gespräche nachvollziehen können. Eine solche demokratische
Rückkopplung und ein öffentlicher Diskurs sind jedoch geboten, wenn
es nicht nur um Zölle, sondern um gesellschaftspolitische Regulierung
geht.
3. Die geplanten Schiedsgerichte unterminieren den Rechtsstaat und
schwächen die staatliche Souveränität. Auch die jüngsten
Kompromissvorschläge von EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström
ändern nichts daran: Für ausländische Konzerne soll eine Sonderjustiz
nach Handelsrecht eingerichtet werden - diese werden sie nutzen, um
Staaten auf Schadenersatz zu verklagen, wenn sie sich auf diesem Weg
mehr Hoffnung auf Erfolg machen als vor ordentlichen Gerichten.
4. Der Einfluss von Wählern und Abgeordneten auf zukünftige
Standards wird nicht größer, sondern kleiner. Wie alle
völkerrechtlich bindenden Verträge werden TTIP und CETA die
Spielräume der Gesetzgeber einengen. Zum Problem wird das, weil die
Verträge so weit in gesellschaftspolitische Bereiche hineinwirken: In
Zukunft wird eine Verbesserung von Standards, ob bei
Lebensmittelgesetzen, Landwirtschaft oder Umweltschutz, nur möglich
sein, wenn dies TTIP- und CETA-kompatibel ist oder die USA bzw.
Kanada zustimmen. Parlamentarier können also nicht mehr so frei über
Standards entscheiden wie bisher, ihr Einfluss wird beschränkt. In
dem Maße, in dem der Einfluss der Volksvertreter schwindet, verliert
auch das Wahlrecht der Bürger an Wert.
5. Wichtige Regelungen können ohne Beteiligung der Parlamente
verabschiedet werden. Im Zuge der sogenannten regulatorischen
Kooperation mit den USA bzw. Kanada sollen eigens eingerichtete
Ausschüsse auch völkerrechtlich bindende Entscheidungen treffen und
Annexe zu den Abkommen ändern können. Besetzt sind die Ausschüsse mit
Vertretern der Exekutive, etwa von Regulierungsbehörden. Eine
Parlamentsbeteiligung ist nach dem CETA-Entwurf und nach den bekannt
gewordenen TTIP-Texten nicht geplant.
6. CETA und TTIP verkleinern Europas Spielraum bei der Gestaltung
der Globalisierung. Die Abkommen unterliegen den Bestimmungen der
Welthandelsorganisation WTO, gehen aber über diese hinaus. Sie
schränken damit den völkerrechtlichen Rahmen für Regulierung weiter
ein. Das heißt: Eine neue Regulierung für mehr Umweltschutz oder
Verbraucherrechte könnte, auch wenn sie nach WTO-Recht möglich wäre,
nach TTIP unzulässig sein. Die EU verkleinert damit ihre
Möglichkeiten, den Welthandel und damit die Globalisierung über die
Fortentwicklung des WTO-Rechts mitzugestalten.
7. Bei der Verabschiedung der Abkommen haben die Parlamente nur
eingeschränkte Rechte. EU-Parlament und wohl auch nationale
Abgeordnete müssen die Verträge zwar ratifizieren. Doch Änderungen an
den Texten dürfen sie nicht durchsetzen, sie können nur mit Ja oder
Nein stimmen - das ist unzureichend angesichts der im Vorfeld
verhinderten Beteiligung der Volksvertreter an der Debatte über die
Vertragsinhalte. Hinzu kommt: Auch ohne Beschluss der nationalen
Parlamente kann die Europäische Kommission die Verträge vorläufig zur
Anwendung bringen. Ihre Bestimmungen sind dann bis auf Weiteres voll
gültig und rechtskräftig - ohne vorheriges Votum der Volksvertreter.
Link:
- Informationen zur bundesweiten Stopp-TTIP-Demo am 10.10. in
Berlin: www.ttip-demo.de
Redaktionelle Hinweise:
- foodwatch-Hintergrundpapier zu den Auswirkungen von TTIP und
CETA auf die Demokratie: http://tinyurl.com/ttip-demokratie
Pressekontakt:
foodwatch e.V.,
Martin Rücker
E-Mail: presse(at)foodwatch.de
Tel.: +49 (0)30 / 24 04 76 - 290
Am Samstag während der Demo: +49 (0) 1 74 / 3 75 16 89