(ots) - Man sollte dem türkischen Präsidenten Erdogan nicht
unterstellen, dass er den Zustrom hunderttausender syrischer
Flüchtlinge über die griechischen Inseln nach Europa angeschoben
hätte. Dass er seine Schlüsselfunktion in dieser Krisensituation aber
genüsslich ausnutzen will, mag er allerdings nicht verbergen. Im
Gegenteil. Sein Auftritt in Brüssel hatte etwas Triumphales: "Seht
her, ohne mich werdet Ihr diesen Zustrom, der Deutschland, Schweden
und andere Länder langsam überfordert und die EU zu spalten droht,
nie in den Griff bekommen", ließ er seine Gestik und Mimik sprechen,
während ihm Ratspräsident Tusk, Kommissionspräsident Juncker und
Parlamentspräsident Schulz den Hof machten. Und natürlich gab er den
Europäern noch keine Zusagen für den zwischen Brüssel und Ankara
diskutierten Aktionsplan. Er wird sie mindestens bis zur türkischen
Parlamentswahl zappeln lassen, um sich nicht nur international so
teuer wie möglich zu verkaufen, sondern seine Schlüsselstellung auch
für den zweiten Anlauf zum Parlamentssieg seiner AKP zu nutzen.
Selten war Realpolitik schmerzlicher als in diesem Fall. Mit einem
Mal sind die Missachtung der Pressefreiheit oder die Festnahmen
unbotmäßiger Richter und Staatsanwälte trotz weiter laufendem
Beitrittsgesuch zur EU nur noch türkische Innenpolitik. Der
Sündenfall aber wird im Verrat an den Kurden liegen, wenn die EU die
Türkei als sicheren Drittstaat anerkennt. So wahr es ist, dass ein
guter Teil der Flüchtlinge, die zur Zeit zu uns kommen, keinen
Anspruch auf Asyl haben, so sicher werden mit diesem Schritt Anwärter
davon ausgeschlossen, die darauf dringend angewiesen sein werden.
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