PresseKat - MEDIENTAGE MÜNCHEN 2015 vom 21. bis 23. Oktober Digitale Disruption: Qualität statt 24/7-Byte-Geb

MEDIENTAGE MÃœNCHEN 2015 vom 21. bis 23. Oktober

Digitale Disruption: Qualität statt 24/7-Byte-Geballer

ID: 1278678

(ots) - Ilse Aigner, Bayerische Staatsministerin für
Wirtschaft und Medien, Energie und Technologie, hat zum Auftakt der
MEDIENTAGE MÃœNCHEN medienpolitische Eckpunkte der Bayerischen
Staatsregierung für die digitale Medienzukunft genannt: Es gehe
darum, Medienförderung als Gründerförderung zu begreifen, eine
zeitgemäße Regulierung zu schaffen, bei der Filmförderung neue
Akzente zu setzen und die Medienvielfalt so zu stärken, dass auch
lokale TV-Programme überall empfangen werden können. Aigner
bezeichnete die Digitalisierung als "große Umwälzung", in deren Folge
Wertschöpfungsketten vernetzt und Branchengrenzen verschwimmen
würden. "Die digitale Disruption macht vor den Medien nicht halt",
sagte die Medienministerin. In der Internetökonomie würden neue
Marktformen und Wertschöpfungen die traditionellen Medien zu einem
permanenten Lern- und Veränderungsprozess zwingen.

Politisch gelte es nun, die Vielfalt der Medien in einem modernen
Umfeld zu sichern, lautete Aigners Credo. Im Rahmen der Strategie
Bayern Digital sollen deshalb nach dem Vorbild des Münchener
Gründerzentrums Werk1.Bayern in allen bayerischen Regierungsbezirken
digitale Inkubatoren entstehen. Entsprechende Ausschreibungsverfahren
sollen Anfang 2016 erfolgen. Außerdem werde das
Wirtschaftsministerium mit einem sogenannten Digitalbonus zwanzig
Millionen Euro für die Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen
bereitstellen, um sie bei neuen Geschäftsmodellen oder der
Verbesserung ihrer IT-Systeme zu unterstützen. Zentrale Ziele der
Regulierung müssten Rechtssicherheit und Chancengleichheit sein,
betonte die Ministerin. Mit dem neuen Bayerischen Mediengesetz
sollten Genehmigungsverfahren vereinfacht werden,
Konzentrationsrichtlinien gelockert und Kooperationen ermöglicht
werden. Voraussichtlich noch in diesem Jahr werde außerdem ein




konkretes Arbeitsprogramm beschlossen, weil die Regierungschefs der
Bundesländer gemeinsam mit Vertretern des Bundes neue Vorschläge für
eine konvergente Medienordnung erarbeiten wollen. Das geltende
Medienkonzentrationsrecht müsse wegen "seiner Fernsehzentrierung"
verändert werden, forderte Aigner. Zugleich müsse die Existenz von
Anbietern gesichert werden, deren Programme von öffentlichem Wert
seien. Im globalen Wettbewerb müssten regionale und nationale Inhalte
geschützt und marktbeherrschende Stellungen einzelner Anbieter
verhindert werden.

Für die Filmförderung in Bayern kündigte Aigner an, dass die
Höchstfördersummen angehoben würden und künftig auch mehrere Projekte
gleichzeitig im Rahmen der Projektentwicklungsförderung beantragt
werden können. Darüber hinaus sollen vom FilmFernsehFonds Bayern
verstärkt transmediale und digitale Erzählformen gefördert werden.
Mehr Geld gebe es auch für Produktionen mit Computer-generierten
Visual Effects. Weitere Förderung versprach die Ministerin außerdem
zugunsten der Verbreitung lokaler und regionaler TV-Programme, die
das Bayerische Staatsministerium für Wirtschaft und Medien, Energie
und Technologie zurzeit jährlich mit neun Millionen Euro unterstützt.

Die Digitalisierung bedeutet für Medienpolitik und -regulierung,
Medienunternehmen und -nutzer eine große Herausforderung. Siegfried
Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien
und Vorsitzender der Gesellschafterversammlung MEDIENTAGE MÃœNCHEN,
sagte, es gehe "um radikale Veränderungen im Hinblick auf
Technologien, Produkte und Dienstleistungen, durch die die
Spielregeln in den Märkten verändert werden". Häufig begännen
disruptive Innovationen mit Nischenprodukten, durch die ein Prozess
in Gang gesetzt werde, an dessen Ende möglicherweise die Regeln einer
Branche neu definiert würden. Für die klassischen Medienunternehmen
gehe es nun darum, die jüngeren Rezipienten nicht an die Online-Welt
zu verlieren. Die normative Vorgabe für die Gestaltung einer offenen
Mediengesellschaft formulierte Schneider wie folgt: "Es muss uns
gemeinsam gelingen, durch eine intelligente Regulierung einen
weitgehenden Ausgleich zwischen gesellschaftspolitischen und
wirtschaftlichen Interessen zu schaffen und damit sowohl eine
gelingende öffentliche Kommunikation sicherzustellen, als auch neue
digitale Geschäftsmodelle zu ermöglichen." Prof. Dr. Miriam Meckel,
Chefredakteurin der Wirtschaftswoche, fasste in ihrer Keynote zum
Kongress-Motto "Digitale Disruption. Medienzukunft erfolgreich
gestalten" das Problem von Online-Geschäftsmodellen wie folgt
zusammen: Die Onlinewerbung wachse, aber ersetze noch längst nicht
die Einbrüche im klassischen Werbegeschäft. Immer mehr Nutzer
reagierten ablehnend auf das Werbebombardement mit Pop-ups, Bannern
und Videos. Zuviel Werbung aber gefährde auf Dauer das Internet. Sie
sei "unkreativ zerstörend" und habe viele Websites in "Resterampen
der digitalen Zerstreuung" verwandelt. Meckel kritisierte, im World
Wide Web herrsche "Reizüberflutung statt Qualitätsbotschaften". Sie
nannte die Non-Stopp-Werbeflut ein "24/7-Byte-Geballer" und forderte,
mehr kreative Energie auf gute Werbung, auf ästhetische Reize, auf
ansprechende und faszinierende Botschaften zu richten. Gefragt seien
Werbeformen, "die nicht nerven" und die auf einzelne Nutzer
zugeschnitten seien. Die Kommunikationswissenschaftlerin und
Chefredakteurin der Wirtschaftswoche mahnte generell mehr Qualität im
Internet an. Wichtiger als Klickraten seien Verweildauer und
Interaktion. Auf Dauer gehe es nicht um die Bedienung kurzfristiger
Bedürfnisse "im Dreiklang individuell, schnell, bequem". Vielmehr
müsse Online-Journalismus das Ziel haben, Unterschiedliches zu
verbinden, Kontroversen offen zu legen, zu recherchieren und zu
kritisieren. Statt einer Industriealisierung von Dareichungsformen
und Inhalten seien kreative Inhalte notwendig, die das menschliche
Gehirn herausfordern, wünschte sich Meckel einen positiv gestalteten
Wandel von Wirtschaft und Gesellschaft. Wer nicht Ziel, sondern
"Treiber der digitalen Informationswirtschaft" sein wolle, der dürfe
nicht weiter zulassen, dass unser Gehirn mit Massenware überflutet
werde, lautete Meckels eindringlicher Appell. Wichtig sei, dass
Medienunternehmen etwas Neues machen und nicht das gängige
Geschäftsmodell der Online-Werbung "bis zum letzten Tropfen
ausquetschen".

Wie sich Online-Inhalte auch ohne Werbung finanzieren lassen,
erläuterte Roy Price. Der Vice President der Amazon Studios erklärte
zum Auftakt des TV-Gipfels der MEDIENTAGE MÃœNCHEN, Streaming und
Video on Demand bedeuteten für Nutzer, die einen festen Monatsbetrag
bezahlen, eine zeit- und ortsunabhängige Auswahl. Die Kunden von
Amazon Prime würden nach Serien suchen, die mehr bieten könnten als
normale TV-Programme. "Attraktiv ist, was die Regeln bricht", verriet
Price und verwies auf die zehn Emmys, die Amazon in diesem Jahr
gewinnen konnte. Bei der Projektierung neuer Produktionen würden
Algorithmen helfen, die auf Nutzer-Daten basierten, schilderte der
Amazon-Manager den Entwicklungsprozess neuer Serien und Filme.
Wichtiger aber seien "supertalentierte Filmemacher", die viel
"Leidenschaft für Neues" mitbringen müssten. Außerdem hätten bei
allen 61 bisher realisierten Eigenproduktionen Nutzer die Möglichkeit
gehabt, Feedback auf Pilotfolgen zu geben. Realisiert worden seien
immer nur Serien oder Filme, auf deren Pilot-Präsentationen Zuschauer
"leidenschaftlich reagiert" hätten.

Moderator und Entertainer Thomas Gottschalk wollte bei der
Gipfel-Podiumsdiskussion ausloten, ob sich mit Streaming-Diensten und
Video on Demand per Internet das Ende der Fernseh-Ära ankündigt.
Kelly Day, Chief Digital Officer von AwesomenessTV, zeigte sich
selbstbewusst. "Wir schaffen die Zukunft des Fernsehens", beschrieb
die Managerin das Konzept von AwesomenessTV. Das Unternehmen startete
als YouTube-Kanal und entwickelte sich zum Multi-Channel-Network.
Inzwischen werden eigene Serien, Filme und Shows für die Zielgruppe
der Kinder und jungen Jugendlichen produziert. "Wir haben
festgestellt, dass Kinder dem Medium Fernsehen nicht sehr treu sind",
warnte Day die klassische TV-Branche vor einem Generationenabriss.
Jay Marine, Vice President Amazon Instant Video EU, unterstrich,
junge Leute hätten eine eigene Art, Medien zu nutzen. Sie würden
Videos weniger lange ansehen als ältere Zuschauer. Amazon Prime
verfüge über Inhalte für alle Altersgruppen, stehe aber "noch ganz am
Anfang". Fred Kogel, der im Vorstand von Constantin Medien für
Produktion, Prozessmanagement und Integration zuständig ist, riet
dazu, im Kräftespiel von TV und World Wide Web beide Welten zu
bedienen. Amazon Prime biete zwar ein "herausragendes Programm".
Streaming-Anbieter müssten aber erst noch beweisen, dass sie
dauerhaft Erfolg haben könnten. Die Netflix-Produktion "House of
Cards" sei ein "grandioser Marketing-Erfolg" gewesen, von den
Abrufzahlen her aber handle es sich um eine "globale Nische".
Wolfgang Link, Vorsitzender der Geschäftsführung von ProSiebenSat.1
TV, ergänzte, die Marktanteile der zweiten Staffel von "House of
Cards" seien im Free TV "kaum noch messbar" gewesen. "Das lineare
Fernsehen wird es noch lange geben", wollte auch Link nichts vom Ende
der TV-Ära wissen. ProSiebenSat.1 produziere jedoch längst für alle
Plattformen. Dr. Norbert Himmler, Programmdirektor des ZDF, lobte die
"sehr lebendige Produzentenlandschaft" in Deutschland, allerdings
fehlten gute Serien. Streaming-Dienste seien mit US-Serien sehr
erfolgreich. Dies dürfe aber nicht dazu führen, dass künftig
Algorithmen über das Programm bestimmen könnten. In das Geschäft mit
TV-Serien wird im nächsten Jahr auch Sky Deutschland einsteigen.
Geschäftsführer Carsten Schmidt freute sich, Sky komme nun "endlich
an die Sonne" und habe zum Beispiel entscheidenden Anteil bei der
Etablierung des mobilen Fernsehens in Deutschland gehabt. Im Laufe
der Diskussion wurde deutlich, dass Amazon & Co. intelligente
Unterhaltungsformate anstreben, damit aber keinen Bildungsauftrag
verbinden. ZDF-Programmdirektor Himmler betonte in diesem
Zusammenhang, öffentlich-rechtliches Fernsehen wolle hingegen auch
bilden und versuche beispielsweise, fiktionale Stoffe durch
entsprechende Dokumentationen zu ergänzen.

Weitere Informationen: www.medientage.de



Pressekontakt:
Medientage München
Anja Kistler
Telefon: 089/68999250
Fax: 089/68999199
anja.kistler(at)medientage.de


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Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel gegen staatlichen Eingriff in puncto Mediaagenturen
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Datum: 21.10.2015 - 16:29 Uhr
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