(ots) -
Bis 2020 wird der Anteil von digital aktiven Kunden weltweit auf
79 Prozent steigen
- Der Onlineanteil am Neugeschäft wird sich in diesem Zeitraum
mehr als verdoppeln
- Die Digitalisierung erfasst sämtliche Elemente der
Wertschöpfungskette, die stärksten Veränderungen werden im
Schadensbereich erwartet
- Die Hälfte der Unternehmen hat keine Digitalisierungsstrategie
- Der Bain-Digitalisierungsindex deckt Rückstände auf
Weltweit kämpfen Versicherer mit Ausmaß und Geschwindigkeit der
Digitalisierung. Laut dem "Global Digital Insurance Benchmarking
Report 2015" der internationalen Managementberatung Bain & Company
fehlen noch rund 60 Prozent der Unternehmen zentrale Elemente für
eine erfolgreiche digitale Transformation. Dazu gehören ein klares
digitales Zielbild inklusive Fahrplan oder ein umfassendes
Verständnis der Risiken.
Der rasante Wandel im Kundenverhalten gibt den Takt für die
Digitalisierung an. In der letztjährigen Bain-Kundenstudie, für die
160.000 Versicherungsnehmer in 18 Ländern befragt wurden, erklärten
79 Prozent, dass sie in den kommenden fünf Jahren digitale Kanäle für
Interaktionen mit ihrem Versicherer nutzen wollen - von der
Informationsbeschaffung über Service bis hin zur Schadensmeldung.
Heute liegt der Wert bei 44 Prozent. In Deutschland wird ein Anstieg
von 50 auf 78 Prozent erwartet.
Darauf sind viele Versicherer nur bedingt vorbereitet. Anders als
im Handel oder Retail-Banking wirken diese Veränderungen im
langfristig angelegten Versicherungsgeschäft zeitverzögert. Der
aktuellen Studie zufolge, für die Bain mehr als 70 Versicherer
befragt hat, soll der Anteil der online verkauften Policen von 8
Prozent in Leben und 10 Prozent in Sach in den nächsten fünf Jahren
auf 15 beziehungsweise 23 Prozent steigen. Noch deutlicher verändern
sich die anderen Wertschöpfungsstufen. So erwarten die Unternehmen,
dass die Nutzung digitaler Medien in der Schadensabwicklung um 31 und
im Service um 26 Prozentpunkte zunimmt - zulasten traditioneller Wege
über Agenturen oder Servicecenter. Nahezu die Hälfte der
Versicherungsunternehmen hat jedoch nach eigenem Bekunden keine
Digitalisierungsstrategie.
"Viele Versicherer schaffen es kaum, mit ihren Kunden mitzuhalten,
geschweige denn ihre Strategie für das digitale Zeitalter zu
entwickeln", erklärt Dr. Henrik Naujoks, Leiter der europäischen
Praxisgruppe Finanzdienstleistungen bei Bain & Company und Autor der
Studie. "Das öffnet einer neuen Generation technologieaffiner
Unternehmen Tür und Tor, in diesen über Jahrzehnte abgeschotteten
Markt einzudringen." Gerade in den angelsächsischen Ländern greifen
Start-ups immer häufiger in die lukrativen Bereiche der
Assekuranz-Wertschöpfungskette ein oder besetzen die Schnittstelle
zum Kunden.
Digitalisierungsindex deckt Rückstände auf
Die Defizite der etablierten Häuser deckt der eigens für die
Studie entwickelte Index auf, der die Fortschritte bei der
Digitalisierung misst. Sach- wie Lebensversicherer erreichten im
Durchschnitt weniger als 50 von 100 möglichen Punkten (Abb. 1). Der
Nachholbedarf ist demzufolge groß. Nur bei 40 Prozent der Sach- und
einem Drittel der Lebensversicherer lassen sich Transaktionen in
einem Kanal beginnen und in einem anderen abschließen. Diese
Barrieren resultieren aus der vielerorts fehlenden Automatisierung
und dem Silodenken der Vergangenheit. Selbst das Ausstellen und
Verlängern von Policen geschieht bei vielen Versicherern noch
händisch, und Papierdokumente müssen erst einmal elektronisch erfasst
werden.
Die sechs Dimensionen eines voll digitalisierten Versicherers
Die digitale Transformation adressiert sechs Bereiche, in denen
die Versicherer Chancen und Herausforderungen systematisch angehen
können.
1. Verbesserte digitale Kundenreise. Nur rund die Hälfte der
Versicherungen hat bisher spezifische Angebote für ihre digitalen
Kanäle. In den nächsten Jahren erwarten Kunden wie Anbieter eine
deutliche Verschiebung in Richtung Online- und mobile Kanäle - und
damit weg vom Callcenter und dem persönlichen Gespräch. Die
Versicherer müssen ihre traditionellen Kanäle auf diese Veränderung
vorbereiten.
2. Omnikanal-Vertriebs- und Servicemodell. Die Versicherer rechnen
in den nächsten fünf Jahren mit einer Verdopplung des Neugeschäfts
über digitale Kanäle. Dadurch steigen auch die Anforderungen an die
Vernetzung der Systeme. Das wirft grundsätzliche Fragen zur Produkt-,
Preis- und Provisionspolitik auf und verlangt von den Häusern
Omnikanal-Fähigkeiten.
3. Optimierter Betrieb durch digitale Technologien. Die
durchgängig automatisierte Bearbeitung hält Einzug im Betrieb. Viele
Versicherer bearbeiten Daten jedoch noch immer manuell. Nur 36
Prozent der Sachversicherer erfassen Kundendaten bereits elektronisch
und verfügen über durchgängig automatisierte Prozesse
("Straight-through Processing"). In den nächsten fünf Jahren erwarten
die Unternehmen einen Anstieg von automatisiertem Underwriting und
Schadensmanagement um 20 Prozentpunkte.
4. Stärkere Nutzung von Advanced Analytics und Big Data. Bisher
wird Advanced Analytics noch nicht in allen Versicherungsbereichen
eingesetzt. Die Unternehmen geben jedoch an, ihre Investitionen für
Big-Data-Analysetechnologien in den nächsten fünf Jahren um jährlich
24 Prozent in Leben und 27 Prozent in Sach steigern zu wollen.
5. Informationstechnologie für die digitale Transformation. Viele
Versicherer erwarten, dass die Bedeutung von IT-Investitionen in den
nächsten fünf Jahren zunehmen wird. So wollen die Lebensversicherer
ihre IT-Ausgaben in diesem Zeitraum gemessen am Prämienvolumen von
heute durchschnittlich 3,8 auf 5,5 Prozent steigern, die
Sachversicherer von 3,7 auf über 4 Prozent. Der größte
Investitionsbedarf besteht bei Big-Data-Analysetechnologien, der
digitalisierten Kundenreise und bei End-to-End-CRM-Systemen.
6. Eine agile, innovationsfähige Organisation. Die digitale
Transformation kommt bei den Versicherern unterschiedlich voran. Rund
40 Prozent der Transformationen in Leben und 25 Prozent in Sach
erreichen weniger als die Hälfte der selbstgesteckten Ziele. Die
größten Bedenken bestehen bei der Erfüllung regulatorischer Vorgaben
und im Risikomanagement. Die digitale Transformation erfordert auch
ein agileres Verhalten. Schnellere Produktentwicklung, Einsatz von
neuen Methoden wie Rapid Prototyping oder "Test and Learn" sowie eine
offene Fehlerkultur gehören dazu. Die Hälfte der Versicherer hat
Innovationsteams, aber nur rund 40 Prozent beziehen ihre Kunden und
Vertriebspartner im Vorfeld ein. Etwa 50 Prozent der
Versicherungsunternehmen messen den Erfolg ihrer Innovationen.
"Kein Versicherer ist in jeder Dimension führend, einige aber sind
es bereits in einer oder zwei", betont Dr. Florian Mueller,
Versicherungsexperte bei Bain & Company und Co-Autor der Studie. "Die
Unternehmen kennen ihren Nachholbedarf und werden investieren. Um
wettbewerbsfähig zu bleiben, müssen sie in jeder Dimension
Fähigkeiten aufbauen."
Basierend auf den Benchmarking-Ergebnissen hat Bain vier Wege
identifiziert, die die befragten Versicherer für ihre digitale
Transformation eingeschlagen haben (Abb. 2):
- Advanced Analyzer. Rund ein Drittel der Befragten setzt auf den
Ausbau analytischer Fähigkeiten. Big Data spielt dabei eine
wichtige Rolle.
- Digital Distributor. 20 Prozent der Anbieter gelingt es, die
Grenzen zwischen analoger und digitaler Welt zu überwinden. Der
Lohn ist eine höhere Kundentreue.
- Customer-centric Insurer. Loyale Kunden sind das Ergebnis der
konsequenten Ausrichtung des Geschäftsmodells an den
Bedürfnissen der Versicherten. Diesen Weg haben sechs Prozent
der befragten Unternehmen gewählt.
- Effective Operator. Rund zehn Prozent der Versicherer nutzen
digitale Werkzeuge vor allem, um Prozesse zu verschlanken und zu
automatisieren. Im Wettbewerb haben sie so die bessere
Kostenstruktur.
Ein Fünftel der Befragten beschreitet bisher keinen dieser Wege
und verharrt auf einem niedrigen Digitalisierungslevel. "Je nach
Ausgangslage muss jede Versicherung ihre maßgeschneiderte Strategie
dahingehend entwickeln, Mindeststandards zu erreichen oder sich zu
differenzieren", bilanziert Bain-Partner Naujoks. "Nur Stillstand
verbietet sich. Denn die Innovationen von heute sind der Standard von
morgen."
Zur Infografik:
http://www.bain.com/infografiken/versicherung-der-zukunft/
Pressekontakt:
Leila Kunstmann-Seik
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