(ots) - Der Hörfunk steht in Deutschland vor einem
tiefgreifenden Umbruch. Die Digitalisierung, die ungleiche
Kräfteverteilung im dualen System, die Entwicklung auf dem Werbemarkt
wie auch die wachsende Konkurrenz des Internets stellen die Akteure
vor große Herausforderungen. Wie diese zu bewältigen sind,
diskutierten Vertreter von privaten und öffentlich-rechtlichen
Rundfunkveranstaltern und der Medienpolitik unter der Moderation von
DWDL-Chefreporter Torsten Zarges auf dem VPRT-Panel "Die
Radio-Agenda: Steht das duale Rundfunksystem vor dem Kollaps?" am 22.
Oktober 2015 auf den Medientagen München.
In seinem Impulsreferat verglich Rechtsanwalt Prof. Dr. Thomas
Hirschle die derzeitige Umbruchsituation mit der im Jahr 1985, als
der private Hörfunk eingeführt wurde - mit einem Unterschied: In der
Politik sei damals jedem klar gewesen, dass das duale System
ordnungspolitisch abgesichert werden müsse. Heute fehle dieses
Problembewusstsein der Ordnungspolitik, so Hirschle. Derzeit sieht er
zwei bedrohliche Entwicklungen für den privaten Hörfunk: Zum einen
nutze der öffentlich-rechtliche Rundfunk die Digitalisierung gezielt
für einen Ausbau seiner Programme. Die privaten Anbieter könnten dem
nichts entgegensetzen. "Während die Finanzierung über den
Rundfunkbeitrag zwar eng bemessen, aber insgesamt gesichert ist,
steht die Klärung der Finanzierung für die privaten Anbieter noch
aus", so Hirschle. Der Umstieg in die digitale Welt sei bisher eine
Abfolge unkoordinierter Einzelaktivitäten nach den jeweiligen
tagespolitischen Notwendigkeiten und kein strategisch geplanter
Gesamtprozess", beklagt er. So liege die zweite Gefahr darin, dass
die zufälligen Ergebnisse dieser ungesteuerten Entwicklung die
Grundlage der künftigen Strukturen des dualen Systems im digitalen
Zeitalter bildeten.
Klaus Schunk, Vorsitzender des Fachbereichs Radio und Audiodienste
im VPRT, sieht eine massive Schieflage im dualen Hörfunksystem. "Wir
können nicht mit der Regulierungsdichte aus dem letzten Jahrhundert
in die digitale Zukunft starten", so Schunk. "Wenn wir gestalten und
auch für die nächsten drei bis fünf Jahre planen wollen, müssen wir
die Kleinstaaterei überwinden." Der private Hörfunk sei nur dann
gleichberechtigt und konkurrenzfähig, wenn es verlässliche
ordnungspolitische Rahmenbedingungen gebe. Er fordert einen
Radio-Staatsvertrag, um einen ordnungspolitischen Gesamtrahmen für
den Hörfunk zu schaffen.
Rainer Robra, Chef der Staatskanzlei und Minister für Europa- und
Medienangelegenheiten des Landes Sachsen-Anhalt, sagte: "Das Thema
Radio muss in der Politik einen höheren Stellenwert bekommen, als es
aktuell hat." Für ihn sei es an der Zeit, in der Rundfunkkommission
eine Arbeitsgruppe Radio einzurichten. Gerade im Bereich der Werbung
sieht er Verwerfungen, die von der Politik beachtet werden müssten.
Carsten Neitzel, Sprecher der Geschäftsführung von Radio Hamburg,
forderte ein wettbewerbsgerechtes Preisniveau, das Luft für neue
Innovationen schaffe. Er beklagte, dass sich das Radio unter Wert
verkaufe. "Wenn wir Schritt halten wollen, dann müssen wir mehr Geld
generieren", so Neitzel. Schließlich erreiche das Radio jeden Tag
fast 10 Millionen Menschen und könnte damit noch einen höheren Anteil
an den Umsätzen im Werbemarkt erzielen. Das 60-Minuten-Modell des NDR
habe aber in Hamburg zu einer vernünftigen Situation der
Preisstellung geführt.
Auch Siegfried Schneider, Präsident der Bayerischen Landeszentrale
für neue Medien (BLM), hält das NDR-Modell der 60-Minuten-Regelung,
mit der die Werbezeiten der öffentlich-rechtlichen Sender begrenzt
werden sollen, für den richtigen Weg. Für die öffentlich-rechtlichen
Sender sei Werbung nicht existenziell, für die privaten schon. Auch
beim Thema DAB sieht er die öffentlich-rechtlichen Sender im
Startvorteil: Sie bekämen Geld von der KEF und man erwarte, dass die
Privaten mitzögen.
Dr. Heinz-Dieter Sommer, Hörfunkdirektor des Hessischen Rundfunks,
macht sich keine Sorgen um die Stabilität des öffentlich-rechtlichen
Systems. Der Übergang in die digitale Zukunft könne nur gemeinsam mit
den privaten Sendern gestaltet werden, deren Kreativität und die
Leistungsfähigkeit er schätze. Einen Radio-Staatsvertrag halte er
aber nicht für notwendig, da der Hörfunk eine regionale und lokale
Sache sei. Auch die ARD plane kein nationales Radio, so Sommer.
Hinweis: Das Impulsreferat von Prof. Dr. Thomas Hirschle wird auf
www.vprt.de veröffentlicht.
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Der VPRT ist die Interessenvertretung der privaten Rundfunk- und
Telemedienunternehmen. Mit ihren TV-, Radio-, Online- und
Mobileangeboten bereichern seine rund 150 Mitglieder Deutschlands
Medienlandschaft durch Vielfalt, Kreativität und Innovation. Damit
das auch in der digitalen Welt so bleibt, müssen die regulatorischen,
technologischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen stimmen. Als
Wirtschaftsverband unterstützen wir unsere Unternehmen im Dialog mit
Politik und Marktpartnern beim Erreichen dieses Ziels - national und
auf EU-Ebene.
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