(ots) - Das Wal- und Delfinschutz-Forum (WDSF) hatte
aufgedeckt, dass Delfinen im Nürnberger Tiergarten fortlaufend
Psychopharmaka, Antibiotika und über 30 andere Medikamente
verabreicht wurden. Das WDSF stellte Strafanzeige bei der
Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth und informierte das Bayerische
Staatsministerium (STMUV) über den Medikamentenskandal. Sämtliche
nachgewiesenen Vorwürfe seien laut WDSF bis heute unter den Tisch
gekehrt worden. Jetzt veröffentlicht das WDSF auf seiner Homepage
aktuelle Zahlen und interveniert erneut bei den Aufsichtsbehörden.
Auf Veranlassung des Staatsministeriums wurde nach der
WDSF-Eingabe am 27. Juli 2012 das Landesinstitut für Gesundheit und
Lebensmittelsicherheit (LGL) beauftragt, "in Abstimmung mit dem
Veterinäramt der Stadt Nürnberg eine tierschutz- und
tierarzneimittelrechtliche Kontrolle im Tiergarten Nürnberg
vorzunehmen und dem Staatsministerium im Anschluss daran zu
berichten".
Das LGL übermittelte am 2. November 2012 dem Staatsministerium,
der Regierung von Mittelfranken und dem Veterinäramt in Nürnberg
seinen 19-seitigen Abschlussbericht der Überprüfung der Vorwürfe nach
einer Ortsbegehung im Tiergarten. Eingangs heißt es dort: "Das Datum
der Begehung war vier Wochen vorher angekündigt worden, damit die
erforderlichen Ansprechpartner zur Verfügung stehen können."
Es ergaben sich Feststellungen, die jetzt im Oktober durch die
TV-Sendung "Mario Barth deckt auf" und in der aktuellen Ausgabe des
Magazin Stern aufgegriffen wurden. Die Akteninhalte mit dem
LGL-Bericht waren dem WDSF erst im Sommer dieses Jahres auf
ausdrückliche Anforderung übermittelt worden. Das LGL schreibt in
seinem Bericht: "Bei der arzneimittelrechtlichen Überprüfung wurde
festgestellt, dass entgegen den Angaben des Tiergartens mindestens
drei Delfine Diazepam zur Behandlung von Verhaltensproblemen erhalten
haben. Aus Sicht des Tierschutzes ist eine dauerhafte Haltung von
Tieren nicht verhaltensgerecht, wenn sie nur mit Einsatz von
Medikamenten zur Beruhigung möglich ist."
Das WDSF hatte ermittelt, dass in einem Zeitraum von weniger als
fünf Jahren im Tiergarten fast allen Delfinen insgesamt über 10.000
Milligramm des Psychopharmaka Diazepam und zusätzlich über 1.000
Kapseln des Beruhigungsmittel Serenin verabreicht wurden.
Schwerpunktmäßig wurden zwei Delfine behandelt.
Am 21. März 2013 fand nach Mitteilung des LGL "eine Besprechung zu
strittigen Punkten des Kontrollberichts mit Vertretern des
Veterinäramtes und des Ordnungsamtes der Stadt Nürnberg, der
Regierung von Mittelfranken, dem LGL und dem Tiergarten Nürnberg
statt."
Das Besprechungsergebnis, das vom WDSF jetzt auf seiner Homepage
veröffentlicht wird, kehrt nach Ansicht der Tierschutzorganisation
"so ziemlich alles unter den Tisch, was vorher aufgedeckt worden
war." Die Angaben zu den Delfinen seien alle nur ein Missverständnis
gewesen, heißt es in dem Besprechungsprotokoll, weil "von Frau (Anm.:
vom Tiergarten, Name geschwärzt) während der Kontrolle davon
ausgegangen wurde, dass die Fragen zur Behandlung der Delfine mit
Diazepam sich nur auf einige Tiere beziehen würde, während Frau
(Anm.: vom LGL, Name geschwärzt) davon ausging, dass die Fragen für
alle Delfine beantwortet werden sollten." So sei es zu dem
Missverständnis gekommen, dass der Tiergarten angegeben hätte, dass
Diazepam nur zur Appetitanregung eingesetzt wurde. Es sei "nicht die
Absicht gewesen, etwas zu verheimlichen". Des weiteren heißt es in
der Rechtfertigung des Tiergartens, dass die "Eintragungen lediglich
nicht vollständig gewesen wären und Vermerke zu Erkrankungen bzw.
schlechter Futteraufnahme nicht eingetragen wurden." Nach diesem
Besprechungsergebnis wurden sämtliche Ermittlungen eingestellt und es
erfolgten keine weiteren Maßnahmen.
WDSF-Geschäftsführer Jürgen Ortmüller dazu: "Hier hat eine Behörde
die andere gedeckt und den falschen Aussagen des Tiergarten einfach
geglaubt. Wir haben aufgrund der Einsicht in die Krankenblätter
eindeutig nachgewiesen, dass nicht nur Delfine mit Psychopharmaka
behandelt wurden, die untereinander Unverträglichkeiten hatten,
sondern fast alle Delfine aus den in den Akten protokollierten
Gründen von Aggressionen und zur Dämpfung von Angst. Hier wird
gelogen, dass sich die Balken biegen."
Nach weiteren Feststellungen des WDSF durch aktuelle
Akteneinsichten seien auch nach der Überprüfung des Tiergarten durch
das LGL in den beiden Jahren 2013 und 2014 sechs Delfine mit dem
Psychopharmaka Diazepam (Valium) und dem Anti-Aggressionsmittel
Serenin ruhiggestellt worden. Diesen Delfinen seien insgesamt 845 mg
Diazepam an 94 Tagen verabreicht worden und das nicht nur wegen
Appetitlosigkeit, wie Tiergartendirektor Dag Encke wiederholt
behauptet hatte, sondern überwiegend wegen Verhaltensproblemen,
berichtet das WDSF.
Ortmüller: "Dramatisch sind nicht nur die unglaublichen Mengen der
Beruhigungsmitteln. Die übrigen über 30 anderen verabreichten
Medikamente in einem 5-Jahreszeitraum vermitteln nicht den Eindruck,
dass die Delfine gesund sind. Die Drogenbehandlung der Delfine grenzt
an Tierquälerei. Delfinarien sind Auslaufmodelle. Die Meerressäuger
haben einen Bewegungsdrang, den kein Delfinarium erfüllen kann. Wir
werden die erneut ermittelten Verabreichungen von Psychopharmaka auch
dem Bayerischen Staatsministerium als oberste Aufsichtsbehörde
vorlegen. Es ist ein Skandal, dass die Aufsichtsbehörden untätig
bleiben."
WDSF-Homepage - Psychopharmaka-Auflistungen: http://ots.de/0gt3W
Pressekontakt:
Jürgen Ortmüller
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Mobil: 0151 24030 952
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