PresseKat - Hebammenhandwerk soll immaterielles Weltkulturerbe werden

Hebammenhandwerk soll immaterielles Weltkulturerbe werden

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Antrag bei der UNESCO am 28. Oktober 2015 eingereicht

(firmenpresse) - Köln, 3.November 2015. Das Hebammenwissen - das über Jahrhunderte weitergegeben wurde - soll der Gesellschaft erhalten bleiben und darum die Hebammenarbeit als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt werden. So will es der Antrag, den der Deutsche Hebammenverband (DHV), der Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands (BfHD) und der gemeinnützige Verein "Hebammen für Deutschland" (HfD) erstellt haben. Am 28. Oktober 2015 reichten die beteiligten Hebammen ihren Antrag in der Staatskanzlei für kulturelle Angelegenheiten in Berlin ein. Über diese Stelle werden je Bundesland vier ausgewählte Anträge an die UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) weitergegeben.

Der Antrag der Hebammen auf Anerkennung ihres Handwerks als immaterielles Weltkulturerbe wird von zwei Experten-Gutachten flankiert, die das Hebammenwesen aus wissenschaftlicher Sicht beleuchten. Eines der Gutachten stammt von Professor Sven Hildebrandt, Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe an der Hochschule Fulda sowie Präsident der Dresdner Akademie für individuelle Geburtsbegleitung (DAfiGb). Die zweite Referenz erstellte die Professorin Marita Metz-Becker vom Institut für Europäische Ethnologie und Kulturwissenschaft von der Philipps-Universität Marburg, die schon zahlreiche Beiträge zur Historie des Hebammenwesens veröffentlicht hat.

"Es ist dringend an der Zeit, das Hebammenwesen in die Liste des immateriellen Weltkulturerbes aufzunehmen", fordert Lisa von Reiche, Hebamme und HfD-Vorstandsmitglied. "Wir sind daher sehr dankbar, dass Barbara Hirt vom Elternmagazin kidsgo zusammen mit der dreifachen Mutter Deike Terruhn die Initiative ergriffen hat, für uns Hebammen den Antrag vorzubereiten. Hierzulande droht Hebammenwissen nämlich verloren zu gehen - mit allen Konsequenzen für Frauen, Kinder und Familien. Es gibt viele sehr wichtige Argumente, Hebammenarbeit für die Familien unter besonderen Schutz zu stellen."




Bedroht ist das Hebammenwesen in Deutschland aus folgenden Gründen:

- Angestellte Hebammen in den Kliniken, wo 98 Prozent aller Kinder geboren werden, müssen oft mehrere Geburten gleichzeitig betreuen. Die ureigentliche Hebammenarbeit basiert aber auf Zeit, Ruhe und liebevoller Zuwendung. So sind Hebammen oftmals gezwungen - statt ihrer Berufung gerecht zu werden und die gebärenden Frauen zu begleiten - hauptsächlich die medizinische Überwachung zu übernehmen und zu protokollieren. Dies geht zu Lasten der Frauen und der Neugeborenen. Verlassen Hebammen aufgrund dieser zunehmenden Ökonomisierung die Krankenhäuser, geht das über Jahrhunderten von Hebamme zu Hebamme weitergegebene Wissen schrittweise verloren.

- Aufgrund der in den letzten Jahren exorbitant gestiegenen Versicherungsprämien auf über 6.000 Euro jährlich (15mal mehr als im Jahr 2002) mussten schon mehr als 25 Prozent der freiberuflichen Hebammen ihren Beruf aufgeben. Durch verfehlte Gesundheitspolitik wird der Beruf zur Armutsfalle.

- Die Geburtshilfe entwickelt sich zunehmend zur Geburtsmedizin. Die Folge: Hebammenkunst wird immer weniger gewürdigt oder kommt aus Zeitmangel gar nicht zum Einsatz. Einfach "guter Hoffnung sein" ist heutzutage kaum noch einer Frau möglich: Die gynäkologische Untersuchung hat überwiegend Abweichungen vom Durchschnitt oder Risiken im Blick. Die Geburtsmedizin vermittelt so den Eindruck, alles unter Kontrolle zu haben. Demgegenüber stärken Hebammen das Selbstvertrauen der schwangeren Frauen und bereiten sie auf die natürliche Geburt vor.

- Laut Hebammengesetz (HebG Paragraf 4 Hinzuziehungspflicht) muss bei jeder Geburt eine Hebamme anwesend sein. Dieser Paragraf führt die Tradition fort, dass Hebammen schwangere Frauen seit Generationen beim Gebären begleiten. In den letzten Jahren wurden die Rechte der Hebammen aber beschnitten, indem ihnen die Kompetenz zur eigenständigen und verantwortlichen Begleitung der Schwangeren abgesprochen wurde. Dies schränkt in der Folge auch das - gesetzlich zugesicherte - Recht der Frauen ein, den Geburtsort frei zu wählen und somit über die Umstände der Geburt ihres Kindes zu entscheiden.

In Deutschland arbeiten rund 20.000 Hebammen, die jährlich circa 630.000 Geburten betreuen. Seit Jahren schon gehen viele tausend Frauen und Familien für den Erhalt der individuellen Geburtshilfe und für eine 1:1-Geburtsbetreuung durch Hebammen auf die Straße. Elterninitiativen machen sich für das Hebammenwesen stark. Allen Protestierenden ist bewusst, was Gebärenden ohne Hebammenbegleitung verloren gehen wird. Eine Anerkennung als immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe würde diesen Anstrengungen zum Erhalt des Hebammenwesens in seiner traditionellen Form Aufschwung geben.

Die zweite Bewerbungsrunde der Deutschen UNESCO-Kommission für das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes ist nun abgeschlossen. Bereits 27 Traditionen, Bräuche und Handwerkstechniken sind dort verzeichnet, beispielsweise das Bäckerhandwerk samt der deutschen Brotkultur. Ziel des von der UNESCO im Jahr 2003 verabschiedeten Übereinkommens ist der Erhalt des weltweit vorhandenen traditionellen Wissens und Könnens. Mehr als 160 Staaten sind der völkerrechtlich verbindlichen Konvention beigetreten. Bis zur Entscheidung, ob das Hebammenwesen in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen wird, dürften etwa zwei Jahre vergehen.

Weiterführende Links:
Deutscher Hebammenverband: www.hebammenverband.de
Bund freiberuflicher Hebammen Deutschlands: www.bfhd.de
Hebammen für Deutschland e.V.: www.hebammenfuerdeutschland.de
Deutsche UNESCO-Kommission: www.unesco.de

Über Hebammen für Deutschland e.V.:
Hebammen für Deutschland e.V. (HfD) ist eine Initiative zum Erhalt individueller Geburtshilfe mit Sitz in Köln. Mitglieder des gemeinnützigen Vereins sind Hebammen, Eltern und Interessierte. Gegründet wurde HfD im Jahr 2010 als Reaktion auf die exponentiell steigenden Berufshaftpflichtprämien. Diese haben inzwischen über 25 Prozent der freiberuflichen Hebammen gezwungen, die Geburtshilfe aufzugeben. Ziel von HfD ist es, die individuelle Geburtshilfe in Deutschland zu erhalten und das "Hebammensterben" zu beenden. Dazu steht der Verein in engem Austausch mit Hebammenverbänden, Elterninitiativen, Medien und Politik. Mehr Informationen auf www.hebammenfuerdeutschland.de.

Kontakt:
Hebammen für Deutschland e.V.
Lisa von Reiche (Vorstandsmitglied)
Hermann-Josef-Schmitt-Straße 26
50827 Köln
Telefon: 0177-7572572
E-Mail: l.vonreiche(at)hebammenfuerdeutschland.de
www.hebammenfuerdeutschland.de

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Datum: 03.11.2015 - 12:10 Uhr
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