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Wo es ganz eng wird: Neue Logistiklösungen für die Innenstädte / Wie kann man Bewohner trotz überforderter City-Infrastruktur versorgen? Experten zeigen neue Konzepte urbaner Logistik

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(ots) - Immer mehr Menschen ziehen in die Städte und
gleichzeitig lassen sich immer mehr Menschen ihre Waren nach Hause
liefern. Das sorgt für Chaos auf den urbanen Straßen. Auf dem 32.
Deutschen Logistik-Kongress Ende Oktober in Berlin stellten
Logistiker Lösungen für die Städte vor.

So ziemlich jeden deutschen Autofahrer hat sie schon einmal
gepackt: Die Wut auf den Distributionslogistiker. Wenn dieser mit
seinem LKW ausgerechnet das Nadelöhr in die Innenstadt noch mehr
verstopft. Oder wenn dieser mit seinem Lieferwagen in zweiter Reihe
parkt. Doch der Distributionslogistiker kann nichts dafür: Er muss in
die Stadt, weil dort immer mehr Menschen hinziehen, die versorgt
werden wollen. Und er muss in zweiter Reihe stehen, weil immer mehr
Menschen ihre Waren bequem an die Haustür geliefert haben möchten.
Logistik-Experten arbeiten an einer Lösung für den Konflikt.

Ungenutzte Straßen wohin man schaut

"In Deutschland werden die Kapazitäten der Infrastruktur nicht
ausgenutzt", sagt Prof. Dr. Alex Vastag vom Fraunhofer Institut in
Dortmund. Die Straßen sind aber doch voll, schießt es einem da in den
Kopf. "Nicht immer", erklärt Vastag: "Nachts sind unsere Straßen
leer." Er forscht mit anderen Wissenschaftlern und Partnern aus dem
Handel wie Tedi und REWE an der Möglichkeit, den Handel in
Ballungsräumen nachts zu beliefern. In anderen Ländern ist das schon
längst üblich. "In New York wäre die Versorgung gar nicht mehr
vorstellbar ohne Nachtbelieferung", sagt Vastag. Doch er weiß auch,
dass die Deutschen dagegen große Ressentiments hegen.

Die Gründe für die deutsche Ablehnung sind auch überzeugend:
Diesellaster sind schon während der Fahrt laut, beim Beladevorgang
kriegen die Anwohner aber garantiert kein Auge mehr zu. Vastags Ziel
ist es also: Geräuscharm arbeiten. Zum Be- und Umladen denkt er an




schalldichte Umschlagszellen. Die Logistiker könnten hier in normaler
Lautstärke arbeiten, bevor sie wieder rausfahren. Natürlich müssten
die Logistiker auch geschult werden, wenn sie auf der Straße sind:
"Das Radio muss aus bleiben, die Türen dürfen nicht geknallt werden
und lautes Rufen geht auch nicht", sagt Vastag.

Und was ist mit der Lautstärke der Fahrzeuge? Vastag plant, dass
in der Nachtbelieferung ausschließlich geräuscharme Elektro-LKW
eingesetzt werden. Und das ist keine Zukunftsvision: Bei der Tedi
Logistik GmbH und Co. KG werden heute schon zwei Elektro-LKW
eingesetzt. Geschäftsführer Thomas Bolevette rechnet damit, dass sich
das in Zukunft sehr lohnen wird. Die Betriebskosten sind durch eine
Photovoltaikanlage niedrig und die Wartungskosten ebenfalls. Und auf
leeren, nächtlichen Straßen wird der Vorteil eklatant: "Heute
beliefert ein Tedi-LKW acht bis zehn Filialen am Tag", sagt
Bolevette. "In der Nachtbelieferung werden es 16 bis 20 Filialen
sein."

Das Nachbarschaftslager

Einen anderen Ansatz, um die Lieferwagen von den Straßen zu holen,
kann man im römischen Altstadtviertel Tridente beobachten. Hier gibt
es zahlreiche kleine Läden, die nicht nachts beliefert werden können:
"Die Inhaber können sich es nicht leisten, jemanden einzustellen, der
Nachts die Ware annimmt", sagt Heribert Tress, Business Development
Director bei der FM Logistic Corporate. Sein Unternehmen hat in
Zusammenarbeit mit der Sapienza University of Rome das Unternehmen
City Login UCC im Viertel etabliert. Es sieht vor, dass alle kleinen
Läden bei dem Logistikdienstleister ihre Waren ordern. Dieser
transportiert diese nicht zu den Bestellern, sondern zunächst in ein
Lager in der Nähe des Viertels. Von hier werden alle Läden des
Viertels aus diesem einen Lager beliefert. Fuhren davor aus vielen
Lägern viele Lieferwagen los, fahren nun aus einem Lager wenige
Lieferwagen in das Viertel. "Wir haben damit mehr als 30 Prozent an
Wegstrecke im Lieferverkehr eingespart", sagt Dr. Andrea Campagna von
der Sapienza Universität.

Hoch hinaus

Was haben Seilbahnen mit urbaner Logistik zu tun? Eine ganze
Menge. Daran arbeitet Thorsten Bäuerlen, Project Manager bei
Doppelmayr Seilbahnen GmbH aus Österreich. Sein Unternehmen hat in
der bolivianischen Hauptstadt La Paz bereits drei Nahverkehrslinien
mit Seilbahnen gebaut, sechs weitere sind beauftragt. La Paz ist
dafür wie geschaffen. "In La Paz gibt es Höhenunterschiede von 1000
Metern zu überwinden", sagt Bäuerlen. "Durch die Topographie kann man
da auch keine U-Bahn bauen." Die Folge: Das öffentliche
Nahverkehrssystem bestand bisher aus Bussen, die sich in die
chaotisch-überfüllten Straßen der Stadt einreihten. Mit der Seilbahn
entfliehen die Menschen nun dem Chaos. "Die Seilbahnen sind sehr
beliebt, unter anderem weil sie weit weg vom Straßenlärm fahren",
sagt Bäuerlen. Der große Vorteil der Seilbahnen ist auch, dass sie
nicht viel Platz brauchen. Selbst in einer schon eng bebauten Stadt,
müssen nur die recht übersichtlichen Betonfundamente eingebaut
werden. Somit bieten sie sich auch in deutschen Städten an. "Als
Ergänzung können sie die Infrastruktur entlasten", sagt Bäuerlen.

In Zukunft wird es noch enger

Dem Wirtschaftsbereich Logistik fällt bei der künftigen Gestaltung
der urbanen Infrastruktur eine Schlüsselrolle zu. Und diese wird
weiter wachsen: "Jeden Monat zieht weltweit einmal ganz Dänemark in
die Städte", sagt Wolfgang Lehmacher, Director und Head of Supply
Chain and Transport Industries beim World Economic Forum in New York.
Das sind mehr als fünf Millionen Menschen. Der Ressourcenbedarf dort
steigt und damit der Bedarf an richtiger Logistik. Lehmacher fordert:
"Es braucht neue Denkweisen und Konzepte." Doch dafür müssen die
Logistiker Unterstützung aus der Politik erhalten. In Johan Friedrich
Colsman, dem Leiter des Verkehrsreferats der Ständigen Vertretung der
Bundesrepublik bei der EU in Brüssel, findet die Logistik den
richtigen Ansprechpartner. Colsman sieht das Problem und fördert
europäische Verkehrsprojekte. Er warnt: "Der Schaden durch die
Überlastung der innerstädtischen Infrastruktur geht in die
Milliarden."



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Ulrike Grünrock-Kern / Pressestelle der Bundesvereinigung Logistik
(BVL) e.V. Tel.: 0421 173 84 21; Mail: gruenrock-kern(at)bvl.de;
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Datum: 03.11.2015 - 15:16 Uhr
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