(ots) - 20,6 % der Bevölkerung in Deutschland - das sind
16,5 Millionen Menschen - waren 2014 von Armut oder sozialer
Ausgrenzung bedroht. 2013 hatte dieser Anteil bei 20,3 % (16,2
Millionen Menschen) gelegen. Wie das Statistische Bundesamt
(Destatis) nach Ergebnissen der Erhebung LEBEN IN EUROPA (EU-SILC)
weiter mitteilt, war der Anteil armer oder sozial ausgegrenzter
Menschen in der gesamten Europäischen Union in beiden Jahren mit 24,4
% (2014) beziehungsweise 24,5 % (2013) deutlich höher als in
Deutschland.
Eine Person gilt als von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht,
wenn mindestens eine der folgenden drei Lebenssituationen zutrifft:
Ihr Einkommen liegt unter der Armutsgefährdungsgrenze, die Person ist
also von Armut bedroht, ihr Haushalt ist von erheblicher materieller
Entbehrung betroffen, oder sie lebt in einem Haushalt mit sehr
geringer Erwerbsbeteiligung.
Danach war mit 16,7 % der Bevölkerung jede sechste Person in
Deutschland im Jahr 2014 von Armut bedroht. Das entsprach rund 13,3
Millionen Menschen. Der Anteil dieser armutsgefährdeten Personen hat
sich damit seit 2013 (16,1 %) erhöht. Eine Person gilt nach der
EU-Definition für EU-SILC als armutsgefährdet, wenn sie über weniger
als 60 % des mittleren Einkommens der Gesamtbevölkerung verfügt
(Schwellenwert der Armutsgefährdung). 2014 lag dieser Schwellenwert
für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 987 Euro im Monat
und damit etwas höher als im Berichtsjahr 2013 (979 Euro im Monat).
Für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren lag der
Schwellenwert im Berichtsjahr 2014 bei 2Â 072 Euro im Monat.
5,0 % der Bevölkerung in Deutschland waren im Jahr 2014 von
erheblicher materieller Entbehrung betroffen. Das bedeutet, dass ihre
Lebensbedingungen aufgrund von fehlenden Mitteln eingeschränkt waren.
Sie waren zum Beispiel nicht in der Lage, ihre Rechnungen zu
bezahlen, ihre Wohnungen angemessen zu beheizen oder eine einwöchige
Urlaubsreise zu finanzieren.
10,0 % der Bevölkerung unter 60 Jahren lebten in einem Haushalt
mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung. Das bedeutet, dass die
tatsächliche Erwerbsbeteiligung der erwerbsfähigen
Haushaltsmitglieder insgesamt weniger als 20 % betrug.
EU-weit waren 17,2 % der Bevölkerung von Armut bedroht, 9,0 % von
erheblicher materieller Entbehrung betroffen, und 11,0 % lebten in
einem Haushalt mit sehr niedriger Erwerbsbeteiligung.
Weitere Ergebnisse aus LEBEN IN EUROPA 2014 sowie methodische
Erläuterungen und Publikationen sind über die Internetseiten des
Statistischen Bundesamtes unter www.destatis.de im Bereich Zahlen &
Fakten -> Einkommen, Konsum, Lebensbedingungen, Wohnen ->
Lebensbedingungen, Armutsgefährdung verfügbar. Methodische
Erläuterungen zur Erhebung LEBEN IN EUROPA sowie zur Berechnung von
Armutsgefährdung und sozialer Ausgrenzung sind auf der Themenseite
unter "Erläuterungen zur Statistik" zu finden.
Das Statistische Amt der Europäischen Gemeinschaften (Eurostat)
veröffentlicht die Ergebnisse aller an EU-SILC (European Union
Statistics on Income and Living Conditions) teilnehmenden Länder in
seiner Datenbank unter http://epp.eurostat.ec.europa.eu im Bereich
"Statistiken -> Bevölkerung und soziale Bedingungen -> Einkommen und
Lebensbedingungen -> Haupttabellen/Datenbank".
Methodische Erläuterungen zur Erhebung LEBEN IN EUROPA sowie zur
Berechnung von Armutsgefährdung und sozialer Ausgrenzung:
EU-SILC (European Union Statistics on Income and Living
Conditions) ist die EU-weit vergleichbare Datenquelle über Einkommen,
Armut und Lebensbedingungen in Europa. Für die Statistik gelten in
allen Mitgliedstaaten einheitliche Definitionen sowie methodische
Mindeststandards. Die amtliche Erhebung, deren Durchführung und
Aufbereitung den Mitgliedstaaten obliegt, wird in Deutschland seit
2005 jährlich unter der Bezeichnung LEBEN IN EUROPA durchgeführt. Ein
Kernindikator, der aus LEBEN IN EUROPA ermittelt wird, ist die
Armutsgefährdungsquote. Sie gibt an, wie hoch der Anteil der
armutsgefährdeten Personen an der Gesamtbevölkerung ist. Zur
Berechnung der Armutsgefährdungsquote wird das von allen
Haushaltsmitgliedern tatsächlich erzielte Haushaltseinkommen des
Vorjahres herangezogen (bei LEBEN IN EUROPA 2014 bezieht sich das
Haushaltseinkommen auf das Jahr 2013). Es setzt sich zusammen aus dem
Einkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Erwerbstätigkeit,
dem Einkommen aus Vermögen, Renten und Pensionen sowie empfangenen
laufenden Sozialtransfers - wie zum Beispiel Arbeitslosengeld,
Sozialhilfe oder Kindergeld. Direkte Steuern und Sozialbeiträge sind
abgezogen. Dieses Haushaltseinkommen wird auf die Personen des
Haushalts nach einem Gewichtungsschlüssel (Äquivalenzskala) verteilt,
der unterschiedliche Haushaltsstrukturen berücksichtigt sowie den
Umstand, dass Personen in einem Haushalt durch das Zusammenleben
Einspareffekte bei den laufenden Kosten erzielen. Die Äquivalenzskala
weist jeder Person im Haushalt ein Gewicht zu. Nach der modifizierten
OECD-Skala, die bei EU-SILC angewendet wird, erhält die erste
erwachsene Person stets das Gewicht 1. Jede weitere Person erhält ein
Gewicht, das die Größenordnung des Mehrbedarfs berücksichtigen soll,
der durch diese Person entsteht: Weitere Erwachsene und Kinder ab 14
Jahren erhalten das Gewicht 0,5, Kinder unter 14 Jahren das Gewicht
0,3. So ergibt sich bei einer Familie mit zwei Kindern unter 14
Jahren beispielsweise das Gesamtgewicht 2,1. Das verfügbare
Haushaltseinkommen wird nun durch die Summe der Gewichte dividiert.
Das so ermittelte Einkommen der Personen wird als "bedarfsgewichtetes
Äquivalenzeinkommen" bezeichnet und jeder Person im Haushalt als
persönliches Äquivalenzeinkommen zugeschrieben. Zu beachten ist, dass
es sich beim Äquivalenzeinkommen um eine fiktive Rechengröße handelt.
Um das mittlere Einkommen zu ermitteln, wird der Median (Zentralwert)
verwendet. Dabei werden die Personen ihrem Äquivalenzeinkommen nach
aufsteigend sortiert. Der Median ist der Einkommenswert derjenigen
Person, die die Bevölkerung in genau zwei Hälften teilt. Das heißt,
die eine Hälfte hat mehr, die andere weniger Einkommen zur Verfügung.
60 % dieses Medianwertes stellen den Schwellenwert für
Armutsgefährdung dar. Im Frühjahr 2010 beschloss der Rat der
Europäischen Union die Strategie Europa 2020. Eines der Kernziele der
Europäischen Union ist dabei die Verminderung von Armut und sozialer
Ausgrenzung. Für die Messung der Gefährdungslagen wurden zusätzlich
zur Armutsgefährdungsquote zwei weitere Sozialindikatoren auf der
Grundlage von EU-SILC eingeführt: der Anteil der Bevölkerung mit
erheblicher materieller Entbehrung (auch: erhebliche materielle
Deprivation) und der Anteil der Personen, die in einem Haushalt mit
sehr geringer Erwerbsbeteiligung (auch: Erwerbslosenhaushalt) leben.
Erhebliche materielle Entbehrung liegt nach der EU-Definition für
EU-SILC dann vor, wenn aufgrund der Selbsteinschätzung des Haushalts
mindestens vier der folgenden neun Kriterien erfüllt sind: 1.
Finanzielles Problem, die Miete oder Rechnungen für
Versorgungsleistungen rechtzeitig zu bezahlen. 2. Finanzielles
Problem, die Wohnung angemessen heizen zu können. 3. Finanzielles
Problem, unerwartete Ausgaben in einer bestimmten Höhe aus eigenen
finanziellen Mitteln bestreiten zu können. 4. Finanzielles Problem,
jeden zweiten Tag Fleisch, Fisch oder eine gleichwertige vegetarische
Mahlzeit einnehmen zu können. 5. Finanzielles Problem, jährlich eine
Woche Urlaub woanders als zu Hause zu verbringen. 6. Fehlen eines Pkw
im Haushalt aus finanziellen Gründen. 7. Fehlen einer Waschmaschine
im Haushalt aus finanziellen Gründen. 8. Fehlen eines
Farbfernsehgeräts im Haushalt aus finanziellen Gründen. 9. Fehlen
eines Telefons im Haushalt aus finanziellen Gründen. Ein Haushalt mit
sehr geringer Erwerbsbeteiligung liegt nach der EU-Definition für
EU-SILC dann vor, wenn die tatsächliche Erwerbsbeteiligung (in
Monaten) der im Haushalt lebenden, erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder
im Alter von 18 bis 59 Jahren insgesamt weniger als 20 % der
potenziellen Erwerbsbeteiligung des Haushalts beträgt. Ein Beispiel:
In einem Haushalt leben zwei erwerbsfähige Haushaltsmitglieder, die
beide im vorangegangenen Jahr jeweils 12 Monate gearbeitet haben (2 x
12 Erwerbsmonate). Ihre Erwerbsbeteiligung beträgt also 100 % ihrer
potenziellen Erwerbsbeteiligung. Arbeitete nur eines der beiden
erwerbsfähigen Haushaltsmitglieder 12 Monate im vorangegangenen Jahr
und das andere Haushaltsmitglied gar nicht, würde die
Erwerbsbeteiligung des Haushalts insgesamt dagegen nur noch 50 %
betragen. Die tatsächliche Erwerbsbeteiligung des Haushalts ist hier
also nur halb so hoch wie potenziell möglich. Arbeitete diese Person
dagegen nur 4 Monate im vorangegangenen Jahr, würde die
Erwerbsbeteiligung des Haushalts auf weniger als 20 % (20 % wären 4,8
Monate) sinken. Nach der oben genannten Definition würde für diesen
Haushalt eine sehr geringe Erwerbsbeteiligung vorliegen. Armut oder
soziale Ausgrenzung ist nach der EU-Definition für EU-SILC dann
gegeben, wenn eines oder mehrere der drei Kriterien
"Armutsgefährdung", "erhebliche materielle Entbehrung", "Haushalt mit
sehr geringer Erwerbsbeteiligung" vorliegen.
Die vollständige Pressemitteilung (inklusive PDF-Version) mit
Tabellen sowie weitere Informationen und Funktionen sind im
Internet-Angebot des Statistischen Bundesamtes unter
http://www.destatis.de/presseaktuell zu finden.
Weitere Auskünfte gibt:
Auskunftsdienst Einkommen, Konsum, Lebensbedingungen,
Telefon: + 49 611 75 8880,
www.destatis.de/kontakt
Rückfragen an obigen Ansprechpartner oder an:
Statistisches Bundesamt
Pressestelle
E-Mail: presse(at)destatis.de