(ots) - Deutsche Umwelthilfe rechnet mit 1,8 Milliarden
Euro Steuerausfall durch falsche CO2-Werte bei Pkw-Neuwagen allein in
2015 - Kalifornische Luftreinhaltebehörde macht deutschen
Regierungsbehörden vor, wie Abgas- und Klimaschutzgesetze konsequent
durchgesetzt werden können - Bundesverkehrsministerium und
Kraftfahrt-Bundesamt zeigen kein Interesse an weiteren Informationen
der DUH zu einem getesteten Opel Zafira Diesel mit auffälligen und
stark erhöhten NOx-Emissionen - DUH setzt Fahrzeugtests trotz
Klagedrohungen der Autokonzerne fort
Der von VW am 3.11.2015 eingestandene Betrug bei den
CO2-Emissionen (und damit Spritverbrauch) von 800.000 Fahrzeugen ist
nach Ansicht der Deutschen Umwelthilfe (DUH) nur die Spitze des
Eisbergs. Laut einer von der DUH am 5.11.2015 vorgestellten
Untersuchung zu den realen Spritverbräuchen unter den TOP 10 der
deutschen Neuwagen-Zulassungen beträgt die Abweichung zu den
offiziellen Verbrauchsangaben mittlerweile 42 Prozent. Für den
Bundeshaushalt 2015 bedeutet dies Steuermindereinnahmen von 1,8
Milliarden Euro, für 2016 beträgt der Ausfall circa 2,2 Milliarden
Euro. Gleichzeitig ist das Erreichen des EU-Klimaziels für
Neufahrzeuge für das Jahr 2020 nun gänzlich unrealistisch.
Während die deutschen Kontrollbehörden weiterhin mit Hochdruck
schweigen, hat die kalifornische Luftreinhaltebehörde in dieser Woche
mit Porsche einen weiteren deutschen Hersteller beim Einsatz einer
die Abgaswerte manipulierenden Software ertappt und zu einem
Verkaufsstopp erster Modelle bewegt. In den USA sind nun diverse
Diesel-Pkw des Modelljahres 2016 des Abgasbetruges überführt und im
Verkauf gesperrt. Es ist für die DUH nicht nachvollziehbar, dass in
Deutschland und Europa alle aktuell verkauften Diesel-Pkw der
Euroklasse 6 nicht betroffen sein sollen.
"Der Betrug bei der Manipulation von Autoabgasen schädigt
Gesundheit, Klima und die Staatskasse. Doch die von den Autokonzernen
ferngesteuerte Bundesregierung ignoriert seit acht Jahren alle
diesbezüglichen Hinweise und hat so tatkräftig mitgewirkt, die Marke
"Made in Germany" zu demolieren. Nach dem Eingeständnis des
800.000-fachen Klimaschutz- und Steuerbetruges durch Volkswagen darf
es kein "weiter so" geben. Dem Beispiel USA folgend, müssen die
zuständigen Bundesbehörden über die eingestandenen Fahrzeuge bei VW
hinaus endlich mit eigenen Kontrollen auch der CO2-Angaben aller VW
Marken sowie aller anderen Autohersteller beginnen", so Jürgen Resch,
Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Unterstützung bei
ihrem Vorwurf des Komplettversagens von Verkehrsministerium und
Kraftfahrt-Bundesamt erhält die DUH von der EU-Industriekommissarin
Elzbieta Bienkowska, die sagt: "Die Genehmigungssysteme der
Mitgliedstaaten haben versagt."
In den USA haben Verbraucherschutzverbände wie "Consumer Watchdog"
2012 den Skandal um falsche Spritverbrauchswerte bei 1,2 Millionen
Kia und Hyundai Fahrzeugen enthüllt. Die nationale Umweltbehörde EPA
hat in der Folge dieses Skandals eigene Kontrollkapazitäten aufgebaut
und testet seitdem etwa 15-20 Prozent aller Pkw-Neuzulassungen nach
dem Zufallsprinzip. Zudem geht sie allen ihr von Verbrauchern
gemeldeten oder bekannt gewordenen stärkeren Abweichungen beim
Spritverbrauch nach.
In den letzten Jahren wurden in den USA neben den koreanischen
Herstellern auch Ford, Mercedes und BMW mehrmals auffällig und
mussten ihre Verbrauchsangaben korrigieren. Zuletzt am 25. September
2015 teilte die EPA den Autobauern erweiterte Überprüfungen auch zum
Thema CO2/Spritverbrauch mit. Die amtlichen Kontrollen und die
drohenden Strafen bei Falschangaben in den USA führen zu korrekten
Werten. Die DUH hat die realen Spritverbräuche unter den TOP 10 der
amerikanischen Zulassungsstatistik aktuell ausgewertet. Das Ergebnis:
Diese weichen aktuell nur um drei Prozent von den offiziellen
Spritverbrauchsangaben ab.
Die amerikanischen Behörden weiten konsequent ihre Untersuchungen
bei Fahrzeugen des Volkswagen Konzerns aus und untersuchen als
nächsten Schritt auch andere Hersteller in einem öffentlich
transparenten Prüfverfahren. Die festgestellten Vorwürfe und die
offiziellen Schreiben an die betroffenen Hersteller werden zeitnah
veröffentlicht und die festgestellten Verstöße präzise dargestellt.
Die deutsche Bundesregierung hat hingegen bis heute kein einziges
Ergebnis ihrer angeblich durchgeführten Nachkontrollen
veröffentlicht. Das Bundesverkehrsministerium verweigert darüber
hinaus jegliche Informationen über den genauen Inhalt und
Prüfauftrag, Umfang der Messungen und Zeitplan. Anders als in den USA
messen auch keine neutralen, behördlichen Prüfzentren, sondern
ausgerechnet die Prüfeinrichtungen, die bisher die für die
Typenzulassung notwendigen Messungen durchgeführt haben, von denen
sich jetzt viele als falsch herausstellen.
Die DUH hat in den vergangenen acht Jahren immer wieder in eigenen
Untersuchungen und beauftragten Tests Neufahrzeuge mit bis zu 30-fach
überhöhten Abgaswerten, unwirksame Austausch-Katalysatoren in einer
Million Altfahrzeugen oder tausende von Diesel-Taxis ohne Rußfilter
nachgewiesen. In keinem der Fälle wurden die von der DUH alarmierten
Bundesbehörden tätig. Nachdem deutsche Prüflabore der DUH seit
mehreren Jahren die Suche nach illegalen Abschalteinrichtungen bei
Pkw aus Angst vor dem Auftragsentzug der Autokonzerne verweigern,
musste sie ins EU-Ausland ausweichen. Seit Oktober finden nun im
Auftrag der DUH detektivische Tests zur Aufdeckung möglicher
Abschalteinrichtungen sowie sonstiger Abgasverstöße bei einer
renommierten, überwiegend für Schweizer Behörden tätigen
Abgasprüfstelle in der Schweiz statt.
Am 23.10.2015 hat die DUH umfangreiche Messergebnisse mit bis
17-fachen über den Grenzwerten liegenden Messwerten bei einem Opel
Zafira Diesel veröffentlicht. Die Ergebnisse stellte sie der Adam
Opel AG, dem Bundesverkehrsministerium sowie dem Kraftfahrt-Bundesamt
zur Verfügung. Das Verhaltensmuster von Industrie und Bundesregierung
hat sich jedoch nicht geändert: Opel reagierte mit der Androhung
rechtlicher Schritte und spricht sich mit eigenen Messungen 'im
Beisein des TÃœV Hessen' frei. Bis heute verweigern Opel und der TÃœV
Hessen jedoch die Veröffentlichung ihrer Testergebnisse. Das
Verkehrsministerium und das KBA zeigen nach wie vor kein Interesse an
den Prüfergebnissen der DUH. Gesprächswünsche der Umwelt- und
Verbraucherschutzorganisation mit Minister und Staatssekretären des
Verkehrsministeriums werden nicht beantwortet oder abgelehnt. Selbst
die zusätzlich direkt angeschriebene Arbeitsebene reagierte bislang
nicht auf das Angebot weiterer Informationen.
"Vor mehreren Wochen habe ich beim KBA beantragt, mir eine Kopie
der angeblich gegenüber Volkswagen erlassenen Rückrufanordnung
zukommen zu lassen. Obwohl ein solcher Antrag unverzüglich zu
beantworten ist und keine Gründe für eine Zurückweisung erkennbar
sind, ist der Antrag immer noch nicht bearbeitet, im Gegenteil: Noch
einen Tag nach der durch den Bundesverkehrsminister mitgeteilten
Rückrufanordnung schreibt mir das KBA, dass man gar nicht wisse,
welchen Bescheid ich eigentlich meine", so Rechtsanwalt Remo Klinger,
der die DUH in den hierzu relevanten Rechtsfragen berät. "Wir werden
nunmehr auch wegen der CO2-Falschangaben beim KBA beantragen, einen
entsprechenden Rückruf der betroffenen Fahrzeuge anzuordnen. Sollten
wir den durch Herrn Dobrindt öffentlich verkündeten Rückruf nicht
innerhalb von einer Woche erhalten, rate ich zu einer klageweisen
Durchsetzung; vielleicht existiert die Rückrufanordnung ja gar
nicht", so Klinger weiter.
Grafiken zur Entwicklung der Abweichungen bei den CO2-Angaben, den
Steuerausfällen in Deutschland finden Sie unter
http://l.duh.de/p051115. Den Prüfbericht zur NOx-Emissionsmessung bei
einem Opel Zafira Diesel finden Sie unter http://l.duh.de/vfjlr.
Für den Inhalt der Pressemitteilung ist die Deutsche Umwelthilfe
e.V. verantwortlich.
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer
Mobil: 0171 3649170, E-Mail: resch(at)duh.de
Prof. Dr. Remo Klinger, Rechtsanwalt in der Kanzlei Geulen & Klinger
- Rechtsanwälte (Berlin), Mobil: 0171 2435458, E-Mail:
klinger(at)geulen.com
Ann-Kathrin Marggraf, Pressereferentin
Tel.: 030 2400867-21, Mobil: 0151 261749133, E-Mail: marggraf(at)duh.de
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