Zuzüglich zum 1-Euro-Flugangebot Gebühren über mehr als 100 Euro berechnen, Zusatzangebote wie Gepäckversicherung, Reise-Rücktritts-Versicherung und Mietwagen per voreingestelltem Häkchen mitverkaufen, Steuern, Gebühren und weitere Entgelte unter einer Pauschalsumme berechnen - die Unsitten und Gebaren vieler Fluggesellschaften sind seit November 2008 in Europa verboten. Für die Durchsetzung, Verfolgung und Verhängung entsprechender Bußgelder ist das Luftfahrt-Bundesamt zuständig. Höchstpersönliche Ansprüche und konkrete Forderungen müssen Flugpassagiere jedoch selbst geltend machen.
von Jan Bartholl (Rechtsanwalt für Reiserecht und Luftverkehrsrecht)
(firmenpresse) - Ein Fluggast, der einen Flug bucht, hat nicht nur einen Anspruch auf pünktliche und ordnungsgemäße Beförderung seines Gepäcks und seiner Person. Bereits mit der Buchungsbestätigung muss die Fluggesellschaft den Fluggast detailliert über die in Rechnung gestellten Vorauszahlungen aus der Flugbuchung aufklären. Fluggesellschaften trifft diese Pflicht seit Inkrafttreten der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 europaweit. Fluggesellschaften müssen dem Fluggast die Preisbestandteile des Flugscheins detailliert aufschlüsseln. Die vom Flugpassagier geleisteten Vorauszahlungen müssen strukturiert und auf klare, transparente und eindeutige und Weise in ihre einzelnen Bestandteile gegliedert und mitgeteilt werden. Gemäß Art. 23 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 muss die Fluggesellschaft bei Flugbuchung jeweils gesondert den Flugpreis, die Steuern, die Flughafengebühren und die sonstigen Gebühren, Zuschläge und Entgelte auf klare, transparente und eindeutige und Weise ausweisen. Geschieht dies nicht, hat Deutschland als Mitgliedstaat gemäß Art. 24 der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 wirksame und abschreckende Sanktionen für Verstöße gegen die Fluggesellschaften festzulegen.
Der Bundesrat hat am 18.09.2009 dem Vorschlag des Bundesverkehrsministers Wolfgang Tiefensee zur Änderung der Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung zugestimmt. Damit drohen allen Fluggesellschaften Sanktionen, die mit undurchsichtiger Preisgestaltung bei Flugtickets für Flüge werben. Das Luftfahrt-Bundesamt kann als zuständige Stelle in Deutschland Bußgelder bis zu 25.000 Euro verhängen. Lockangebote über 1-Euro-Flüge, die sich im Nachhinein bei Berechnung aller Gebühren auf über 100 Euro summieren, sind rechtswidrig. Im Rahmen der Aufgaben aus der Verordnung (EG) Nr. 1008/2008 nimmt das Luftfahrt-Bundesamt Anzeigen gegen Luftfahrtunternehmen entgegen, die ihre Preisangaben nicht verordnungskonform veröffentlichen.
Die Praxis der Gebührenerhebungen und Preisangaben vieler Fluggesellschaften, wie z.B. Air Berlin, Germanwings, Ryanair oder FlyBe, wird zur Zeit von verschiedenen Gerichten in mehreren Verfahren überprüft.
In der Rechtsprechung wurden verschiedentlich Klauseln bezüglich per AGB festgelegter "Gebühren" für unzulässig erklärt (BGH Urt. v. 18.04.2002, Az: III ZR 199/01; BGH Urt. v. 18.05.1999, Az: XI ZR 219/98; KG Berlin Urt. v. 30.04.2009, Az: 23 U 243/08). Wesentliches Argument ist der Grundgedanke des Rechts, dass jeder Rechtsunterworfene seine gesetzlichen Verpflichtungen zu erfüllen hat, ohne dafür ein gesondertes Entgelt verlangen zu können. Nach den gesetzlichen Bestimmungen ist ein angemessenes Bearbeitungsentgelt jedoch rechtmäßig. Wichtigstes Bewertungskriterium im Falle der Erhebung eines Bearbeitungsentgeltes ist die Angemessenheit. Wann ein Bearbeitungsentgelt "angemessen" ist und wann die Grenze der Unzulässigkeit überschritten wird, ist nicht gesetzlich festgelegt. Zur Bewertung ist auf die typische Sachlage und nicht auf den Einzelfall abzustellen. Zum Vergleich können ähnlich gelagerte Sachverhalte herangezogen werden. So urteilte das Amtsgericht Düsseldorf (AG Düsseldorf Urt. v. 05.01.2000, Az: 25 C 14114/99), dass eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von ca. EUR 60,00 (DM 120,00) für die Erstattung eines verloren gegangenen Flugtickets zu hoch angesetzt und damit unzulässig ist. Das Gericht hielt eine Gebühr von höchstens EUR 25,00 (DM 50,00) für angemessen. Das Oberlandesgericht Hamm entschied in einem Fall gegen die Fluggesellschaft Germanwings in zweiter Instanz (OLG Hamm Urt. v. 31.01.2008, Az: 17 U 112/07), dass eine per AGB pauschal erhobene Bearbeitungsgebühr in Höhe von EUR 50,00 für Rücklastschriften im Rahmen der Zahlung von Flügen unzulässig sei, wobei es in diesem Fall um eine Pflichtverletzung aus einem Schuldverhältnis ging. Das Gericht befand, dass eine Bearbeitungsgebühr von EUR 50,00 gerechtfertigte Kosten in erheblichem Maße übersteige. Der BGH qualifizerte in letzter Instanz die von der Germanwings von ihren Kunden per AGB/ABB erhobenen Bearbeitungsgebühren im Falle fehlgeschlagener Lastschriften in Höhe von EUR 50,00 als rechtswidrig (BGH, Urt. v. 17.09.2009, Az: Xa ZR 40/08). Die Karlsruher Richter stellten fest, dass die tatsächlichen Kosten der Bearbeitung in der Regel sehr viel geringer sind als die pauschal berechneten 50 Euro. Germanwings teilte nach Urteilsverkündung mit, das Urteil des BGH umzusetzen und die Allgemeinen Geschäfts- und Beförderungsbedingungen entsprechend zu ändern. Interessant ist für Fluggäste insbesondere die Feststellung der obersten deutschen Zivilrichter, dass Fluggesellschaften Schadensersatz nur für die tatsächlichen Kosten der Rücklastschrift verlangen können, nicht jedoch für den eigenen Aufwand der Fluglinie selbst. Zudem urteilte der BGH, dass bestimmte Maßnahmen der Airlines allenfalls vertragliche Nebenpflichten darstellten, für die Airlines keine besondere Vergütung beanspruchen dürfen. Damit haben die Richter des BGH grundsätzlich festgestellt, dass sich Fluggesellschaften an Fluggästen nicht über maßlose und überhöhte "Gebühren" bereichern dürfen, um so künstlich niedrig gehaltene Eingangsflugpreise zu subventionieren und über die Hintertür doch auf den angezielten Mindestflugpreis pro Passagier zu gelangen. Das Kammergericht Berlin (Urteil KG Berlin v. 30.04.2009, Az: 23 U 243/08) untersagte der Erfinderin der Gebühren, der irischen Fluggesellschaft Ryanair, die Berechnung einer sog. Kreditkartengebühr. Diese ist nach dem Urteil des KG Berlin unzulässig und rechtswidrig.
Rechtsanwalt Jan Bartholl
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