(ots) - Der Omni-Channel-Handel boomt. Die
Einsatzmöglichkeiten kombinierter Vertriebskanäle, wie etwa Websites,
Ladengeschäfte, mobile Anwendungen und E-Mail, sind vielfältig und
auf Kunden- wie auf Händlerseite herrscht Aufbruchsstimmung. Beim
Einsatz verknüpfter Kommunikationskanäle droht der deutsche
Einzelhandel jedoch international den Anschluss zu verlieren:
Deutschland belegt nur Platz 12 unter 19 Platzierten im "2015 Global
Omni-Channel Retail Index" von Strategy&, der globalen
Strategieberatung von PwC. Die USA führen die Rangliste der
fortschrittlichsten Omni-Channel-Nationen an, gefolgt von
Großbritannien und Australien. China landet auf dem sechsten Platz.
Schlusslichter in diesem Ranking sind die Türkei, Indien, Südafrika
und Brasilien. Die Studie untersucht den Fortschritt im
Omni-Channel-Vertrieb von neun Einzelhandelsbranchen in 19 Ländern
und Regionen weltweit mithilfe von vier analytischen Kategorien: die
bestehende Akzeptanz des kanalübergreifenden Einkaufs durch die
Kunden, der lokale Digitalisierungsgrad, das jährliche Marktpotenzial
von Omni-Channel-Transaktionen sowie die Marktdurchdringung mit
mobilem Internet und mobilen Devices.
Europa benötigt effektive Vertriebsmodelle
Während Deutschland sich hinsichtlich der Anzahl von
E-Commerce-Transaktionen auf Augenhöhe mit den USA befindet, setzen
bisher noch zu wenige Einzelhändler auf eine konsequente Verzahnung
von Online- und Offline-Kanälen. Es gibt zahlreiche Best Practices in
Bezug darauf, wie erfolgreiche Omni-Channel-Anwendungen aussehen
können. Beispielsweise können Onlineshops ihren Kunden Shopping-Tools
anbieten, die in Echtzeit zeigen, welche Märkte das jeweilige Produkt
vorhalten, und es Kunden ermöglichen, dieses sofort nach dem
Onlinekauf abzuholen. Ein weiteres Beispiel für die Verbindung von
online und offline findet man in der Fast-Food-Industrie. So können
in China Kunden einer großen Fast-Food-Kette ihr Essen bereits über
eine mobile Messaging App bestellen und bequem über diese bezahlen.
Nach dem Eintreffen im Restaurant wird ihnen durch Identifizierung am
Tisch ihre Bestellung serviert. Auf diese Weise entfallen sämtliche
Wartezeiten. "So etwas fehlt uns derzeit in Deutschland noch. Die
Vertriebsstrategien des hiesigen Handels sind oftmals zu traditionell
aufgestellt", kritisiert Benedikt Schmaus, Strategy&-Partner und
Co-Autor der Studie.
Traditionell wird in Deutschland der Fokus weniger als in anderen
Ländern auf das Einkaufserlebnis gelegt, was sich unter anderem in
der weiterhin hohen Preisaggressivität und Discount-Durchdringung
widerspiegelt. Eine Herausforderung in diesem Zusammenhang ist auch
die kulturelle Prägung vieler Händler, die dazu führt, dass häufig
eine kurzfristige Ergebnisorientierung Vorrang vor der
Kundenorientierung erhält. Eine Veränderung in diesem Bereich hat
zwar begonnen, wird jedoch mehrere Jahre in Anspruch nehmen, da bei
weiterhin hohem Margendruck unter anderem systemtechnische und
logistische Herausforderungen zu meistern sind.
Im europäischen Ausland sieht die Lage kaum besser aus: "Mit
Ausnahme von Dänemark finden wir diese Hemmnisse in ähnlicher Form
auch im übrigen Kontinentaleuropa. Der europäische Einzelhandel
sollte hier schnellstmöglich aktiv gegensteuern. Anderenfalls könnte
die internationale Konkurrenz mit disruptiven Vertriebsmodellen
dessen Heimatmärkte überrollen", so Gerd Bovensiepen, Partner und
Leiter des Bereichs Handel und Konsumgüter in Deutschland und Europa
bei PwC.
Consumer Electronics an der Spitze, Lebensmittelhandel noch
gehemmt
Auch im Branchenvergleich bestehen signifikante Unterschiede in
puncto Omni-Channel-Durchdringung. Am weitesten ist die Entwicklung
hier im Marktsegment Consumer Electronics fortgeschritten. Dies sei
schon durch die thematische Verwandtschaft zwischen den verkauften
Produkten und der technischen Anwendung zu erklären, sagt Schmaus:
"Naturgemäß finden wir im Elektroeinzelhandel die größte
Aufgeschlossenheit gegenüber technischen Innovationen auf beiden
Seiten der Ladentheke. Hinzu kommt, dass diese Innovationen sich mit
relativ geringem Aufwand auch vergleichen und bewerten lassen. Doch
auch im Bereich Consumer Electronics ist der Ausbau des
Omni-Channel-Vertriebs kein Selbstläufer." Ein europäisches Beispiel
für die erfolgreiche Implementierung verknüpfter Einkaufserlebnisse
ist beispielsweise eine dänische Möbelkette.
Am schwierigsten gestaltet sich die Implementierung von
Omni-Channel-Strategien momentan noch im Lebensmitteleinzelhandel.
Aufgrund der geringen Haltbarkeit von Lebensmitteln müssen Händler
diese schnell und direkt an die Käufer ausliefern. Zudem legt die
Kundschaft großen Wert darauf, die Ware vor dem Kauf in Augenschein
zu nehmen. In diesem Marktsegment sind bisher chinesische Unternehmen
am erfolgreichsten in Bezug auf Omni-Channel-Marketing: Aufgrund der
hohen Bevölkerungsdichte und der oft überfüllten Straßen in
chinesischen Großstädten bevorzugen viele Kunden Onlineshopping und
-Lieferangebote. Der Markteintritt globaler Player deutet auf ein
steigendes Potenzial für online bestellte und kurzfristig gelieferte
Lebensmittel auch außerhalb Chinas hin.
Erfolgsfaktoren: Infrastruktur, Kundenzentrierung, konsequente
Neustrukturierung
Aus den Studienergebnissen leitet Benedikt Schmaus drei Faktoren
für das Gelingen einer Omni-Channel-Strategie ab: "Grundlage für den
erfolgreichen Einstieg in den plattform- und kanalübergreifenden
Handel ist eine fortschrittliche technologische Infrastruktur, sowohl
auf Kunden- als auch auf Händlerseite. Die Konsumenten brauchen
Smartphones und flächendeckend breitbandiges mobiles Internet, die
Händler intuitiv bedienbare Apps und ein zeitgemäßes
Warenwirtschaftssystem." Hinsichtlich weiterer Erfolgskriterien
erklärt Schmaus: "Kunden sind anspruchsvoll und wer sie begeistern
will, muss ihnen das Beste aus beiden Bereichen bieten, dem Online-
und dem Offline-Bereich. Und nicht zuletzt müssen Händler sich voll
auf das neue Geschäftsmodell einlassen. Das betrifft die
organisatorische Struktur, die Unternehmenskultur und die Allokation
von Investitionen. Jede strategische Entscheidung muss alle Kanäle
und deren Verknüpfung mitbedenken."
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