(ots) - Der Schritt galt als historisch: Im Sommer dieses
Jahres gab China seine bisherige Ablehnung auf, sich auf
international gesteckte CO2-Ziele für den Klimaschutz einzulassen.
Diese Ankündigung hat große Hoffnungen auf einen Erfolg des am Montag
in Paris beginnenden UN-Klimagipfels geweckt. Doch Chinas
Klimaversprechen könnten durch die heraufziehende Krise der
chinesischen Wirtschaft in Gefahr geraten, argumentieren Björn Conrad
und Jost Wübbeke vom Mercator Institut für China-Studien in einem
aktuellen China Policy Brief.
Zwar will China nicht mehr als Bremser dastehen, wenn es um
Klimaschutz geht. Deshalb hat die Regierung in Peking angekündigt,
vor 2030 den Höchststand der CO2-Emissionen erreichen zu wollen.
Wirklich eindeutig sind die formulierten Ziele allerdings nicht: Die
chinesische Führung schweigt darüber, wie hoch die Emissionen dann
absolut ausfallen sollen. Deshalb lässt auch die Selbstverpflichtung,
die sogenannte CO2-Intensität zwischen 2005 und 2030 um 60 bis 65
Prozent zu reduzieren, reichlich Spielraum, den Ausstoß de facto
deutlich zu erhöhen.
Auch wenn sich China in der internationalen Klimapolitik nicht
festlegen will: In die heimische Energiewende investiert das Land
derzeit hohe Summen. Das Land will bis 2020 Windkraft-Anlagen mit
einer Gesamtleistung von 200 Gigawatt installieren. Geplant sind
darüber hinaus Photovoltaik-Anlagen mit 100 Gigawatt Leistung; China
wird hier Deutschland bei den Kapazitäten bald überholt haben. Seinen
Kohleverbrauch konnte China schon 2014 senken, auch wenn Kohlestrom
weiterhin zwei Drittel des Primärenergieverbrauchs abdeckt.
Der wirtschaftliche Abschwung wird Chinas Klimaschutzmaßnahmen
verzögern
Wie wirkt sich der derzeitige Abschwung der chinesischen
Wirtschaft auf die Vorhaben beim Klimaschutz aus? Bislang waren die
Pläne gut vereinbar mit den geplanten Reformen, die auch auf eine
Förderung junger Branchen wie der Umwelttechnologie abzielen.
Kurzfristig wird die wirtschaftliche Abkühlung dazu führen, dass der
Energieverbrauch der Wirtschaft sinkt und auch der
Kohlendioxid-Ausstoß gebremst wird. Doch auf längere Sicht könnten
die chinesischen Bemühungen um mehr Klimaschutz empfindlich verzögert
werden, argumentieren Björn Conrad und Jost Wübbeke. Es steht zu
befürchten, dass die CO2-Emissionen bis 2030 sehr stark ansteigen.
Ein komplettes Scheitern der chinesischen Klimapolitik halten die
MERICS-Experten, die in ihrer Studie verschiedene Szenarien
untersuchen, zwar für unwahrscheinlich. Eine vollständige Rückkehr
zurück zu einer energie- und ressourcenintensiven Industrie wird
demnach nicht passieren. Doch um das Wachstum im eigenen Land
anzukurbeln, könnte die chinesische Regierung zunächst auf bewährte
Geldspritzen für Bau- und Infrastrukturprojekte sowie traditionelle
Industrien setzen. Dabei könnte sie wichtige Strukturreformen hin zu
einem innovativen und nachhaltigen Wirtschaftsmodell und somit auch
wichtige Klimaschutzmaßnahmen vertagen. Die Kohlendioxid-Emissionen
dürften in der Folge schnell ansteigen und danach auch bei geringerem
Wachstum nur langsam sinken.
Schlägt China diesen Weg ein, droht die Umsetzung von
Umweltauflagen ins Stocken zu geraten. Nationale Projekte wie der ab
2017 geplante Emissionshandel müssten ganz auf Eis gelegt werden. Die
unter Überschuldung und Steuerausfällen leidenden Lokalregierungen
dürften zu Investitionen in Umweltschutzprojekte kaum noch bereit
sein.
Diese drohenden Rückschritte könnten den Kampf gegen die globale
Erwärmung empfindlich schwächen. Es gilt daher, China weiter zu
möglichst konkreten Zusagen zu drängen und sich etwa bei den
CO2-Emissionen absolute Ziele zu stecken. Um China dauerhaft ins Boot
zu holen, muss die internationale Klimazusammenarbeit sich mehr damit
befassen, wie kurzfristiges Wachstum mit langfristigen Klimazielen
vereinbart ist und wie in umweltfreundlichen Branchen Jobs geschaffen
werden können.
Quelle:
MERICS China Policy Brief: "Chinas Klimaversprechen unter
wirtschaftlichem Druck: Szenarien und Auswirkungen"
Link: http://ots.de/7YPCD
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