Wer aktuell die Finanzzeitungen aufschlägt, wird in Artikeln, die sich mit der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung beschäftigen, immer wieder dem Begriff „Deflation“ begegnen, und zwar in Kombination mit „Angst“, „Sorge“ oder „Risiko“. Diese negativen Verknüpfungen werden dadurch verschärft, dass Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank, immer wieder von einem „Deflationsrisiko“ spricht, das bekämpft werden müsse.
Da die Zentralbanken die Finanzmärkte mit ihren Leitzinsen und anderen geldpolitischen Maßnahmen wesentlich beeinflussen, ist es für Anleger wichtig zu verstehen, was diese Institutionen bewegt und was es mit der Deflation bzw. dem Deflationsrisiko auf sich hat.
Daher möchte ich Sie einladen, mich in einer kleinen Serie von Blog-Beiträgen zum Thema Deflation aus dem Blickwinkel eines Anlegers zu begleiten.
(firmenpresse) - Im ersten Teil soll es darum gehen, was man unter Deflation versteht, wo wir sie im Alltag erleben, was ihre Ursachen sind und warum sie gesamtwirtschaftlich selten auftritt. In den folgenden Beiträgen werde ich dann weiterführende Themen aufgreifen, wie z. B. die „Deflationsspirale“, das Thema „Überschuldung und Deflation“ und vor allem die Frage, was dies für einen Anleger bedeutet.
Deflation definiert man in der Volkswirtschaftslehre als einen allgemeinen, signifikanten und anhaltenden Rückgang des Preisniveaus für Waren und Dienstleistungen.
Die Hauptursache für einen Preisrückgang ist eine gestiegene Effizienz, die Fähigkeit, ein Produkt oder eine Dienstleistung billiger und/oder besser anbieten zu können. Dieses Phänomen kennen wir aus der Computer- und der Unterhaltungselektronikbranche: Ein aktuelles iPhone kostet etwa ein Drittel eines Apple Macintosh Computer aus dem Jahr 1984, der damals etwa 2.500 USD gekostet hat – und es kann unglaublich viel mehr.
Es gibt aber auch weniger bekannte Beispiele von Deflation aufgrund von Effizienzsteigerungen. So sind laut dem Institut der deutschen Wirtschaft in Deutschland zwar die Preise für die meisten Grundnahrungsmittel (Butter, Zucker, Milch, Brot etc.) seit 1960 oder auch seit 1991 nominal gestiegen. Andererseits musste ein „durchschnittlicher“ Arbeiter 1960 51 Minuten für zehn Eier arbeiten, 1991 waren es neun Minuten und 2009 nur noch acht Minuten. Allgemein ist es so, dass ein deutscher Arbeiter 2009 durchschnittlich nur ein Drittel so lange arbeiten musste, um den gleichen Warenkorb erwerben zu können wie 1960.
Eine weitere wichtige Ursache für Deflation – nämlich ein Mehrangebot im Verhältnis zu einer stabilen Nachfrage – erleben wir aktuell beim Ölpreis. Dazu muss man sich vor Augen führen, dass die Nachfrage nach Öl nicht elastisch auf den Preis reagiert. Das bedeutet z. B., dass kaum weniger Auto gefahren wird, wenn der Ölpreis steigt, bzw. mehr, wenn der Preis fällt. Ebenso ist es von Bedeutung, dass das Angebot sehr kurzfristig und einfach erhöht bzw. reduziert werden kann: Der „Ölhahn“ kann relativ leicht auf- bzw. zugedreht werden.
Da sich die Erdölproduzenten aus verschiedenen politischen und ökonomischen Gründen zurzeit nicht einig sind und alle möglichst viel Öl verkaufen wollen, wird weltweit reichlich Öl angeboten, und der Preis aller Ölsorten ist in den vergangenen 18 Monaten um über 50 % gefallen.[1]
Warum kam es aber trotz dieser lang- und kurzfristigen deflationären Trends nicht oder nur ganz selten gesamtwirtschaftlich zu einer Deflation? Dafür gibt es zwei Hauptursachen:
Zum einen haben die Konsumenten durch die niedrigeren Preise Geld zur Verfügung, das sie für mehr, höherwertige oder andere Anschaffungen verwenden. Dadurch ändert sich der repräsentative Warenkorb, auf dessen Basis der Verbraucherpreisindex berechnet wird. [2] Das veränderte Konsumverhalten kompensiert den deflationären Effekt.
Zum anderen hängt Deflation natürlich auch von der Geldmenge und dem Geldmengenwachstum ab. Und obwohl Geld mittels Kreditvergabe von den Geschäftsbanken gemacht wird, steuern die Zentralbanken letztlich durch ihre Geldpolitik das Geldmengenwachstum. [3] In der Vergangenheit war die Politik so, dass immer etwas zu viel Geld geschaffen wurde und es zu einer (moderaten) Inflation kam.
Wann es in der Geschichte dennoch zu gesamtwirtschaftlichen Deflationen gekommen ist und wie sie entstehen konnten, möchte ich in meinem nächsten Blogbeitrag erläutern.
[1] Obwohl der prozentuale Anteil von Energie am statistischen Warenkorb, der zur Berechnung der Inflation herangezogen wird, etwa 10% ausmacht, bedeutet der Rückgang des Rohölpreises von 50% nicht, dass der Index um 5% gefallen ist. Das hängt vor allem damit zusammen, dass der Rohölpreis nur einen kleinen Teil des Endpreises ausmacht. Der größte Anteil sind Steuern auf bzw. die Vermarktung von Energieendprodukten.
[2] 1980 betrug der Anteil der Nahrungsmittel und alkoholfreier Getränke an dem Warenkorb in Deutschland z. B. 14,5%, 2010 betrug dieser Anteil nur noch 10,3%.
[3] Eine wirklich gute Erklärung, wie Geld entsteht, was es mit der Geldschöpfung und dem Zusammenhang mit der Zentralbank auf sich hat, finden Sie hier: https://www.khanacademy.org/economics-finance-domain/core-finance/money-and-banking Auch wenn man nur wenig Englisch kann, sind die Videos sehr verständlich. Genauer und technischer wird die Geldschöpfung hier beschrieben: http://www.bankofengland.co.uk/publications/Documents/quarterlybulletin/2014/qb14q102.pdf
Ãœber BLI - Banque de Luxembourg Investments S.A.
BLI - Banque de Luxembourg Investments S.A. ist die unabhängige Fondsmanagement- und Kapitalanlagegesellschaft der Banque de Luxembourg. In ihr sind die Analyse- und Management-Kompetenz der Luxemburger Privatbank gebündelt. BLI verwaltet und vertreibt eine Palette von fast 30 Investmentfonds der Banque de Luxembourg mit Schwerpunkt auf der Vermögensverwaltung. Die Assets under Management betragen 10,47 Milliarden Euro (Stand: 31.10.2015).
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