(ots) - Reporter ohne Grenzen erinnert daran, dass die
international bekannte Investigativreporterin Khadija Ismajilowa seit
einem Jahr in Aserbaidschan im Gefängnis sitzt. Ismajilowa war am 5.
Dezember 2014 nach konstruierten Vorwürfen verhaftet und im September
2015 zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. ROG ruft
das aserbaidschanische Regime auf, Ismajilowa und alle anderen
inhaftierten Blogger und Bürgerjournalisten freizulassen.
"Der Prozess gegen Khadija Ismajilowa war eine Farce und verletzt
internationale Standards aufs Gröbste, Ismajilowa sitzt seit einem
Jahr völlig zu Unrecht im Gefängnis", sagte ROG-Geschäftsführer
Christian Mihr. "Unser Respekt und unser Mitgefühl gilt ihr und all
jenen, die sie unter einem immer repressiver agierenden Regime
unermüdlich unterstützen und die Freiheit des Wortes mutig
verteidigen."
Die Journalistin, die über illegale Geschäfte der
Präsidentenfamilie und Korruption in höchsten Regierungskreisen
berichtet und dafür international zahlreiche Preise erhalten hat, war
am 5. Dezember 2014 in Baku verhaftet worden. Als Vorwand dienten die
- wenig später zurückgenommenen - Anschuldigungen eines früheren
Kollegen, Ismajilowa habe ihn in einen Selbstmordversuch getrieben.
Am 13. Februar wurde sie zusätzlich wegen Veruntreuung, illegalen
Unternehmertums und Steuerhinterziehung angeklagt. Die Vorwürfe
betreffen die Zeit von Juli 2008 bis Oktober 2010, als Ismajilowa das
Büro von Radio Free Europe/Radio Liberty in Baku leitete.
Khadija Ismajilowa saß acht Monate lang in Untersuchungshaft,
bevor ihr Prozess am 7. August 2015 überhaupt begann. Mehrere Anträge
ihrer Anwälte, die Haft in Hausarrest umzuwandeln oder die
Journalistin gegen Kaution freizulassen, lehnte das Gericht ab. Am 8.
Juni 2015 reichte Ismajilowa mit Hilfe der Londoner Media Legal
Defence Initiative Klage gegen ihre Verhaftung beim Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte ein. Der Prozess wird in Straßburg
vorrangig behandelt und beginnt voraussichtlich Anfang 2016.
ZENTRALE BEWEISSTÃœCKE VERWEIGERT, ZEUGEN UNTER DRUCK
Das Verfahren gegen Ismajilowa in Baku war von zahlreichen
Unregelmäßigkeiten begleitet. Wiederholt wurde der Journalistin
Einsicht in ihre Akten verwehrt, die Anklage legte zentrale
Beweisstücke nicht vor. Zeugen berichteten, sie seien von der
Staatsanwaltschaft unter Druck gesetzt worden. Keiner ihrer
ehemaligen Kollegen bei Radio Free Europe/Radio Liberty sagte gegen
Ismajilowa aus. Während ihres Schlussplädoyers verließen die
zuständigen Richter den Raum. Zahlreichen Journalisten, Aktivisten
und ausländischen Diplomaten, die sich an Prozesstagen vor dem
Gericht versammelten, wurde der Zugang mit Hinweis auf mangelnden
Platz verwehrt.
Am 1. September 2015 verurteilte das Bakuer Gericht für
Schwerverbrechen Khadija Ismajilowa zu einer Haftstrafe von
siebeneinhalb Jahren. In ihrem Schlussplädoyer wies die Journalistin
auf die Absurdität hin, genau für die Tatbestände verurteilt worden
zu sein, die sie dem aserbaidschanischen Regime in ihren Recherchen
seit Jahren vorwirft. Ismajilowa gab sich kämpferisch: Die
Gefängnisstrafe gebe ihr die Möglichkeit, aus erster Hand über
Missstände des aserbaidschanischen Strafvollzugs zu berichten
(http://t1p.de/3hx5). Ihre Berufung wurde vergangene Woche - am 25.
November - abgelehnt (http://t1p.de/icuz).
PROTESTMAIL-AKTION FÃœR DIE FREILASSUNG ISMAJILOWAS
Der Versuch, Ismajilowa zum Schweigen zu bringen, ist Teil einer
aggressiven Kampagne der aserbaidschanischen Führung gegen Kritiker
im eigenen Land. Seit dem Sommer 2014 sitzen prominente Aktivisten
wie Rasul Jafarow oder Leyla und Arif Yunus sowie der
Menschenrechtsanwalt Intigam Aliew im Gefängnis. Emin Husejnow,
Direktor der ROG-Partnerorganisation Institute for Reporter's Freedom
and Safety wurde ins Exil gezwungen.
Acht Journalisten und vier Blogger und Bürgerjournalisten sitzen
momentan wegen ihrer Arbeit im Gefängnis. Reporter ohne Grenzen zählt
Präsident Ilcham Alijew zu den größten Feinden der Pressefreiheit
weltweit und setzt sich weiter für die Freilassung Khadija
Ismajilowas und ihrer Kollegen ein - unter anderem mit einer
Protestmail-Aktion
(www.reporter-ohne-grenzen.de/mitmachen/ismajilowa/).
Weitere Informationen über die Situation von Journalisten und
Menschenrechtsaktivisten in Aserbaidschan finden Sie unter
www.reporter-ohne-grenzen.de/aserbaidschan sowie in einem
ausführlichen Hintergrundbericht der International Partnership for
Human Rights (http://t1p.de/hs2m).
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska / Christoph Dreyer
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