(ots) - In einer Stichprobe hat das ZDF einen Mercedes C200
CDI, einen BMW 320d und einen VW Passat 2.0 TDI Blue Motion
untersuchen lassen. Bei gleicher Fahrweise auf der Straße stoßen sie
viel mehr Stickoxide aus als bei demselben Fahrzyklus im offiziellen
Labortest. Das zeigen Messungen der Abgasprüfstelle der Berner
Fachhochschule im Auftrag des ZDF, wie das ZDF-Magazin "Frontal 21"
in seiner Sendung am Dienstag, 15. Dezember 2015, 21.00 Uhr,
berichtet.
"Die Messresultate zeigen, dass die Fahrzeuge sich auf dem
Rollenprüfstand anders verhalten, als wenn sie auf der Straße
betrieben sind", so das Fazit der Schweizer Abgasprüfstelle an der
Berner Fachhochschule. Der stellvertretende Leiter der Prüfstelle,
Pierre Comte, erklärt gegenüber dem ZDF, dass eigentlich bei gleicher
Fahrweise wie im Labor auch auf der Straße ähnliche Ergebnisse zu
erwarten seien. Die festgestellten hohen Abweichungen müssten von den
Autoherstellern erklärt werden.
Die Schweizer Abgasprüfstelle hat im Auftrag des ZDF drei Autos
getestet: einen Mercedes C200 CDI Blue Efficiency (Erstzulassung
2011), einen BMW 320d (Erstzulassung 2009) und einen VW Passat 2.0
TDI Blue Motion (Erstzulassung 2011). Der VW Passat hat nach Auskunft
des Herstellers eine illegale Abschaltsoftware verbaut, die
Stickoxidwerte (NOx) im Prüfstandlauf optimiert.
Alle drei Autos erzeugten auf der Straße ein Mehrfaches der
NOx-Emissionen, die im Labor entstanden waren, bei gleicher Fahrweise
und vergleichbarer Fahrbedingungen.
Alle drei Autos erfüllten bei dem offiziellen Abgas-Labortest in
der Schweizer Prüfstelle die Abgasnorm Euro 5, die bei Stickoxiden
NOx einen Grenzwert von 180 mg/km vorschreibt. Im Labortest wurde auf
der Prüfstandrolle der gesetzlich vorgeschriebene Neue Europäische
Fahrzyklus NEFZ gefahren und dabei die Abgasemissionen gemessen. Der
BMW 320d und der Mercedes C200 CDI stießen dabei jeweils 154 mg/km
NOx aus, der VW Passat 127 mg/km. Alle drei Autos erfüllten damit die
gesetzliche Norm.
Später fuhr derselbe Prüfstandfahrer der Schweizer Abgasprüfstelle
mehrfach denselben computerunterstützen Fahrzyklus NEFZ auf einem
stillgelegten Flughafengelände und mit Begleitung durch ein
Sicherungsfahrzeug auf einem verkehrsarmen Autobahnteilstück. Die
Abgasemissionen wurden dabei - anders als im Labor - mit einem
mobilen Messgerät, einem sogenannten PEMS ermittelt. Bis heute hat
noch niemand einen solchen Test unternommen und computergestützt den
offiziellen Fahrzyklus auf der Straße nachgefahren.
Nach Abzug der höchsten Messabweichungen zwischen Labormessgerät
und PEMS lag der NOx-Wert für den BMW 320d beim NEFZ auf der Straße
bei 428 mg/km, das 2,8fache des Laborwerts. Der Mercedes C200 CDI kam
bei dem NEFZ auf der Straße auf 420 mg/km NOx, das 2,7fache des
Laborwerts, wiederum nach Abzug der höchsten Messabweichung zwischen
PEMS und Labormessgerät. Der VW Passat stieß nach Abzug der höchsten
Abweichung 471 mg/km NOx aus, das 3,7fache des Laborwerts.
"Bei gleicher Fahrweise, also bei gleichen Leistungsanforderung
wie im Labor, müssten eigentlich ähnliche Abgaswerte herauskommen",
erklärt Axel Friedrich, Beamter des Umweltbundesamtes im Ruhestand,
gegenüber "Frontal 21" und sagt: "Diese hohen Abweichungen sind
physikalisch-chemisch nicht zu erklären".
"Frontal 21" hat die Autobauer um Erklärung gebeten. BMW, VW und
Mercedes kritisieren den Testaufbau und halten die Messergebnisse im
Labor und auf der Straße für nicht vergleichbar. Laut Daimler könne
es durch unterschiedliche Temperaturverhältnisse, Fahrzeuglasten und
Nebenverbraucher zu entsprechenden Abweichungen kommen. BMW begründet
höhere NOx-Emissionen mit "anderen Umweltbedingungen, wie zum
Beispiel Temperaturen, Seitenwind, aber auch andere Lasten durch
Steigungen oder unterschiedliche Beschleunigungen". Auch VW weist
darauf hin, dass auf der Straße andere Bedingungen herrschten als im
Labor, etwa "Luftdruckveränderungen, Wetterverhältnisse oder
unterschiedliche Fahrbahnbeschaffenheit". Auf die Frage, inwiefern
die Abschaltsoftware für die hohe Abweichung verantwortlich ist, gibt
VW keine eindeutige Antwort.
"Unterschiede bei den NOx-Werten würde ich erwarten", sagt Prof.
Kai Borgeest vom Zentrum für KFZ-Elektronik und Verbrennungsmotoren
der Universität Aschaffenburg, "aber eben nicht in der
Größenordnung". Borgeest wörtlich: "Technisch ist denkbar, dass auch
die anderen Hersteller, die getestet wurden, Abschaltvorrichtungen in
unterschiedlicher Art und Weise verwendet haben - sprich Funktionen
der Software, die den Zyklus erkennen. Das wäre dann illegal."
"Bei der BMW Group wird nicht manipuliert", stellt BMW gegenüber
"Frontal 21" klar. "Bei unseren Fahrzeugen wird in der
Abgasbehandlung nicht zwischen Rollen- und Straßenbetrieb
unterschieden", so BMW. Daimler stellt in seiner Antwort an "Frontal
21" fest, dass ein "Defeat Device, sprich eine Funktion, die die
Wirksamkeit der Abgasnachbehandlung unzulässig einschränkt, bei
Mercedes nicht zum Einsatz" komme.
So bleibt die Frage offen, ob außer VW auch Daimler und BMW eine
illegale Abschalteinrichtung nutzen. Jürgen Resch von der Deutschen
Umwelthilfe fordert daher Aufklärung von den Behörden: "Das schreit
nach einer genaueren Untersuchung". Resch weiter: "Das
Kraftfahrtbundesamt als im Moment zuständige Kontrollbehörde muss
diese Information ernst nehmen und eigenständige Nachprüfungen
vornehmen."
Das Bundesverkehrsministerium wollte auf Nachfrage von "Frontal
21" zu den auffälligen Ergebnissen der Abgasmessungen keine Stellung
nehmen.
Hinweis für Redaktionen:
Journalistische Nachfragen bitte unter: Telefon: 030 - 2099-1262
(Steffen Judzikowski)
https://twitter.com/Frontal21
Pressekontakt:
ZDF Presse und Information
Telefon: +49-6131-70-12121